Wendelstein 7-X: Experimentierstart im Herbst 2022
Nach zwei erfolgreichen ersten Experimentierphasen ist die Fusionsanlage Wendelstein 7-X weiter ausgebaut worden. Dieser letzte Schritt, der die Maschine dazu ertüchtigt, bei höherer Heizleistung bis zu 30 Minuten lange Plasmapulse zu demonstrieren, ist nun abgeschlossen und Wendelstein 7-X endgültig fertiggestellt.
In den ersten beiden Experimentierphasen (2015/2016 und 2017/2018) erreichten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) wichtige Meilensteine: Im Dezember 2015 wurde in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald das erste Helium-Plasma und wenige Monate später das erste Wasserstoff-Plasma ezeugt. Im Juni 2018 stellte der Stellerator einen Weltrekord auf: Es wurde ein «Fusionsprodukt» erzeugt, das so energiereich war wie keines zuvor. Dieses rechnerische Produkt aus Ionentemperatur, Plasmadichte und Energieeinschlusszeit gibt an, wie nahe man den Reaktorwerten für ein brennendes Plasma kommt.
Die anschliesende mehrjährige Ausbaustufe hatte zum Ziel, auf wassergekühlte Komponenten im Vakuumgefäss umzusteigen, um eine Verdopplung der Eingangsheizung und damit eine verbesserte Leistung zu ermöglichen. Wichtigstes neues Element des verbesserten Stellarators ist ein wassergekühlter Divertor (High-Heat-Flux-Divertor). Durch die 120 neuen Divertor-Module mit Kühlsystem kann Wendelstein 7-X nun mit deutlich höheren Plasmaenergien betrieben werden. Dafür und für andere Komponenten von Wendelstein 7-X wurden insgesamt 6,8 Kilometer Kühlrohre – unterschiedlich in Form und Dicke – gefertigt, isoliert, eingepasst und verschweisst. Insgesamt 657 voneinander unabhängige Kühlkreisläufe führen die Wärme im Wendelstein 7-X ab. Die künftig möglichen höheren Plasmaenergien erzeugen drei Heizsysteme mit insgesamt mehr als verdoppelter Leistung. Zudem wurden 60 Kilometer Kabel und Schläuche installiert – zusätzlich zu den bereits vorhandenen 280 Kilometern. Ausserdem wurden 40 Diagnostiken erweitert oder neu installiert, um das Plasma genauer und umfangreicher vermessen zu können.
Damit ist die Fusionsanlage nun in der Lage, in einigen Jahren einen Plasmabetrieb mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten zu ermöglichen. Der erste Versuchszeitraum der neuen Kampagne wird voraussichtlich bis März 2023 dauern.
«Mit der verbesserten Ausstattung wollen wir in wenigen Jahren Hochleistungs-Plasmen mit bis zu 18 Gigajoule Energieumsatz über eine halbe Stunde stabil halten», erklärte Prof. Thomas Klinger, Leiter des Bereichs Stellarator-Dynamik und -Transport am IPP. «Jetzt wird es darum gehen, uns Schritt für Schritt an dieses Ziel heranzutasten und mehr über den Plasmabetrieb bei höheren Energien zu lernen, ohne die Maschine zu schnell zu stark zu belasten.»
Wendelstein 7-X ist die weltweit grösste Fusionsanlage vom Typ Stellarator. Obwohl er keine Energie erzeugen wird, soll die Anlage beweisen, dass Stellaratoren kraftwerkstauglich sind. Mit Wendelstein 7-X soll die Qualität des Plasmaeinschlusses in einem Stellarator erstmals das Niveau der konkurrierenden Anlagen vom Typ Tokamak erreichen.
Quelle
M.A. nach IPP, Medienmitteilungen, 9. August und 14. September 2022
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