Wirtschaftliche Auswirkungen eines Tiefenlagers auf die Standortregion
Um die wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen eines Tiefenlagers für radioaktive Abfälle möglichst früh und objektiv zu identifizieren führt das Bundesamt für Energie (BFE) seit 2011 in allen sechs potenziellen Standortregionen eine kantonsübergreifende sozioökonomisch-ökologische Wirkungsstudie (SÖW) durch. Jetzt hat das BFE den ersten Zwischenbericht zu den regionalwirtschaftlichen Wirkungen eines Tiefenlagers veröffentlicht.
Eine SÖW betrachtet jeweils die gesamte Standortregion über den Zeitraum vom Bau des Felslabors bis zum Verschluss der Anlage und veranschlagt dafür eine Dauer von 94 Jahren. Sie stütze sich dabei auf möglichst objektivierbare Indikatoren ab, schreibt das BFE. Imagebedingte Wirkungen seien ausgeklammert und würden in separaten Studien untersucht.
Wertschöpfung
Über den Betrachtungszeitraum von 94 Jahren generiert ein SMA-Lager (Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle) laut Zwischenbericht direkt sowie indirekt über Vorleistungen und Konsumausgaben der Beschäftigten eine durchschnittliche jährliche Wertschöpfung zwischen CHF 4,4 Mio. (Wellenberg) und CHF 5,5 Mio. (Jura-Südfuss). Für ein HAA-Lager (Tiefenlager für hochaktive Abfälle) liegen die Werte zwischen CHF 15 Mio. (Zürich Nordost) und CHF 16,3 Mio. (Jura Ost) und für ein kombiniertes Lager zwischen CHF 18,7 Mio. (Zürich Nordost) und CHF 20,3 Mio. (Jura Ost).
Beschäftigung
Ein SMA-Lager generiert laut Zwischenbericht in der Standortregion insgesamt eine durchschnittliche Beschäftigung von 35 Vollzeitäquivalenten (Wellenberg) bis zu 45 Vollzeitäquivalenten (Jura-Südfuss), wobei die Beschäftigungswirkung während des Betriebs deutlich geringer ist als während des Baus des Lagers.
Bei einem HAA-Lager liegt die Beschäftigungswirkung zwischen 109 Vollzeitäquivalenten (Zürich Nordost) und 120 Vollzeitäquivalenten (Jura Ost). Der Unterschied zwischen Bau und Betrieb sei hier kleiner als bei einem SMA-Lager, da die Nagra beabsichtige, ihren Sitz an den Standort des HAA-Lagers zu verlegen. Die Beschäftigungswirkung eines Kombilagers ist am grössten und liegt zwischen 139 Vollzeitäquivalenten (Zürich Nordost) und 153 Vollzeitäquivalenten (Jura Ost).
Tourismus
Ein Tiefenlager zieht Besucherinnen und Besucher an und leistet so einen positiven Beitrag zum regionalen Tourismus, so der Zwischenbericht. Gleichzeitig sei aber mit einem Rückgang der Freizeitgäste zu rechnen, die Naturerlebnisse suchen. Insgesamt gingen die Umsätze aus dem Tourismus durch ein Tiefenlager jährlich zwischen CHF 0,1 Mio. (Nördlich Lägern) und CHF 5,4 Mio. (Wellenberg) zurück. Der hohe Rückgang im Wellenberg sei auf die hohe Zahl der Naturferiengäste zurückzuführen, denen eine geringe Toleranz gegenüber einem Tiefenlager unterstellt werde. Auch die Region Jura-Ost hätte wegen des Naturparks «Jurapark Aargau» einen hohen Anteil an Naturtouristinnen und -touristen und dadurch mit CHF 1,1 Mio. einen grösseren Wertschöpfungsrückgang.
Landwirtschaft
Auch der Direktverkauf landwirtschaftlicher Produkte könnte laut Zwischenbericht durch ein Tiefenlager beeinträchtigt werden. Es werde dadurch mit einem Rückgang der Wertschöpfung in der Landwirtschaft zwischen CHF 0,1 Mio. (Jura-Südfuss und Wellenberg) und CHF 0,6 Mio. (Südranden) pro Jahr gerechnet.
Steueraufkommen
Ein SMA-Lager generiert in den Standortregionen ein durchschnittliches jährliches Steueraufkommen zwischen minus CHF 265'000 Franken (Wellenberg) und plus CHF 237'000 (Jura-Südfuss). In der Region Wellenberg sei das Steueraufkommen über den Betrachtungszeitraum von 94 Jahren insgesamt negativ, dies infolge der hohen entgangenen Steuern während des Betriebs des Lagers aufgrund möglicher negativer Effekte auf Tourismus und Landwirtschaft. Während des Baus wären die Steuererträge auch in der Region Wellenberg positiv. Für ein HAA-Lager ist mit Steuereinnahmen von jährlich rund CHF 330'000 (Jura Ost) bis CHF 460'000 (Zürich Nordost) zu rechnen und bei einem Kombilager zwischen CHF 450'000 (Jura Ost) und CHF 670'000 (Zürich Nordost). Die Steuereinnahmen wären während des Betriebs deutlich kleiner als während der Bauaktivitäten, dies weil das Lager selbst keinen Gewinn abwirft und daher keine Unternehmenssteuern bezahlen wird.
Abgeltungen
Die Abgeltungen wären unabhängig von der Standortregion und überstiegen die Steuereinnahmen um ein Vielfaches. Sie würden gemäss den Kernkraftwerksgesellschaften für den gesamten Zeitraum von 94 Jahren auf rund CHF 300 Mio. für ein SMA-Lager, CHF 500 Mio. für ein HAA-Lager und CHF 800 Mio. für ein Kombilager veranschlagt.
Fazit
Zusammenfassend kommt der Zwischenbericht zum Schluss, dass die wirtschaftlichen Veränderungen, die ein Tiefenlager in einer Region bewirkt, gering sind. Sowohl die positiven als auch negativen Wirkungen liegen über den gesamten Zeitraum vom Bau des Felslabors bis zum Verschluss der Anlage deutlich unter 1% der heutigen regionalen Wertschöpfung, der Beschäftigung oder des Steueraufkommens.
Nächste Schritte
Die Ergebnisse des vorliegenden Zwischenberichts (SÖW Teil 1) wurden in den letzten Wochen in den Arbeitsgruppen der Regionalkonferenzen vorgestellt. Diese haben nun Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Die Auftragnehmer werden den Zwischenbericht SÖW Teil 1 aufgrund der Inputs der Regionalkonferenzen und nach Einengung der Standortvorschläge durch die Nagra überarbeiten. Die ökologischen und sozialen Auswirkungen werden in SÖW Teil 2 untersucht, der nach der Einengung der Nagra-Vorschläge lanciert wird. Gemäss aktuellem Zeitplan soll der SÖW-Schlussbericht mit allen Indikatoren im Sommer 2013 vorliegen.
Quelle
M.A. nach BFE, Medienmitteilung, 2. Juli 2012