Schweizer Wirtschaft: Option Kernenergie offen halten
Die economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband (SGV), die Swissmem, die SGCI Chemie Pharma Schweiz und die IG Energieintensive Branchen (IGEB) haben am 17. Mai 2011 an einer gemeinsamen Medienkonferenz ihre Forderungen zur Schweizer Energiepolitik dargelegt. Die Vertreter der Schweizer Wirtschaft warnten eindringlich davor, die zuverlässige, wettbewerbsfähige, unabhängige und umweltfreundliche Stromversorgung unseres Landes mit übereilten energiepolitischen Entscheidungen aufs Spiel zu setzen. Die Option Kernenergie müsse offen bleiben.
Bereits heute importiere die Schweiz im Winter über 15% des Stroms aus dem Ausland. Ohne Strom aus Kernkraftwerken würde die Schweiz künftig im Winter einen Selbstversorgungsgrad von weniger als 40% erreichen, stellte economiesuisse-Präsident Gerold Bührer an der Medienkonferenz fest. Weil sich in Westeuropa gravierende Probleme in der Stromversorgung abzeichneten, müsse auch in Zukunft die Versorgung der Schweiz weitgehend autonom bleiben. Daher seien die Sicherstellung ausreichender Stromerzeugungskapazitäten im Inland sowie die Stärkung der erneuerbaren Energien und der Effizienz zentral. Solange keine überzeugende Gesamtenergiestrategie vorliege, dürfe die Option Kernenergie nicht aufgegeben werden, so Bührer weiter.
Preiserhöhungen gefährden Arbeitsplätze
Wettbewerbsfähige Strompreise seien ein weiterer zentraler Pfeiler für den Erfolg der Schweiz. Dies gelte insbesondere auch, weil Schweizer Firmen bereits mit dem hohen Frankenkurs zu kämpfen haben, erklärte Magdalena Martullo-Blocher, VR-Delegierte der Ems-Chemie. Stiegen die Strompreise um 30% (rund 3 Rp./kWh), bewirke dies allein für die Industrie Mehrkosten von über einer halben Milliarde Franken im Jahr. Für die gesamte Wirtschaft würden die Kosten schätzungsweise um gegen eine Milliarde Franken steigen. Arbeitsplatzabbau und Verlagerungen energieintensiver Betriebe wären die Folgen. Was dies konkret bedeuten kann, zeigt das Beispiel der energieintensiven Betriebe: Jede Strompreiserhöhung um 1 Rp./kWh führe zu Kosten von CHF 36 Mio. Dies entspreche den Kosten von über 400 direkten Arbeitsplätzen, erläuterte IGEB-Präsident Frank Ruepp.
Chance für die Schweizer Wirtschaft
Die Förderung der Energieeffizienz sei das zentrale Thema für die KMU-Wirtschaft, betonte Bruno Zuppiger, Präsident des SGV. Entsprechend seiner Zielsetzung befürwortet der SGV den Ersatz der notwendigen Kernkraftwerke. Die Frage der Stromproduktion stehe immer im Zusammenhang mit der gesamten Umwelt- und Energiepolitik. Für die Wirtschaft sei es deshalb unerlässlich, dass die Thematik gesamtheitlich angegangen werde.
Im Bereich der Energieeffizienz und des Klimaschutzes verfüge die Schweizer Wirtschaft mit der Energie-Agentur der Wirtschaft bereits heute über einen guten Leistungsausweis. So hätten die Firmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie trotz deutlichem Produktionswachstum ihre CO2-Emissionen seit 1990 um 50% gesenkt und die Energieeffizienz um 40% verbessert, erklärte Hans Hess, Präsident der Swissmem. Durch weitere Effizienzmassnahmen könnten einerseits Energie und damit Kosten eingespart werden, andererseits entstünden Aufträge für Schweizer Unternehmen.
Diese Herausforderungen böten daher auch eine wichtige Chance, die die Schweizer Wirtschaft nicht verpassen dürfe, so Zuppiger. Dazu seien konsequent marktwirtschaftliche Anreize und liberale Bewilligungsverfahren nötig – insbesondere auch bei erneuerbaren Energieprojekten.
Klare Position der Wirtschaft
Vor dem Hintergrund der laufenden Debatte und der bevorstehenden energiepolitischen Weichenstellungen sind für die Wirtschaft die folgenden Punkte zentral, wie die Vertreter der fünf Verbände gemeinsam betonten:
- Damit die Energieversorgung langfristig optimal gewährleistet werden kann, muss eine Gesamtenergiestrategie entwickelt werden.
- Die Option Kernenergie muss aufrechterhalten werden – insbesondere mit Blick auf ihre technologische Entwicklung, die in verschiedenen Ländern sehr aktiv vorangetrieben wird.
- Eine vorzeitige Ausserbetriebnahme der bestehenden Kernkraftwerke aus politischen Gründen lehnt die Wirtschaft ab.
- Die Wirtschaft unterstützt die Sistierung der anstehenden Gesuche um Ersatzkernkraftkapazitäten. Eine Neubeurteilung muss rechtzeitig vorgenommen werden.
- Über einen allfälligen Ausstieg aus der Kernenergie darf erst entschieden werden, wenn sichere, zuverlässige, wettbewerbsfähige, auslandsunabhängige und umweltfreundliche Kompensationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
- Weiter sind alle Massnahmen zur Effizienzsteigerung, zum Sparen und zur Entwicklung von erneuerbaren Energien (Wind, Sonne, Biomasse, Geothermie sowie die Nutzung des Restpotenzials der Wasserkraft) zur Gewährleistung der Stromversorgung zu intensivieren. Dabei müssen marktwirtschaftliche Lösungen angewendet werden.
- Zur Vermeidung der Versorgungslücke sind Gaskombikraftwerke als Übergangslösung zu ermöglichen. Damit verbunden ist die entsprechende Anpassung des CO2-Gesetzes mit Flexibilität Inland/Ausland.
Quelle
D.S. nach economiesuisse, Medienmitteilung und Medienkonferenz, 17. Mai 2011