Wendelstein 7-X erreicht ersten Meilenstein

Mit dem Fertigstellen der ersten beiden Halbmodule der Fusionsanlage Wendelstein 7-X erreichte der stufenweise Zusammenbau des Grossexperiments im Teilinstitut Greifswald des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) plangemäss den ersten Meilenstein: Zwei Zehntel des inneren Kerns der Anlage sind damit fertiggestellt und werden nun zusammengefügt. Die industrielle Herstellung der wesentlichen Bauteile für Wendelstein 7-X ist nahezu abgeschlossen. Noch rund sechs Jahre wird der Aufbau der komplexen Anlage dauern.

24. März 2008
Eines der fünf Teilstücke des Aussengefässes von Wendelstein 7-X.
Eines der fünf Teilstücke des Aussengefässes von Wendelstein 7-X.
Quelle: IPP, Wolfgang Filser

In Kürze abgeschlossen wird die Fertigung des Kernstücks der Anlage - 50 supraleitende, etwa 3,5 m hohe Magnetspulen. Ihre bizarren Formen sind das Ergebnis ausgefeilter Optimierungsrechnungen: Sie sollen einen besonders stabilen und wärmeisolierenden magnetischen Käfig für das Plasma erzeugen. Mit flüssigem Helium auf Supraleitungstemperatur nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt, verbrauchen sie nach dem Einschalten kaum Energie. Hersteller ist ein deutsch-italienisches Firmenkonsortium unter Leitung der Babcock Noell GmbH in Würzburg und der ASG Superconductors S.p.A. in Genua.

Um das Magnetfeld verändern zu können, wird den Stellarator-Spulen ein zweiter Satz von 20 flachen, ebenfalls supraleitenden Spulen überlagert. Alle 20 Spulen hat die Herstellerin, der britische Firma Tesla, inzwischen ausgeliefert. Eine massive ringförmige Stützstruktur, bereits zur Hälfte fertig gestellt von der spanischen Firma Ensa, wird die Spulen trotz der hohen Magnetkräfte exakt in Position halten.

Den gesamten Spulenkranz wird eine wärmeisolierende Aussenhülle von 16 m Durchmesser umschliessen, der Kryostat. Zwei seiner insgesamt fünf Teile sind von MAN DWE in Deggendorf (Bayern) bereits gefertigt. Eine Kälteanlage stellt später 5 kW Heliumkälte bereit, um die Magnete und ihre Abstützung auf Supraleitungstemperatur zu kühlen. Im Inneren des Spulenkranzes liegt das Plasmagefäss, das in seiner eigenwilligen Form dem verwundenen Plasmaschlauch angepasst ist. In 20 Einzelteilen wurde es ebenfalls bei MAN DWE hergestellt. Durch mehr als 250 Öffnungen soll das Plasma später beobachtet und geheizt sowie das Plasmagefäss gekühlt werden. Ebenso viele Stutzen, gefertigt und ausgeliefert von der Schweizer Romabau Gerinox, verbinden diese Öffnungen mit der Aussenwand des Kryostaten.

Endfertigung der Magnetspulen bei der Babcock Noell Magnettechnik GmbH in Zeitz im Bundesland Sachsen-Anhalt.
Endfertigung der Magnetspulen bei der Babcock Noell Magnettechnik GmbH in Zeitz im Bundesland Sachsen-Anhalt.
Quelle: IPP, André Künzelmann

Der erste Meilenstein

Die ganze Anlage wird aus fünf nahezu baugleichen Modulen aufgebaut, die vormontiert und erst in der Experimentierhalle kreisförmig zusammengesetzt werden. Beendet ist inzwischen die Montage der ersten beiden Modulhälften. Der erste Meilenstein des insgesamt 29-stufigen Zusammenbaus ist damit plangemäss erreicht: In die beiden Vormontagestände Ia und Ib wurde dazu jeweils ein Teilstück des Plasmagefässes hineingehoben und je eine der 6 t schweren Magnetspulen mit einem Spezialgreifer vorsichtig über nur Millimeter breite Zwischenräume auf das Gefässsegment gefädelt. Erst jetzt konnte man jeweils einen zweiten Plasmagefäss-Sektor anschweissen und die Wärmeisolation an den Nahtstellen vervollständigen. Diese Superisolation - passgenau gefertigte glasfaserverstärkte Kunststoff-Paneele, gefüttert mit mehreren Lagen aluminiumbeschichteter Kapton-Folie und Glasseide - trennt die tiefkalten Magnetspulen von ihrer warmen Umgebung. Anschliessend wurden jeweils vier weitere Stellaratorspulen und zwei der Zusatzspulen von vorne und hinten auf das Gefässstück gefädelt und auf eigenen Montagestützen geometrisch exakt ausgerichtet. Die Spulen waren schliesslich mit einem Segment des Tragrings zu verschrauben. Nach vielen weiteren Zusatzarbeiten und zahlreichen Kontrollvermessungen waren dann die ersten beiden Halbmodule fertig und wurden nacheinander in einem speziellen Lastgeschirr in den zweiten Montagestand gehoben. Am 28. Februar 2008 war damit der erste Montage-Meilenstein erreicht.

Das fertiggestellte erste Halbmodul auf dem Weg in den zweiten Vormontagestand.
Das fertiggestellte erste Halbmodul auf dem Weg in den zweiten Vormontagestand.
Quelle: IPP

Während in den Vormontageständen Ia und Ib nun fast schon routinemässig die nächsten zwei Halbmodule entstehen, warten im Vormontagestand II neue Herausforderungen: Wenn hier die beiden Teile des Tragrings ausgerichtet und miteinander verschraubt sind, die Plasmagefäss-Teile verschweisst und die thermische Isolation an der Nahtstelle geschlossen, ist das erste der fünf Module im Rohbau fertig. Nun müssen die Leiter für die elektrische Verschaltung der Spulen angebaut werden - ein recht schwieriger Arbeitsgang. Die steifen, bis zu 14 m langen Supraleiter, die vom Forschungszentrum Jülich hergestellt werden, sind bereits in die richtige Form gebogen. 24 Stück der unhandlichen, aber empfindlichen Leiter werden pro Modul gebraucht. Nach dem elektrischen Verbinden und Verschweissen der Supraleiter werden die Verbindungsstellen hochspannungsfest isoliert und ihre Heliumdichtigkeit kontrolliert. Parallel dazu läuft - auf mittlerweile engstem Raum - die Verrohrung für die Helium-Kühlung der Spulen. Alles ist auf Leckdichtigkeit zu prüfen. Sind nun noch Sensoren und Messkabel verlegt, kann - gemäss Planung nach rund 25 Wochen Bauzeit - das erste Modul den Montagestand II verlassen.

In der Experimenthalle

Das fertige Modul wird in der Experimentierhalle auf dem dritten Montagestand in die Unterschale des Aussengefässes hineingehoben; Verbindungen und Stützen werden angebracht. Das mittlerweile 120 t schwere Bauteil wird nun auf das eigentliche Maschinenfundament gehoben und zusätzlich auf Hilfsstützen abgestellt. Die Oberschale des Aussengefässes wird aufgesetzt und verschweisst. Rund 60 Stutzen, die Plasma- und Aussengefäss durch den kalten Spulenbereich hindurch verbinden, sind nun samt ihrer Thermoisolation einzubauen.

Es folgen die Inneneinbauten im Plasmagefäss, insbesondere die zahlreichen Teile des Divertors. Mit seinen Prallplatten werden später die Verunreinigungen und ein Teil der Wärmeenergie aus dem Plasma abgeführt. Den Rest der Energie fängt der Wandschutz ab, Stahlpaneele beziehungsweise ein mit Graphit-Ziegeln armierter Hitzeschild. Ein Grossteil der Komponenten - darunter Pumpen, Hitzeschild und Divertormodule - entsteht zur Zeit in den Zentralen Technischen Einrichtungen des IPP in Garching; die Prallplatten, Regelspulen und Stahlpaneele werden von Industriebetrieben hergestellt.

Bis alle fünf Module in der Experimentierhalle stehen, sind sämtliche Arbeitsschritte fünfmal zu durchlaufen. Schliesslich müssen die fünf Grosskomponenten noch verbunden werden: Die Nahtstellen von Plasma- und Aussengefäss sind zu schliessen, die Magnete mit Strom- und Heliumversorgung zu verbinden. Es folgen die Hauptstromverbindungen, Kühlverrohrungen und immer wieder Kontrollvermessungen und Dichtigkeitsprüfungen: Die Basismaschine ist nun fertig.

Parallel dazu wird das Mikrowellen-System zum Aufheizen des Plasmas aufgebaut. Die Gesamtverantwortung hierfür hat das Forschungszentrum Karlsruhe übernommen: Die Übertragungsleitungen betreuen Experten der Universität Stuttgart. Hinzu kommen die Versorgungseinrichtungen für elektrische Energie und Kühlung, die Maschinensteuerung und schliesslich die zahlreichen Messgeräte, die das Verhalten des Plasmas diagnostizieren sollen. Verläuft alles nach Plan, sollte Wendelstein 7-X in rund sechs Jahren in Betrieb gehen.

Das IPP

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München und Greifswald (200 km nördlich von Berlin) erforscht die Grundlagen für ein Fusionskraftwerk. Ähnlich wie die Sonne soll es Energie aus der Verschmelzung von leichten Atomkernen gewinnen. Mit rund 1100 Mitarbeitern ist das IPP eines der grössten Zentren für Fusionsforschung in Europa.

Wendelstein 7-X

Der Stellarator Wendelstein 7-X, der gegenwärtig im IPP-Teilinstitut Greifswald entsteht, wird ein optimiertes Magnetfeld testen, das die Schwierigkeiten früherer Stellarator-Konzepte überwindet: Die Qualität von Plasmagleichgewicht und -einschluss wird der eines Tokamak ebenbürtig sein. Der Vorgänger Wendelstein 7-AS, das erste Experiment dieser neuen Generation, unterwarf das Konzept bis 2002 einem ersten Test. Der weiterentwickelte Nachfolger Wendelstein 7-X soll nun die Kraftwerkstauglichkeit der neuen Stellaratoren demonstrieren.

Quelle

Isabella Milch, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

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