Umweltminister Fratin: «Italien ist bereit, zur Kernenergie zurückzukehren»
Gilberto Pichetto Fratin, italienischer Minister für Umwelt und Energiesicherheit, hat gegenüber der Tageszeitung «Il Sole 24 Ore» die Pläne Italiens auf dem Weg zu neuen fortgeschrittenen Kernreaktoren erläutert. Bis Ende 2027 soll ein nationales Programm vorliegen «das auf die Entwicklung der Energieerzeugung aus nuklearen Quellen abzielt und zur Strategie der Erreichung der Kohlenstoffneutralität bis 2050 beiträgt.»
Gegenüber der Wirtschaftstageszeitung «Il Sole 24 Ore» verkündete Minister Fratin in einem Interview vom 23. Januar 2025: «Italien ist bereit, wieder in die Kernenergie einzusteigen. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die die erneuerbaren Energien nicht ersetzen, sondern ergänzen wird, indem sie einen ausgewogenen und nachhaltigen Energiemix gewährleistet.» Er wolle jetzt handeln und seinem Land die notwendigen Instrumente an die Hand geben, damit Italien nicht die Gelegenheit verpasse, in den kommenden Jahrzehnten eine führende Rolle in einem Umfeld zu spielen, bei dem Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit von grundlegender Bedeutung sein werden.
Fratin möchte einen ersten Gesetzesentwurf mit Regeln zur Rückkehr Italiens zur Kernenergie innerhalb der nächsten zwei Wochen dem Kabinett zur Genehmigung vorlegen. Das werde der Startschuss für das Erarbeiten eines nationalen Plans sein, der auf die Entwicklung der Energieerzeugung aus nuklearen Quellen abzielt und zur Strategie der Erreichung der Kohlenstoffneutralität bis 2050 beitrage Dieser Plan soll gemäss Fratin bis Ende 2027 fertiggestellt sein. Im Interview betonte der Minister, dass viele Persönlichkeiten und Politiker angesichts der Forschungsergebnisse von ihrer Anti-Atom-Einstellung abgerückt seien und auch die jungen Leute weitgehend für die grüne Kernenergie seien.
Rückblick auf die neue Nuklearpläne in Italien
Italien war nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl aus der Atomenergie ausgestiegen. Die letzten Kernkraftwerke gingen nach einer Volksabstimmung 1990 vom Netz. 2011 bestätigte ein weiteres Referendum den Ausstieg. Angesichts der Energiekrise erwägt die italienische Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni seit Mai 2023 einen Wiedereinstieg. Dazu wurde eine Nationale Plattform für nachhaltige Kernenergie (PNNS) ins Leben gerufen, die einen möglichen mittelfristigen Einsatz von neuen, modularen Kernspaltungstechnologien und einen langfristigen Einsatz von Kernfusion prüfen sowie eine Roadmap und Richtlinien dazu entwickeln soll.
Am 1. Juli 2024 gab das italienische Ministerium für Umwelt- und Energiesicherheit die Einreichung des aktualisierten Nationalen integrierten Energie- und Klimaplans (Piano Nazionale Integrato Energia e Clima, PNIEC, italienisch/ englisch) bei der EU-Kommission bekannt. Darin wird festgehalten, dass ein System aus 100% erneuerbaren Energie aufgrund der immer stärker steigenden Systemkosten wirtschaftlich nicht effizient sei und es einen bestimmten Anteil an planbarer Stromerzeugung brauche. Die Regierung betrachtet neue Kerntechnologien wie kleine, modularen Reaktoren (SMRs) und fortgeschrittene Reaktoren der Generation IV und später die Kernfusion als eine Möglichkeit zur planbaren Stromerzeugung.
Fortgeschrittene Kernenergie inklusive Fusion könnten bis 2050 einen Anteil am gesamten Strommix Italiens von mindestens 11% erreichen und es würden sogar bis zu 22% drin liegen. Mit einem Kernenergieanteil von mindestens 11% am Strommix könne Italien insgesamt 17 Milliarden Euro an Kosten für die Dekarbonisierung der Wirtschaft einsparen gegenüber einem Szenario ohne Nutzung der Kernenergie (PNIEC, Seite 94). Diese Zahlen hob Minister Fratin auch in seinem Interview mit der Tageszeitung Il Sole 24 Ore hervor.
Quelle
B.G. nach italienischem Ministerium für Umwelt und Energiesicherheit, Website zum PNIEC und PNIEC, 1. Juli 2024 sowie Il Sole 24 Ore, 23. Januar 2025
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