Yucca Mountain: Unsicherheit nach Gerichtsentscheid
Das amerikanische Bundesappellationsgericht für den Bezirk "District of Columbia" hat in einem einstimmigen Beschluss am 9. Juli 2004 elf von zwölf Einsprachen des Bundesstaats Nevada von 2002 sowie weiterer Einsprecher gegen die bestehenden Bewilligungen für das Langzeitlager Yucca Mountain zurückgewiesen.
Namentlich bestätigte das Gericht die Verfassungsmässigkeit des Kongressentscheids von 2002, das zentrale nationale Langzeitlager für hoch radioaktiven Abfall und bestrahlten Kernbrennstoff in Nevada zu bauen. Auch befand das Gericht das von der nuklearen Sicherheitsbehörde NRC (Nuclear Regulatory Commission) genehmigte Schutzkonzept mit gestaffelten natürlichen geologischen wie auch technischen Barrieren für rechtens. Schliesslich stellte sich das Gericht mit einer Ausnahme hinter alle Entscheide der Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) im Rahmen des Bewilligungsverfahrens.
Diese Ausnahme ist der EPA-Entscheid, die Betrachtungsdauer für die radiologischen Sicherheitsanalysen wesentlich auf 10'000 Jahre zu begrenzen. Die Begrenzung ist ein grundlegendes Element der technischen Bewilligungen, widerspricht gemäss Gerichtsbefund jedoch Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften NAS (National Academyof Sciences) von 1995. Laut der amerikanischen Energiegesetzgebung von 1992 müsse sich die EPA in Strahlenschutzfragen an NAS-Empfehlungen halten und die NAS habe verschiedentlich festgehalten, die Strahlenschutzwirkung eines Langzeiteinschlusses für hoch radioaktive Abfälle beziehungsweise bestrahlte Kernbrennstoffe sei über einige hunderttausend Jahre zu betrachten. Materiell äusserte sich das Gericht nicht zur Frage, ob 10'000 Jahre ausreichen würden oder nicht. Indessen fehlte dem Gericht die formale Grundlage für das Abweichen von NAS-Empfehlungen. Halte die EPA den Betrachtungszeitraum von 10'000 Jahren für richtig, habe entweder sie eine spezielle Strahlenschutznorm für Yucca Mountain zu erlassen oder der Kongress die gesetzliche Voraussetzung zu schaffen, um in dieser Frage von NAS-Empfehlungen abweichen zu dürfen.
In Kommentaren zum Gerichtsentscheid weisen die Kernindustrie wie auch Behördenvertreter darauf hin, die NAS habe für die geologische Lagerung langzeittoxischer chemischer Abfälle einen Betrachtungszeitraum von 10'000 Jahren als genügend erachtet. Auch gehe die Energiegesetzgebung von 1992 im Zusammenhang mit dem Eindringrisiko in ein Langzeitlager von diesem Zeitraum aus. Unabhängig davon könnten nach Meinung der Kernindustrie NAS-Empfehlungen schon aus Gründen der verfassungsmässigen Gewaltenteilung für die EPA nicht als endgültig verbindlich gelten. Sie seien eine zu berücksichtigende Grundlage, doch habe die EPA das Recht, nach eingehenden eigenen Analysen davon abzuweichen. Für die in dieser Sache berechtigte Industrie hat daher das Nuclear Energy Institute (NEI) das Gericht um Wiedererwägung des Entscheids ersucht.
Sollte dieser in der amerikanischen Prozessordnung vorgesehene Berufungsschritt nicht zum Ziel führen, käme noch ein Weiterzug an das Oberste Bundesgericht in Frage. Mit einer endgültigen Klärung der Bewilligungssituation durch dieses Gericht oder auf einem der beiden anderen Wege wäre allerdings kaum vor Mitte 2005 zu rechnen. Falls sich die EPA am Schluss doch veranlasst sähe, die Empfehlungen der NAS unverändert zu übernehmen, müsste die NRC wesentliche Teile ihrer bisherigen Bewilligungen überarbeiten. Dies dürfte noch mehr Zeit in Anspruch nehmen und hätte möglicherweise Folgen für die Auslegung des Lagers. Entsprechend unsicher ist somit jetzt die weitere Realisierung von Yucca Mountain.
Quelle
P.B. nach NucNet, 4. August, sowie NEI-Medienmittei-lungen,9. Juli und 23. August 2004
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