Uvek: höhere Kosten für Stilllegung und Entsorgung
Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hat die voraussichtlichen Gesamtkosten für die Stilllegung der Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle auf CHF 24,581 Mrd. festgelegt. Das sind CHF 1,097 Mrd. mehr als beantragt. Die verfügten Gesamtkosten dienen zur Festlegung der jährlichen Beiträge der Betreiber in den Stilllegungsfonds und den Entsorgungsfonds in der Veranlagungsperiode 2017–2021.
Die Finanzierung der Stilllegung der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle nach Ausserbetriebnahme der Anlagen wird in der Schweiz durch zwei unabhängige Fonds sichergestellt: Den Stilllegungsfonds für Kernanlagen und den Entsorgungsfonds für Kernkraftwerke. Beide Fonds werden durch Beiträge der Betreiber geäufnet, die gemäss Kernenergiegesetz zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet sind.
Grundlage für die Berechnung der Beiträge der Betreiber in die Fonds bilden Kostenstudien. Die Verordnung über den Stilllegungsfonds und den Entsorgungsfonds für Kernanlagen (SEFV) schreibt vor, dass diese alle fünf Jahre gestützt auf aktuelle technisch-wissenschaftliche Erkenntnisse aktualisiert werden müssen. Auf Basis der durch unabhängige Experten überprüften Kostenstudien und auf Antrag der Verwaltungskommission des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds (Stenfo), werden die Kosten schliesslich durch das Uvek per Verfügung festgelegt.
Kostenstudie 2016 vor der Überprüfung
Die aktuelle Kostenstudie stammt aus dem Jahr 2016. Sie wurde von der swissnuclear in Vertretung der Eigentümer der Kernanlagen gemäss den Vorgaben der SEFV durchgeführt. Die ungeprüfte Kostenstudie 2016 wies voraussichtliche Gesamtkosten von CHF 21,767 Mrd. (Stilllegungskosten 3,406 Mrd. und Entsorgungskosten 18,361 Mrd.). Die Stenfo hat darauf basierend Ende 2016 die provisorischen Beiträge der Betreiber in die beiden Fonds für die Veranlagungsperiode 2017–2021 verfügt.
Kostenstudie 2016 nach der Überprüfung und Antrag ans Uvek
Die Kostenstudie wurde im Jahr 2017 durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) – sicherheitstechnische Aspekte – und durch unabhängige Kostenexperten im Auftrag von Stenfo überprüft. Nach der unabhängigen Überprüfung der Kostenstudie 2016 beliefen sich die voraussichtlichen Gesamtkosten auf 23,484 Mrd. (Stilllegungskosten 3,733 Mrd. und Entsorgungskosten 19,751 Mrd.). Aufgrund dieser Ergebnisse hat die Stenfo dem Uvek im Dezember 2017 einen Antrag auf Festlegung der Kosten auf total CHF 23,484 Mrd. gestellt.
Entscheid des Uvek zu den von der Stenfo beantragten Kosten
Das Uvek prüfte den Antrag in den letzten Wochen. Es sehe keine Anhaltspunkte, am Resultat der Beurteilung durch die unabhängigen Experten Zweifel anzubringen, meldete das Departement, und schliesse sich weitgehend den Überlegungen und Entscheiden der Stenfo an, mit folgenden Ausnahmen:
Grüne Wiese – Braune Wiese: Gemäss SEFV gehören die Kosten für den konventionellen Rückbau aller Gebäudestrukturen einschliesslich der Fundamente (Stilllegungsziel Grüne Wiese) zu den Stilllegungskosten. Das im Antrag von der Stenfo als 20-Prozent-Chance aufgeführte Stilllegungsziel Braune Wiese ist daher für die Berechnung der Stilllegungskosten nicht angezeigt, findet das Uvek. Die Stilllegungskosten erhöhen sich dadurch im Vergleich zum Antrag um insgesamt rund CHF 46 Mio.
Kombilager: Die Standortsuche für geologische Tiefenlager ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass ein Entscheid für oder gegen ein Kombilager (Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle und Lager für hochaktive Abfälle am gleichen Standort) möglich ist. Die im Antrag der Stenfo als 40-Prozent-Chance aufgeführte Möglichkeit für ein Kombilager darf daher nicht in die Berechnung der Entsorgungskosten einfliessen. Die Entsorgungskosten erhöhen sich dadurch im Vergleich zum Antrag um insgesamt rund CHF 651 Mio.
Abgeltungen: Gemäss Sachplan geologische Tiefenlager, sollen Standortregionen von geologischen Tiefenlagern für ihre Leistung abgegolten werden, die sie für die Lösung einer nationalen Aufgabe leisten. Die Abgeltungen werden vom Standortkanton und der Standortregion zusammen mit den Entsorgungspflichtigen in Etappe 3 der Standortsuche geregelt. Seit Ende der 1990er-Jahre sind Abgeltungen in den Kostenstudien festgehalten. In den Kostenstudien 2006 und 2011 wurde dafür ein Betrag von 800 Mio. angenommen. Die erforderlichen Mittel für die Abgeltungszahlungen werden von den Entsorgungspflichtigen in den Entsorgungsfonds einbezahlt. Im Antrag der Stenfo wird die Wahrscheinlichkeit, Abgeltungen bezahlen zu müssen, als 50-Prozent-Gefahr ausgewiesen. Dies ist für die Berechnung der Entsorgungskosten unzulässig. Abgeltungen sind in Höhe des bisher angenommenen Betrages von 800 Mio. auszuweisen. Die Entsorgungskosten erhöhen sich dadurch im Vergleich zum Antrag um insgesamt CHF 400 Mio.
Das UVEK verfügt demnach die voraussichtlichen Gesamtkosten auf CHF 24,581 Mrd. (Stilllegungskosten 3,779 Mrd., Entsorgungskosten 20,802 Mrd.). Das sind 1,097 Mrd. mehr als von der Stenfo beantragt. Gegen diese Verfügung kann die Stenfo als Antragssteller innert 30 Tagen beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben. Die definitiven Beiträge wird die Stenfo erst nach Inkraftsetzung der revidierten SEFV festlegen.
Swissnuclear prüft das weitere Vorgehen
Die swissnuclear begrüsste in ihrer Stellungnahme, dass das Uvek die grundsätzlich gute Qualität der Kostenstudie 2016 anerkenne und den Beurteilungen der unabhängigen Experten sowie Stenfo folge. Umso schwerer nachvollziehbar und überraschend sei angesichts dieser Beurteilung, dass das Uvek drei einzelne Aspekte herausgreife und für diese eine andere Beurteilung anbringe, so die swissnuclear weiter.
Die swissnuclear habe die vom Gesetzgeber geforderte Kostengliederung und Kostenstruktur umgesetzt und eine transparente und nachvollziehbare Schätzung der Stilllegungs- und Entsorgungskosten erstellt. Zentraler Punkt dieser Methodik war die Beurteilung von Eintrittswahrscheinlichkeiten für Chancen und Risiken, welche von swissnuclear ergebnisoffen definiert wurden. Dies wurde von den unabhängigen Prüfern der Stenfo berücksichtig und leicht angepasst. Mit dem jetzigen Entscheid des Uvek werde systematisch für die Aspekte «Abgeltungen», «Kombilager» und «Grüne Wiese» das höchstmögliche Kostenszenario angenommen, folgert die swissnuclear. Dies widerspreche der Logik der neuen Kostenschätzung sowie insbesondere der Bewertung dieser Risiken und stellt aus Sicht von swissnuclear einen politisch motivierten Eingriff in die Kostenschätzung dar, der sich technisch kaum belastbar begründen lasse, schreibt die swissnuclear. Sie werde zusammen mit den entsorgungspflichtigen Betreibern die Konsequenzen und das weitere Vorgehen prüfen.
Quelle
M.A. nach Uvek, Medienmitteilung, und swissnuclear, Medienmitteilung, 12. April 2018