Wenra: Harmonisierung der Sicherheitsnormen kommt voran

Die Reaktorsicherheitsnormen sollen in Europa bis 2010 harmonisiert sein. Diesen Zeitplan gab die Western European Nuclear Regulators' Association (Wenra) anlässlich ihrer Herbstversammlung bekannt, die vom 7. bis 9. November 2007 in Luzern stattgefunden hat. Für die Schweiz ist die internationale Zusammenarbeit der europäischen Aufsichtsbehörden im Hinblick auf den Bau neuer Kernkraftwerke von besonderer Bedeutung. Insbesondere das finnische Verfahren, das beim Bau des europäischen Druckwasserreaktors in Olkiluoto zur Anwendung kommt, ist den schweizerischen Anforderungen sehr ähnlich.

21. Nov. 2007
Herbstversammlung der Wenra in Luzern: Die Reaktorsicherheitsnormen sollen in Europa bis 2010 harmonisiert werden. Von links nach rechts: Ulrich Schmocker (HSK, Schweiz), Jukka Laaksonen (STUK, Finnland), Dana Drábová (SÚJB, Tschechien), André-Claude Lacoste (ASN, Frankreich).
Herbstversammlung der Wenra in Luzern: Die Reaktorsicherheitsnormen sollen in Europa bis 2010 harmonisiert werden. Von links nach rechts: Ulrich Schmocker (HSK, Schweiz), Jukka Laaksonen (STUK, Finnland), Dana Drábová (SÚJB, Tschechien), André-Claude Lacoste (ASN, Frankreich).
Quelle: HSK

«Alle Mitglieder der Wenra haben inzwischen nationale Aktionspläne erarbeitet, um bis Ende 2010 de facto und de jure die Sicherheitsvorschriften zu harmonisieren», erklärte Wenra-Präsidentin Dana Drabova vor den Medien in Luzern. Hintergrund der Massnahme ist der Umstand, dass die Nuklearindustrie wie auch die Kernkraftwerksbetreiber längst international tätig sind. Ziel der Wenra ist es, aus den Erfahrungen ihrer Mitgliedsländer zu lernen und daraus schrittweise einen gesamteuropäischen Konsens für die Anforderungen an die nukleare Sicherheit zu entwickeln.

Drabova, im Hauptamt Direktorin des Amts für Nuklearsicherheit der Tschechischen Republik (SUJB), wies darauf hin, dass einerseits das Euratom-Abkommen einheitliche Sicherheitsnormen in der EU verlangt. Andererseits habe die EU die Souveränität der nationalen Regierungen in der Energiepolitik ausdrücklich bekräftigt. In der Praxis gelte es, zwischen diesen Vorgaben einen Weg zu finden, der höchste Sicherheit gewährleiste.

Einheitliche Normen für neue Reaktortypen

Das Resultat dieser Harmonisierungsbestrebungen sind technische und organisatorische Vorgaben - sogenannte Safety Reference Levels -, die auf jede Kernanlage anwendbar sind und die jedes Land in sein Regelwerk übertragen kann. Auf diese Weise sollen die Anforderungen an die nukleare Sicherheit stets dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik angepasst und international nach oben nivelliert werden.

Auf weitere Sicht sollen nach der technischen Harmonisierung auch die behördlichen Abläufe angeglichen werden. «Zwar folgt das eine aus dem anderen», erklärte dazu André-Claude Lacoste, Präsident des französischen Collège de l'Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN), «aber dies benötigt viel Zeit, nicht zuletzt aus Sprachgründen». Nach seinen Angaben soll vorerst - im Hinblick auf den Bau neuer Kernkraftwerke - in Abstimmung mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) ein einheitlicher Satz von Normen für eine beschränkte Zahl Reaktortypen erarbeitet werden.

Europaweite Organisation

Die Wenra entstand 1999 als Nichtregierungsorganisation der Chefs der nuklearen Aufsichtsbehörden Belgiens, Deutschlands, Finnlands, Frankreichs, Grossbritanniens, Italiens, der Niederlande, Schwedens, Spaniens und der Schweiz. Im Jahr 2003 stiessen Bulgarien, Litauen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn dazu. Die inzwischen 17 Mitglieder zählende Wenra umfasst somit alle EU-Länder, die gegenwärtig Kernkraftwerke betreiben oder betrieben haben, und die Schweiz.

Die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) überarbeitet derzeit ihre rund 40 Richtlinien für den Vollzug des neuen schweizerischen Kernenergierechts. Sie berücksichtigt dabei die Wenra Safety Reference Levels als zentralen Punkt der Überarbeitung. HSK-Direktor Ulrich Schmocker bezeichnete den direkten Austausch von Experten als besonderes wichtiges Element: «Auf diese Weise lernen wir gegenseitig, wie die anderen arbeiten.»

Enge Kontakte der Schweiz mit Finnland

Mit Blick auf den allfälligen Neubau eines Kernkraftwerks in der Schweiz setzt sich die HSK gegenwärtig intensiv mit den Sicherheitsanforderungen für neue Kernkraftwerke auseinander. Sie steht dabei in engem Kontakt mit jenen Aufsichtsbehörden, die neue Kernkraftwerke evaluieren oder bereits mit deren Baubegutachtung beschäftigt sind. Dazu gehören die USA, Frankreich und Finnland.

«Dabei konnten wir feststellen, dass das formale Verfahren in Finnland viele Ähnlichkeiten mit dem schweizerischen aufweist», sagte Schmocker. Allerdings dauert das schweizerische Verfahren im Vergleich zum finnischen deutlich länger, was das Problem aufwirft, dass sich im Zuge des Verfahrens die Technik laufend weiterentwickelt und sicherheitsrelevante neue Erkenntnisse während des Bewilligungsprozesses in die Anforderungen aufgenommen werden müssen. «Aber wir können im Hinblick auf ein neues Kernkraftwerk viel von unseren Kollegen in Finnland übernehmen», zeigte sich Schmocker überzeugt.

HSK bereitet sich auf Rahmenbewilligungsgesuch vor

Zur Beurteilung eines allfälligen Gesuchs für die Rahmenbewilligung eines neuen Kernkraftwerks hat die HSK im Mai 2007 die Projektgruppe «Neue KKW» eingesetzt. Gegenstand ihrer Arbeiten ist der Wissensaufbau über die (westlichen) Reaktortypen der fortgeschrittenen Generation III mit dem Ziel, zu einem Gesuch binnen neun Monaten die Beurteilung der HSK abgeben zu können. Gegenwärtig stehen für diese Vorbereitungsarbeiten insgesamt knapp zwei Vollzeitstellen zur Verfügung.

Die Herausforderungen in Olkiluoto aus Sicht der Behörde

Anlässlich der Medienkonferenz der Wenra in Luzern äusserte sich Jukka Laaksonen, Generaldirektor der finnischen Aufsichtsbehörde STUK, zu den Herausforderungen beim Bau des europäischen Druckwasserreaktors EPR in Olkiluoto. Zwar sei das Projekt rund zwei Jahre hinter dem Zeitplan zurück, doch schritten inzwischen die Bauarbeiten gut voran. «Heute kann man sagen, dass der ursprüngliche Zeitplan zu ehrgeizig war - angesichts des neuartigen Reaktordesigns und der langen Zeit ohne Neubauten in Europa und den USA», sagte Laaksonen.

Als Hauptgründe für die Verzögerungen nannte Laaksonen zum einen den Umstand, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Herstellerin Areva NP noch nicht alle Detailpläne bereit hatte - was nachvollziehbar sei, da ein Unternehmen die nötigen Detaildokumentationen erst erstelle, wenn ein Auftrag da sei. Das Bereitstellen der nötigen Ingenieurressourcen für die Dokumentation und deren Abnahme durch den Auftraggeber und die Aufsichtbehörden benötige eben Zeit - eine Herausforderung, die für alle Anbieter von neuen Reaktorsystemen gelte.

Zum andern hätten sich Schwächen im Projektmanagement der Lieferantin gezeigt, und es war schwierig Unterlieferanten zu finden, die mit den Besonderheiten der Sicherheitskultur bei Kernanlagen vertraut sind. «Um die geforderte Qualität zu erreichen, waren viele Tests und Anpassungen der Herstellungsprozesse nötig», sagte Laaksonen. «Aber alle Parteien sind sich darin einig, dass ein hohes Qualitätsniveau wichtiger ist als das strikte Einhalten eines Zeitplans.»

Quelle

M.S. nach HSK/Wenra, Medienkonferenz, 8. November 2007

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