Wirtschaftlich und klimafreundlich: Kernenergie wird weiter grossen Beitrag zur Stromerzeugung leisten

Die Zukunft der Kernenergie zeichnet sich ab, mit noch sichereren Reaktoren als denen, die heute in Betrieb stehen, und auch mit Blick auf den Klimaschutz, zu dem die nachhaltige und CO2-freie Atomenergie einen wichtigen Beitrag leisten kann.

13. Okt. 2004

Dies ist ein kurzes Fazit der Gastreferate an der Generalversammlung vom 14. Oktober 2004 der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie (SVA) in Bern. Ferner wurde die Situation bei der nuklearen Entsorgung in der Schweiz präsentiert, wo von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet wichtige Aufgaben gelöst worden sind.
Als Referenten an der Tagung standen im Einsatz: Prof. Dr. Rakesh Chawla, Paul Scherrer Institut, Villigen, und Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (Thema: "Kernenergie und CO2"), Dr. Ralf Güldner, Framatome ANP GmbH, Erlangen ("Der Europäische Druckwasserreaktor EPR") und Dr. Markus Fritschi, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle ("Nukleare Entsorgung Schweiz").
Mit dem Thema "Kernenergie und CO2" eröffnete Prof. Dr. Rakesh Chawla die Tagung. Chawla betonte dabei die grosse Bedeutung, die die Kernenergie als CO2-freie Energie in Zukunft für die ganze Welt habe: Die atmosphärischen Temperaturen seien im 20. Jahrhundert um nahezu ein Grad angestiegen, hauptsächlich wegen des von der Menschheit verursachten Treibhauseffekts. Kohlendioxid (CO2) - aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe - sei dabei das wichtigste Treibhausgas, dessen Konzentration in der Atmosphäre seit Mitte des 19. Jahrhunderts stetig ansteigt. Um Veränderungen des globalen Klimas und seine Auswirkungen einzudämmen, muss der weltweite CO2-Ausstoss nach Aussage des Referenten in Zukunft stark gedrosselt werden. Dabei dürfe auch die wirtschaftliche Seite nicht vergessen werden. Denn schon bei einem bescheidenen monetären Betrag pro Tonne Kohlenstoff ("Kohlenstoff-Wert") in der Gesamtkostenrechnung zeige sich, dass Kernenergie billiger als Kohle und mehrheitlich auch Erdgas ist. Die weltweite CO2-Problematik und die Energieproduktion gehörten eigentlich zum viel diskutierten Themenkreis der "Nachhaltigkeit". Trotzdem betrachteten verschiedene Länder die CO2-freie Kernenergie als "Nachhaltigkeits-untauglich". So werde auch in der Schweiz, wenn es z. B. um eine Energiesteuer geht, die Kernenergie in die gleiche Kategorie eingeordnet wie die fossilen Energieträger.
Chawla widersprach darauf drei Behauptungen, die häufig gegen die Nachhaltigkeit der Kernenergie vorgebracht werden. Erstens zeige der Vergleich der Risiken bei schweren Unfällen für verschiedene Energieträger, dass die Kernenergie relativ gefahrlos sei. Zweitens seien die Ressourcen (Uran) nicht begrenzt. Die Einführung von schnellen Brütern sowie andere technische Faktoren würden es ermöglichen, die Kernspaltung über viele Jahrhunderte hinweg als wichtige Energiequelle zu nutzen. Zudem fehle auch die Regulierung nicht: Um das Proliferationsrisiko von kernenergiebezogenen Spaltstoffinventaren zu minimieren, müsse aber mittelfristig der Regulierung von zivilem Plutonium eine noch grössere Bedeutung eingeräumt werden. Und drittens ging er auf die langlebige Toxizität der radioaktiven Abfälle ein. Die Radiotoxizität der Abfälle über einen sehr langen Zeitraum werde hauptsächlich von den Transuranelementen Neptunium, Amerizium und Curium bestimmt. Deren drastische Reduktion durch "Transmutation" sei mit dem Einsatz von neu zu entwickelnden Reaktorkonzepten und Wiederaufarbeitungstechnologien möglich.
Chawlas Fazit: "Es ist die Symbiose zwischen den neuen Reaktortypen und den modernen Anlagen von heute, die schliesslich die CO2-freie Kernspaltung als nachhaltigen Eckpfeiler der weltweiten Energieproduktion etablieren wird. Dass die Kernenergie ein derartiges Weiterentwicklungspotential aufweist, muss allgemein anerkannt werden. Und hier liegt wohl unsere grösste Herausforderung - die Öffentlichkeit und dadurch die Politik voll davon zu überzeugen. Nur dann ist es möglich, diesen CO2-freien Energieträger - mit ihrer Wirtschaftlichkeit, ihren gesicherten Ressourcen sowie ihren minimalen Risiken für Mensch und Umwelt - stark auszubauen."
Dr. Ralf Güldners Ausführungen knüpften an die seines Vorredners an, bezeichnete er doch die Senkung des globalen CO2-Ausstosses als "die grösste Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Die Nutzung aller verfügbaren Technologien, die einen CO2-freien Beitrag zur Energieversorgung liefern, ist daher eine Verpflichtung gegenüber den heutigen und zukünftigen Generationen." Der Kernenergie werde hierbei eine steigende Bedeutung zukommen.
Auch in deregulierten Strommärkten ist nach den Worten des Referenten der Neubau eines modernen Kernkraftwerkes wirtschaftlich sinnvoll und trägt zur Erfüllung von Klimaschutzzielen bei. Zudem reduziere ein angemessener Anteil von Kernenergie am Energiemix die Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger. Damit würden wirtschaftspolitische und umweltpolitische Ziele gleichermassen erreicht. Er erläuterte dies in der Folge am Beispiel der finnischen Entscheidung für den Bau eines neuen Kernkraftwerks. Finnland hat dafür, am Standort Olkiluoto, den Europäischen Druckwasserreaktor EPR (European Pressurized Water Reactor) ausgewählt.
In Finnland wurden im Wesentlichen folgende Kriterien in die Überlegungen zum Bau eines neuen Kernkraftwerks miteinbezogen: Klimaschutz, Versorgungssicherheit und kostengünstige Energie. Der Ausbau der erneuerbaren Energien spiele auch weiterhin eine grosse Rolle, allerdings wurden auch deren Grenzen realistisch erkannt. Ausführliche vergleichende Studien, die alle Alternativen zur Deckung des zukünftigen Energiebedarfs berücksichtigten, wurden durchgeführt und in der Politik sowie in der breiten Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Am Ende dieses bemerkenswerten und beispielhaften Prozesses stand der Parlamentsbeschluss für die verstärkte Nutzung der Kernenergie und den Bau des fünften Kernkraftwerkes, der auch gesellschaftliche Akzeptanz fand.
Der EPR ist, wie Güldner ausführte, das Ergebnis einer deutsch-französischen Zusammenarbeit, die 1989 begann. An der Entwicklung des EPR waren Elektrizitätsversorgungsunternehmen beteiligt, sowie Kraftwerkshersteller und die Sicherheitsbehörden beider Länder. Mit dem EPR wurde damit erstmals grenzüberschreitend eine breite industrielle Basis zur Entwicklung eines fortgeschrittenen Reaktors gefunden, die das technische Know-how und die Betriebserfahrungen aus beiden Ländern gleichermassen berücksichtigte. Massnahmen wie bessere Brennstoffausnutzung, vereinfachte Wartung, kürzere Brennelementwechselzeiten, Bauzeit von 48 Monaten sowie eine elektrische Leistung von ungefähr 1600 Megawatt führen zu noch niedrigeren Stromerzeugungskosten als bei den neuesten derzeit in Betrieb befindlichen Reaktoren.
Der EPR - ein Vertreter der sogenannten Kernkraftwerks-Generation IM - überzeugt auch mit seiner erhöhten Sicherheit im Vergleich zu in Betrieb stehenden Reaktoren (Generation II). Die wesentlichen Sicherheitsmerkmale sind: vierfache Redundanz der Sicherheitssysteme, Doppel-Containment mit gefilterter Ringraumabsaugung, integriertes Flutbecken, Ausbreitungsfläche für Kernschmelze sowie ein Containment-Wärmeabfuhr-System. Zusätzlich zur Verminderung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Kernschäden wurde es möglich, die radiologischen Folgen von schweren Störfällen durch ein neues Containment-Design zu begrenzen, welches sicherstellt, dass das Containment seine strukturelle Integrität unter Unfallbedingungen und auch unter äusseren zivilisationsbedingten Risiken behält. "Im hypothetischen Ereignis eines Unfalles mit Brennelementschaden würde es nicht mehr erforderlich sein, die in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Anlage lebende Bevölkerung zu evakuieren und es gäbe auch keine langfristigen Beschränkungen beim Nahrungsverzehr, das heisst es gibt keine Notwendigkeit für Umsiedlungen," führte Güldner aus.
Als dritter Referent beleuchtete Dr. Markus Fritschi die nukleare Entsorgung in der Schweiz. Wie er erläuterte, sind von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet bei der nuklearen Entsorgung wichtige Aufgaben gelöst. In Routinebetrieb seien die Inventarisierung und Charakterisierung der radioaktiven Abfälle sowie deren Zwischenlagerung. Die anfallenden Abfälle werden heute in eine feste Form gebracht (konditioniert), welche sich für die spätere Tiefenlagerung eignet.
Mit dem neuen Kernenergiegesetz, dessen Inkraftsetzung auf Anfang 2005 geplant ist, würden zudem für die noch ausstehende geologische Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle klare politische Randbedingungen für die Realisierung gesetzt. Für diesen letzten Schritt in der Entsorgungskette seien von der Nagra nach rund 30 Jahren Untersuchungen und Forschung umfassende Kenntnisse und Entscheidungsgrundlagen erarbeitet. Mit dem Ende 2002 eingereichten Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle werde der grundsätzliche Nachweis der dauernden und sicheren Entsorgung aller radioaktiven Abfälle in der Schweiz abgeschlossen. Für die hochaktiven Abfälle wurde ein Standortgebiet vorgeschlagen, welches gegenüber anderen identifizierten - auch machbaren - Alternativen klare Vorteile aufweist.
Die Realisierung der notwendigen geologischen Tiefenlager ist aber nicht nur eine technische, sondern auch eine politische Herausforderung. Hier sind die Bundesbehörden in der dringenden Pflicht, zeitgerecht Vorgehensschritte und Kriterien zu einem politisch tragfähigen Standortauswahlverfahren festzulegen. Gestützt auf diese Vorgaben soll dem Bundesrat umgehend ein Entsorgungsprogramm für alle Abfallkategorien zur Genehmigung unterbreitet werden. Die technischen Grundlagen sind geschaffen um danach die Realisierung der benötigten Anlagen zügig anzugehen.

Quelle

D.S.

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