Steriles Neutrino bleibt reine Hypothese
Die von den Elementarteilchenphysikern mit grosser Spannung erwarteten ersten Ergebnisse des Beschleuniger-Neutrinoexperiments MiniBooNE am Fermilab des amerikanischen Department of Energy (DOE) sind eindeutig: Es gibt keine Oszillationen zwischen Myon- und Elektron-Antineutrinos von einer Art, die auf ein viertes Neutrino – das so genannt sterile Neutrino – hinweisen und das Standardmodell der Physik für Teilchen und Wechselwirkungen gilt weiterhin.
Bisher wurden drei Arten von Neutrinos bzw. Antineutrinos - die Myon-, Elektron- und Tau-Neutrinos nachgewiesen. Ihre Massen sind sehr gering, aber unterschiedlich. Sie können sich durch Oszillation ineinander umwandeln. Dies erklärt, warum von der Sonne weniger als halb so viele Elektronneutrinos zur Erde gelangen, als auf Grund der Anzahl Kernreaktionen auf der Sonne zu erwarten ist. Der direkte experimentelle Nachweis der Umwandlung ist sehr aufwändig und gelang erst im letzten Jahrzehnt.
Widersprüche...
Die Auswertung der Experimente mit Neutrinos aus Teilchenbeschleunigern führte allerdings zu Widersprüchen. Auf der einen Seite stand das LSND-Experiment (Liquid Scintillation Neutrino Detector) im Forschungszentrum Los Alamos des DOE. Es lieferte Hinweise auf die Oszillation von Myon- mit Elektron-Antineutrinos in einem bestimmten Energiebereich. Diese Oszillation war mit dem Standardmodell nicht zu erklären und wies auf die Existenz eines vierten Neutrinos hin. Auf der anderen Seite standen namentlich das Karmen-Experiment unter Federführung des deutschen Forschungszentrums Karlsruhe an der Spallations-Neutronenquelle Isis des britischen Rutherford-Appleton Laboratory und das japanische Super-Kamiokande-Experiment. In beiden wurden keine Neutrinooszillationen entdeckt, die sich mit dem Standardmodell nicht erklären liessen.
... abgeklärt
Um diesem Widerspruch auf den Grund zu gehen, wurde 1998 das Beschleuniger-Neutrinoexperiment MiniBooNE entwickelt. Es besteht im Wesentlichen aus einem Detektortank mit annähernd 1000 m3 ultrareinem Mineralöl, in welchem 1280 Fotomultiplikatorröhren das Tscherenkowlicht messen, das bei der Kollision von Neutrinos mit Kohlenstoff-Atomkernen aufblitzt. Der Detektor wurde in 500 m Abstand vom Boosterbeschleuniger des Fermilab aufgebaut. Die Messungen dauerten von 2002 bis 2005 und die Datenauswertung ein weiteres Jahr. Das Ergebnis lässt keine Zweifel offen: Die im LSND-Experiment beobachteten Phänomene sind nicht auf Neutrinooszillationen zurückzuführen und es drängt sich keine Abkehr vom Standardmodell auf.
Quelle
P.B. nach Fermilab, Pressemitteilung, 11. April, und Forschungszentrum Karlsruhe, Presseinformation, 13. April 2007