Vernehmlassung Kernenergiegesetz (KEG) – Kurzstellungnahme

14. Juni 2000

der Schweizer Kernenergie- und Elektrizitätswirtschaft zum Entwurf des Bundesrates vom 6. März 2000.


Diese Zusammenfassung wurde, wie die ausführliche Stellungnahme der SVA, in Zusammenarbeit mit den Kernkraftwerksbetreibern und dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) erarbeitet.

Grundsätze

Die Forderungen der Kernenergie- und Elektrizitätswirtschaft an ein neues Kernenergiegesetz stützen sich auf zwei Grundsätze:

  • Angesichts der europaweiten Öffnung der Energiemärkte müssen der Kernenergie mit anderen Energieformen vergleichbare gesetzliche Rahmenbedingungen zugestanden werden. Ein neues Kernenergiegesetz darf deshalb gegenüber dem heute geltenden Atomgesetz keine zusätzlichen Einschränkungen für den Betrieb der bestehenden Kernkraftwerke und die Errichtung der zugehörigen Entsorgungsanlagen einführen.
  • Ein zukunftsorientiertes Kernenergiegesetz muss die energiepolitische Handlungsfreiheit der kommenden Generationen gewährleisten.

Hauptforderungen

1. Die Option Kernenergie ist in einem zukunftsgerichteten Gesetz offen zu halten.


Wir beantragen die eindeutige Verankerung dieses Grundsatzes im neuen Kernenergiegesetz durch die Aufnahme folgender Bestimmung als neuen Art. 1 Abs. 2:

"Der Bund fördert die friedliche Nutzung der Kernenergie als umweltfreundliche Energiequelle."

Die Kernenergie erfüllt nach neuesten Studien der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen und des Paul Scherrer Instituts die Kriterien der Nachhaltigkeit (Art. 73 BV) und trägt zu einer ausreichenden, breit gefächerten, sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung gemäss Art. 89 Abs. 1 BV bei. Die nukleare CO2-freie Stromproduktion leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Erfüllung der nationalen und internationalen Verpflichtungen zum Schutz des Klimas (CO2-Gesetz und Kyoto-Protokoll). Dies gibt dem Antrag für einen Förderartikel, wie ihn das Wasserrecht kennt (Art. 5 WRG), den Stellenwert einer zwingenden Selbstverständlichkeit.

Kernkraftwerke produzieren seit Jahrzehnten konkurrenzfähig

  • grosse Mengen Strom (Anteil an der schweizerischen Stromerzeugung: rund 40%),
  • ohne Emission von CO2 (Klimaschutz), - ohne Emission von Stickoxiden, Schwefeloxiden, Russ und anderen Luftschadstoffen (Luftreinhaltung),
  • mit minimalen Abfallmengen (im Strompreis inbegriffene, "internalisierte" Entsorgungskosten für das dauerhafte Fernhalten der Abfälle aus der belebten Umwelt),
  • hoch effizient mit minimalen Brennstoffmengen (geringe Belastung des Transportsystems, problemlose Vorratshaltung, hohe Versorgungssicherheit),
  • mit geringer Abhängigkeit der Produktionskosten von den Preisschwankungen des Uranbrennstoffs (Beitrag zum langfristig stabilen Wachstum der Volkswirtschaft),
  • mit kleinem Raumbedarf (Schonung der Landschaft).

Aus diesen Gründen sind alle für die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Kernenergie nicht notwendigen Vorschriften, die eine Komplizierung und Erschwerung der Verfahren bewirken, konsequent aus dem KEG-Entwurf zu streichen. Das Gesetz soll so schlank wie möglich ausgestaltet werden.

2. Eine Befristung der Betriebsdauer der Kernkraftwerke ist klar abzulehnen.

Die Anlagen müssen so lange betrieben werden können, wie sie den national und international anerkannten Sicherheitsanforderungen und den Wirtschaftlichkeitskriterien der Betreiber genügen. Damit können die KKW ihre ökologischen, volkswirtschaftlichen und weiteren Vorteile optimal nutzen. Es findet keine Vernichtung von Kapital und kein Abbau von qualifizierten Arbeitsplätzen statt. Die renommierten unabhängigen Wirtschaftswissenschafter Borner und Pfaffenberger ermitteln die Zusatzkosten, die aus einer politischen Begrenzung der Betriebsdauer der fünf Schweizer Kernkraftwerke auf 40 Jahre erwachsen, auf gegen 30 Milliarden Franken.
Die Einführung einer Befristung in einem neuen Gesetz wäre ein sachlich nicht begründeter Anachronismus. Die US-Behörden haben kürzlich nach jahrelanger Vorbereitung erstmals die Erstreckung der - im amerikanischen Gesetz befristeten - Betriebsbewilligung für ein Kernkraftwerk von 40 auf 60 Jahre genehmigt. Die von den USA im freien Strommarkt angeführte internationale Tendenz ist die Erstreckung des sicheren KKW-Betriebs, nicht dessen Begrenzung.

3. Das Gesetz ist so auszugestalten, dass die Entsorgung radioaktiver Abfälle in ausländischen Anlagen, die internationalen Standards genügen, möglich ist.

Unter dieser Voraussetzung könnte akzeptiert werden, dass das neue Konzept eines geologischen Tiefenlagers als Vorstufe zu einem geologischen Endlager in der Schweiz (Empfehlung der "Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle") gesetzlich verankert wird.
Ein lösungsorientiertes Gesetz hat alle sicheren Entsorgungsvarianten als Optionen offen zu halten. Gerade im Bereich der politisch ohnehin schwierigen Entsorgung radioaktiver Abfälle geht es nicht an, die Handlungsfreiheit künftiger Entscheidungsträger aufgrund heutiger politischer Befindlichkeiten zusätzlich einzuschränken. Grossmächte und internationale Organisationen schenken internationalen Entsorgungslösungen aus Gründen der langfristigen Verminderung des Risikos einer Weiterverbreitung von Kernwaffen wachsende Aufmerksamkeit. Zudem wird das Konzept des Kernbrennstoff-Leasing international vorbereitet. Die Schweiz würde sich durch einengende Vorschriften von dieser Entwicklung ausschliessen.
Von zentraler Bedeutung für die Durchführbarkeit der Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus den bestehenden Anlagen ist die Forderung, dass Art. 90 der Bundesverfassung ("Die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Kernenergie ist Sache des Bundes") im neuen Kernenergiegesetz konsequent umgesetzt wird.

4. Sicherstellung der Stilllegungs- und Entsorgungskosten

Eine solidarhaftungsähnliche, beschränkte (oder auch unbeschränkte) Nachschusspflicht der andern KKW-Betreiber ist strikte abzulehnen.
Sie würde eine unzulässige Ungleichbehandlung mit anderen Wirtschaftszweigen bedeuten (Wettbewerbsverzerrung). Der Betrieb der Kraftwerke über 40 und mehr Jahre garantiert die ausreichende Vorsorge der für die Stilllegung und Entsorgung nötigen Mittel. Je länger die KKW im Betrieb bleiben können, desto kleiner wird das Risiko einer Unterdeckung.

5. Ein gesetzliches Verbot der Wiederaufarbeitung ist klar abzulehnen.

Ein gesetzliches Verbot der Wiederaufarbeitung führt zu:

  • Einschränkung der Handlungsfreiheit bei der Entsorgung durch Verzicht auf den industriell erprobten und bewährten Wiederaufarbeitungspfad mit klar definierten Endprodukten,
  • Verzicht auf das Recycling von Energierohstoffen durch einen geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf,
  • Beschränkung der Nutzung des Urans auf 1 bis 2 Prozent (anstelle von gegen 100 Prozent im Fall von fortgeschrittenen Brennstoffzyklen, die auf der Wiederaufarbeitung basieren),
  • Verhinderung der Weiterentwicklung neuer Reaktorsysteme, die - wie der "Energieverstärker" von Carlo Rubbia - zwingend auf der Wiederaufarbeitung basieren,
  • Verhinderung von Techniken, die Menge und Langlebigkeit von radioaktiven Abfällen verkleinern können (Partitioning und Transmutation),
  • Verbot jener Technik, die langfristig erheblich zur Minimierung des Risikos einer Weiterverbreitung von Kernwaffen beiträgt,
  • Verbot von absehbaren Weiterentwicklungen des Kernbrennstoffkreislaufs (zum Beispiel Kernbrennstoff-Leasing).

Die Transporte abgebrannter Brennelemente ins Ausland entfallen durch einen Verzicht auf die Wiederaufarbeitung nicht. Vor der Endlagerung müssen die hochradioaktiven Brennelemente in einer industriellen Konditionierungsanlage in eine endlagerfähige Form gebracht werden. Im Fall eines Wiederaufarbeitungsverbots treten an Stelle der Transporte in die Wiederaufarbeitung dann eben die Transporte der abgebrannten Brennelemente in die - ausländische - Konditionierungsanlage.
Die kommerzielle Wiederaufarbeitung erfolgt in ökologisch sorgfältiger Weise unter strenger behördlicher Überwachung und Einhaltung internationaler Standards für die kontrollierte Abgabe radioaktiver Stoffe an die Umwelt. Die Strahlendosis der Bevölkerung in der Umgebung der Wiederaufarbeitungsanlagen stammt zu 99 Prozent aus natürlichen und medizinischen Quellen.
Im Gesetz sind beide Optionen, das heisst Entsorgung mit oder ohne Wiederaufarbeitung, offen zu lassen. Ein Verbot der Wiederaufarbeitung würde insbesondere auch dem Verfassungsgrundsatz der Nachhaltigkeit widersprechen.

6. Ein fakultatives Referendum für die Rahmenbewilligung wäre akzeptabel, wenn es sich auf Rahmenbewilligungen für Kernkraftwerke beschränkt und nicht für geologische Tiefen- und Endlager sowie für Zwischenlager gilt.

Die Elektrizitätswirtschaft hat sich im Mai 1997 bereit erklärt, den Bau neuer Kernkraftwerke dem fakultativen Referendum zu unterstellen, damit ein weiteres verfassungsmässiges Kernenergie-Moratorium obsolet würde. Zwischen- und Endlager sind vom fakultativen Referendum auszunehmen. Der Entscheid für die Nutzung der Kernenergie impliziert die Notwendigkeit der Entsorgung. Deshalb bleibt bezüglich Zwischen- und Endlager kein Raum mehr für einen politischen Grundsatzentscheid. Zudem müssen Lager an Standorten errichtet werden können, die sich aus geologischer und technischer Sicht eignen. Eine derartige Lösung darf nicht durch ein Referendum verhindert werden.

7. Die Enteignung für alle Vorhaben der Entsorgung, die von öffentlichem Interesse sind, ist im Sinne des Entwurfs und entsprechend dem koordinierten und kombinierten Bewilligungsverfahren gemäss neuer Gesetzgebung zu gewähren.

Beurteilung des KEG-Entwurfs

Der bundesrätliche Entwurf zeigt richtige Ansätze. Er schlägt im Bereich der Bewilligungsverfahren eine Systematisierung vor, die es möglich macht, die Endlagerung in die Tat umzusetzen. Einige Teile des Entwurfs müssen aber überarbeitet werden. Dies betrifft Vorschläge, die den Betrieb der bestehenden Anlagen ungebührlich erschweren und sicherheitstechnisch, ökologisch sowie wirtschaftlich sinnvolle Lösungen im Bereich der Entsorgung unter Einbeziehung von internationalen Projekten blockieren würden.
Die Branche akzeptiert den KEG-Entwurf als Ausgangsbasis für ein neues Kernenergiegesetz. Sie beantragt jedoch, wie oben ausgeführt, eine Reihe substanzieller Änderungen, ohne die der zukunftsgerichtete Verfassungsgrundsatz der Nachhaltigkeit nicht eingehalten werden kann.

Quelle

Schweizer Kernenergie- und Elektrizitätswirtschaft

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