USA lancieren Global Nuclear Energy Partnership
Die USA wollen die weltweite Nutzung der Kernenergie fördern und einen Beitrag zur Entwicklung eines proliferationsresistenten Kernbrennstoffkreislaufs leisten. Zur Konkretisierung dieser Absicht beantragt die amerikanische Regierung für das Fiskaljahr 2007 (Beginn am 1. Oktober 2006) rund USD 250 Mio. für den Start der «Global Nuclear Energy Partnership» (GNEP). Dies hat Energieminister Samuel Bodman am 6. Februar 2006 an einer Medienkonferenz in Washington bekannt gegeben.
Mit dieser neuen Initiative sollen in internationaler Partnerschaft fortgeschrittene Wiederaufarbeitungstechnologien und Reaktoren entwickelt werden mit dem Ziel, die technischen und politischen Voraussetzungen für den weltweiten Ausbau der Kernenergie zu schaffen und gleichzeitig die Gefahr ihres Missbrauchs für den Bau von Kernwaffen zu minimieren.
Die GNEP ist Teil der «Advanced Energy Initiative», die Präsident George W. Bush am 1. Februar 2006 in seiner «State of the Union Address» angekündigt hat. Im Rahmen der Advanced Energy Initiative soll die Forschung im Bereich der umweltfreundlichen Energietechnologien einschliesslich der Kernenergie deutlich verstärkt werden mit dem Ziel, die Erdölimporte aus dem Nahen Osten bis ins Jahr 2025 um mehr als 75% zu reduzieren.
Weit gesteckte Ziele und umfassende Strategie
Nach Angaben des Department of Energy (DOE) verfolgt die GNEP vier Ziele:
- die Reduktion der Abhängigkeit der USA vom Import fossiler Energieträger
- die Wiederaufarbeitung des abgebrannten Kernbrennstoffs mittels proliferationsresistenten Technologien, um wesentlich mehr Energie aus dem Brennstoff zu gewinnen und die Menge und die Radiotoxizität der Abfälle drastisch zu verringern
- die weltweite Förderung von Wirtschaftswachstum und umweltfreundlichen Energiequellen
- das Verringern des Risikos der Weiterverbreitung von Kernwaffen
Zur Umsetzung dieser Ziele stellte Bodman eine Strategie vor, die sieben Elemente umfasst:
- den Bau einer neuen Generation von Kernkraftwerken in den USA
- die Entwicklung und den Einsatz neuer Wiederaufarbeitungstechnologien
- das Schaffen der Voraussetzungen für den effizienten Umgang mit und die allfällige Langzeitlagerung von abgebranntem Kernbrennstoff in den USA
- die Entwicklung von «Advanced Burner Reactors» (fortgeschrittenen «Brennern»), die den wiederaufgearbeiteten Brennstoff besser nutzen können als Leichtwasserreaktoren
- den Aufbau einer Versorgungsstruktur für Kernbrennstoffe, die den Entwicklungsländern den Zugang zu einer wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie öffnet und gleichzeitig die Gefahr der Weiterverbreitung von Kernwaffen minimiert
- die Entwicklung und den Bau von Reaktoren geringer Leistung, die sich für den Einsatz in Entwicklungsländern eignen
- die Verstärkung der internationalen Überwachung der Kernanlagen zur Gewährleistung von Sicherheit und Proliferationsresistenz
Kreislauf ohne separiertes Plutonium
Der zentrale Gedanke der GNEP besteht laut Bodman darin, einen Brennstoffkreislauf zu entwickeln, bei dem kein Plutonium isoliert wird und möglichst wenig radioaktive Abfälle entstehen. Nach Angaben des Deputy Secretary of Energy, Clay Seil, stehen bei der fortgeschrittenen Wiederaufarbeitung die industrielle Anwendung zweier bekannter Technologien im Vordergrund: Urex Plus und Pyroprocessing. Anders als bei der heutigen Wiederaufarbeitung nach dem Purex-Verfahren wird dabei das Plutonium nicht abgetrennt und separat gelagert, sondern bleibt mit den übrigen Actiniden - darunter Uran - vermischt, so dass es als Kernwaffenmaterial praktisch untauglich ist.
Die zweite zentrale Herausforderung besteht in der Entwicklung von Schnellen Reaktoren, die diesen Actiniden-Brennstoff unter erneuter Energiegewinnung nutzen können. Im Vergleich zum heutigen «Once-through»-Verfahren in den USA ohne Wiederaufarbeitung reduziert das Recycling nach Angaben des DOE das Volumen der letztlich im Langzeitlager Yucca Mountain in Nevada zu entsorgenden radioaktiven Abfälle um 80%.
Den Zeithorizont für den Nachweis der industriellen Machbarkeit gibt Seil mit fünf bis zehn Jahren an. Mit den angeforderten USD 250 Mio. für 2007 soll ein Anfang gemacht werden, und das DOE hofft, dass das entsprechende Budget in den nachfolgenden Jahren stark ansteigen wird.
Neuausrichtung der amerikanischen Nuklearpolitik
Die Idee des «Combined Reprocessing» ist nicht neu, wohl aber, dass die USA grosse Mittel für die technische Entwicklung zur Verfügung stellen wollen. Im Unterschied zu anderen führenden Kernenergieländern wie Frankreich, Grossbritannien, Japan oder Russland verzichten die USA seit 1970 auf die Wiederaufarbeitung des abgebrannten Brennstoffs aus zivilen Reaktoren. Mit der jetzt vorgestellten Initiative vollzieht die amerikanische Regierung eine nuklearpolitische Kehrtwende. Im Rahmen der GNEP möchte sie - in Partnerschaft mit den Ländern mit bereits geschlossenem Kernbrennstoffkreislauf - die proliferations-resistenten Wiederaufarbeitungstechnologien so weit entwickeln, dass die entsprechende industrielle Infrastruktur in den USA und den Partnerländern bereit gestellt werden kann. Damit könnte aus Sicht der USA ein weltweites und verlässliches Versorgungssystem aufgebaut werden, bei dem die Gruppe der Lieferländer anderen Staaten, die auf einen eigenen Kernbrennstoffkreislauf verzichten, den Brennstoff für die Kernkraftwerke im Leasing-Verfahren zur Verfügung stellen. Die abgebrannten Brennelemente würden zur Wiederaufarbeitung zurückgenommen.
In einer Stellungnahme begrüsste die französische Areva, eines der führenden Unternehmen der Kernenergie-Industrie, das Bekenntnis der amerikanischen Regierung zum Recycling von abgebranntem Kernbrennstoff. Areva sei bereit, an der Erarbeitung und Umsetzung eines Systems, das die Versorgungssicherheit gewährleistet, mitzuwirken und verweist auf ihre grosse Erfahrung im Kernbrennstoffkreislauf.
Source
M.S./M.E. nach DOE, Medienmitteilung und Press Briefing, 6. Februar 2006, und Areva, Medienmitteilung, 8. Februar 2006
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