Verurteilung von Greenpeace-Aktivisten wegen Nötigung
Das Bundesgericht hat Bussen zwischen 400 und 1700 Franken für gut drei Dutzend Greenpeace-Aktivisten bestätigt, die in den Jahren 1997 und 1998 die Kernkraftwerke Beznau, Gösgen und Leibstadt blockiert hatten, um so gegen den Transport von bestrahlten Brennelementen zur Wiederaufarbeitung in England und Frankreich zu protestieren.
Das Vorgehen der Umweltaktivisten sei von der Justiz des Kantons Aargau zu Recht als Nötigung geahndet worden. Anders zu entscheiden hiesse laut einstimmig gefälltem Urteil des Kassationshofs in Strafsachen, "der privaten Selbstjustiz gegenüber vermeintlich rechtswidrigem Verhalten Vorschub zu leisten".
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist der objektive Tatbestand der Nötigung klar erfüllt, da die Blockaden weit über das im Rahmen einer umweltpolitischen Auseinandersetzung duldbare Mass an Protest hinausgingen. Es handelte sich jeweils um minuziös geplante und zentral gesteuerte Aktionen.
Die Verurteilten hatten geltend gemacht, es liege keine strafbare Nötigung vor, weil der Abtransport abgebrannter Brennelemente zur Wiederaufarbeitung "durch die Rechtsordnung missbilligt" werde. Gegen welche Rechtsnormen die Transporte indes verstossen sollten, wurde in Lausanne nicht dargelegt. In der Sache hatte das Bundesgericht auf Grund der verbindlichen Feststellungen des Obergerichts davon auszugehen, dass an den Eisenbahnwagen und an den Behältern nie eine Aussenkontamination festgestellt worden war und weder für das Bahnpersonal noch für Anwohner je eine Gefährdung bestand.
Schliesslich hatten die Greenpeace-Aktivisten sich auch erfolglos auf den aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. Dieser kann nur zum Tragen kommen, wenn zuvor der Rechtsweg mit legalen Mitteln beschritten und ausgeschöpft worden ist. Und soweit dies geschehen ist, hält das Bundesgericht wörtlich fest: "Der blosse Umstand, dass die legalen politischen und rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft erscheinen und die demokratisch legitimierten politischen Gremien bzw. Justizorgane die Auffassungen der Beschwerdeführer nicht oder nur partiell teilen, gibt Letzteren kein Recht, ihre Anliegen mit strafbaren Methoden zu verfolgen. Eine Ausnahme wäre allenfalls denkbar, wenn eine notstandsähnliche Gefahrenlage gegeben ist bzw. wenn hochwertige Rechtsgüter unmittelbar bedroht sind und ihr Schutz durch die zuständigen Behörden nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann." Diese Voraussetzungen sind für das Bundesgericht im beurteilten Fall offensichtlich nicht erfüllt.
Quelle
M.S. nach Bundesgericht, 6S.118/2002, Urteil vom 25. September 2002