Das Kernkraftwerk Leibstadt: solider Pfeiler der umweltverträglichen Stromversorgung in der Schweiz
Referat von Dr. Manfred Thumann, Geschäftsführer des Kernkraftwerks Leibstadt (KKL) und CEO Kernenergie der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK), anlässlich der Medienkonferenz «20 Jahre KKL» am 10. Januar 2005 im Informationszentrum des KKL.
Mutige in- und ausländische Investoren standen vor rund vierzig Jahren zusammen. Sie hatten eine zukunftsgerichtete Sicherung der heimischen Stromversorgung im Auge und setzten angesichts des sich abzeichnenden Endes der Ausbaumöglichkeiten der Wasserkraft auf die Kernenergie. Standfeste und in der Sache überzeugte Manager und Ingenieure führten das Projekt trotz einiger Turbulenzen ins Ziel. Verantwortungsbewusste Mitarbeitende haben für den sicheren und zuverlässigen Betrieb des Kraftwerks gesorgt und dadurch bis heute mehr Strom produziert, als die gesamte Schweiz in drei Jahren verbraucht.
Die Geburtsstunde des klimafreundlichen, CO2-freien Strommixes der Schweiz fällt mit der Inbetriebnahme des KKL zusammen. Der Anteil der nuklearen Stromproduktion stieg Ende 1984 von 28 auf 40 Prozent; dies in Ergänzung zu 60 Prozent Wasserkraft. Die durchschnittliche Jahresproduktion des KKL liegt heute bei rund 9 Mrd. Kilowattstunden (kWh). Dies entspricht rund 17 Prozent des Stromkonsums in der Schweiz - Strom für über eine Million Menschen kommt aus Leibstadt.
Das KKL - ein Partnerwerk
Die bei Wasserkraftwerken entwickelte Organisationsform des sogenannten Partnerwerks wurde auch bei den beiden Kernkraftwerken Gösgen und Leibstadt angewendet. Partnerwerke sind selbständige Aktiengesellschaften, die von mehreren Partnern gegründet werden und zusammen das ganze Aktienkapital besitzen. Partnerwerke liefern Strom grundsätzlich nicht an Dritte, sondern an ihre Partner. Diese verpflichten sich als Gegenleistung für die von ihnen bezogene Energie die Jahreskosten der Partnerunternehmung zu tragen und zwar im Verhältnis ihrer Beteiligung am Aktienkapital. Das KKL produziert somit Strom, welcher den Partnern anteilig gehört. Die immer wieder aufgestellte Behauptung, das KKL mache mit dem Verkauf der Energie Verlust, ist grundsätzlich falsch. Das unternehmerische Risiko liegt einzig und allein bei den Partnern.
Die Zahl der Partner hat sich im Lauf der Zeit verändert. Waren bei der Betriebsaufnahme 13 Firmen aus Deutschland und der Schweiz am KKL beteiligt, sind es heute sieben Unternehmen; alle mit Standort Schweiz. Bis 2002 lag die Verantwortung für die Geschäftsführung bei der Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG (EGL). Vor zwei Jahren wurde der Auftrag den Nordostschweizerischen Kraftwerken (NOK) übertragen, der Eigentümerin der Kernkraftwerke Beznau-1 und -2.
Kernkraft erfordert Investitionsbereitschaft
Eigentümer messen ihre Investition an der Zuverlässigkeit der Anlage und an den Kosten des Produkts. Die diesbezügliche Bilanz fällt sehr positiv aus. Und die Wirtschaftlichkeit, die Konkurrenzfähigkeit? Mit CHF 4,8 Mrd. musste für Planung und Bau ein enorm hohes Startgeld entrichtet werden. Entsprechend bewegten sich die Gestehungskosten in den ersten Jahren mit über 9 Rp./kWh auf einem kritischen Niveau. Die Grenze von 5 Rp./kWh wird 2005 angestrebt. Die Schulden konnten zwischenzeitlich auf CHF 935 Mio. reduziert werden.
Enorm ist die wirtschaftliche Bedeutung des
KKL. Pro Jahr werden allein im Kanton Aargau
Aufträge von rund CHF 16 Mio. an Gewerbe,
Industrie und an den Dienstleistungssektor vergeben. Grosse Beträge wurden 2004 an die
öffentliche Hand entrichtet:
Steuern Kanton und Gemeinden CHF 4,9 Mio.
Steuern Bund CHF 1,8 Mio.
Gebühren Kanton CHF 4,5 Mio.
Gebühren Bund CHF 8 Mio.
In den staatlichen Entsorgungs- und Stilllegungsfonds wurden CHF 501,2 Mio. einbezahlt.
Sachlichkeit versus Emotion
Sind es tatsächlich schon 20 Jahre, seit das KKL die Stromproduktion aufgenommen hat? Zumindest national und international hat man in diesen Jahren vom KKL nicht besonders viel gehört - und das ist gut so. Von allen grosstechnischen Anlagen zur Energieerzeugung werden Kernkraftwerke am kritischsten beobachtet. Ein gutes Stück weit verständlich, denn eine neue Technologie muss erst den Beweis antreten, dass die immer vorhandenen Risiken auch beherrscht werden. Nur: Nirgends ist der Kampf um die Technik leidenschaftlicher geführt worden als um die Kernkraft. Auch wenn das berechnete Schadensrisiko noch so klein ist, verfehlt die Vorstellung der möglichen Folgen ihre Wirkung nicht. Ausgehend von der ideologischen Vision, dass diese Technik nicht beherrschbar ist, dient jede zusätzliche Anstrengung zur Erhöhung der Sicherheit - oder Reduktion des Risikos, je nach Leseart - für den überzeugten Gegner als neuerlicher Beweis der Gefährlichkeit.
Sicherheitsdenken erträgt keine Toleranz
Ist nun 20 Jahre unfallfreier Betrieb - das heisst nicht störungsfrei - des KKL Anlass, zurückzulehnen? Für uns sicherlich nicht, denn Zufriedenheit mit dem Erreichten, wäre der erste Grundfür Risiken. Wir wissen, dass Technik versagen kann und wir kennen menschliches Fehlverhalten. Darum tun wir alles, um für diese Fälle gewappnet zu sein und lassen nicht nach, beides kontinuierlich zu verbessern. Wir wiegen uns nicht in Sicherheit, sondern sind auch künftig wachsam, um jede Abweichung, jede Unregelmässigkeit zu erkennen und zu eliminieren. Das ist ein Versprechen für das Vertrauen, das uns entgegen gebracht wird.
Endlagerfrage zügig lösen
Was können wir von der Zukunft erwarten? Bis mindestens ins Jahr 2045 die Anlage sicher zu betreiben, ist das eine Ziel. Wir engagieren uns aber auch über den werkseigenen Gartenzaun hinaus. Die radioaktiven Abfälle sind zu entsorgen! Das Geld dafür wird bereits heute angespart und die Technik ist im Wesentlichen entwickelt. Was fehlt, ist der politische und gesellschaftliche Wille, einen Standort für das Tiefenlager zu finden und zu genehmigen. Es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, dass im Opalinuston ein auch für unsere Nachkommen sicheres Endlager in der Schweiz geschaffen werden kann. Noch immer trage ich einen Funken Hoffnung in mir, besonnene Kreise in den Umweltorganisationen doch an den Tisch zu bringen. Die Abfälle sind da und wer unserem Land dienen und dieses nachhaltig schützen will, sollte Hand bieten zur Problemlösung auch in strittigen Themen.
Klimafrage und Kosten sprechen für die Kernenergie
Eine noch grössere Diskussion steht uns aber noch bevor: Wie kann die Stromversorgung in der Zukunft gesichert werden? Fest steht, dass der Stromverbrauch in den letzten zehn Jahren um rund 1,9% pro Jahr gestiegen ist und dass in absehbarer Zeit Neuinvestitionen in Kraftwerke anstehen. Die grossen Stromversorgungsunternehmen, so auch die Axpo, entwickeln gegenwärtig zukunftsgerichtete Szenarien, verbunden mit einer sachlichen Auslegeordnung unter Einbezug aller Möglichkeiten. Ohne Entscheidungen vorwegnehmen zu wollen, hat die Kernenergie zwei starke Trümpfe in der Hand: die CO2-freie Stromproduktion und die stabilen, berechenbaren Betriebskosten. Die zunehmenden Umwelt- und Klimarisiken, hervorgerufen durch den steigenden CO2-Anteil in der Atmosphäre, und die stark schwankenden und zunehmend höheren Kosten für Erdöl, Gas und Kohle festigen die Position der Kernkraft bei der weltweiten Diskussion über die Energie-, respektive die Stromversorgung.
Gemeinsam in die Zukunft
Das KKL hat während der bisherigen Betriebszeit mehr als den Stromverbrauch der gesamten Schweiz in drei Jahren produziert - leise, zuverlässig, sicher, mit stetig sinkenden Produktionskosten und ohne CO2. Die hohe Akzeptanz im Standortgebiet und weit darüber hinaus ist für das KKL ein starkes Fundament auf dem Weg in die Zukunft. Wir danken für das entgegengebrachte Vertrauen. Wir setzen alles daran, unseren Beitrag zur guten Nachbarschaft weiter zu leisten. Der sichere Betrieb und die offene Kommunikation bleiben unsere tägliche Verpflichtung.