Schweiz: Bislang kein nachteiliger Effekt bei Immobilienpreisen durch Tiefenlager
Eine Studie im Auftrag des Kantons Zürich hat den Immobilienmarkt in der Zürcher Gemeinde Stadel und im Zürcher Unterland analysiert, wo zukünftig ein Schweizer Tiefenlager gebaut werden soll. Die Daten zeigen, dass die dortigen Preise für Wohneigentum in den letzten Jahren und in jüngster Zeit noch stärker gestiegen sind als im Schweizer Durchschnitt. Die Nachfrage ist weiterhin intakt.
Im September 2022 hat die Nagra bekanntgegeben, dass sie Nördlich Lägern als möglichen Standort für das Tiefenlager für radioaktive Abfälle vorschlägt. Das Standortgebiet liegt mehrheitlich im Zürcher Unterland und der Zugang zum Tiefenlager, die sogenannte Oberflächenanlage, ist im Haberstal in der Gemeinde Stadel geplant. Die Entsorgungsorganisation Nagra plant und realisiert das Tiefenlager.
«Um Fragen aus der Bevölkerung fundiert beantworten zu können», hat der Kanton Zürich eine Studie zum Immobilienmarkt in der Zürcher Gemeinde Stadel und im Zürcher Unterland bei der Wüst Partner AG in Auftrag gegeben. Aus der Bevölkerung sind ab und zu Befürchtungen zu hören, dass in der Tiefenlagerregion die Immobilienpreise zerfallen könnten. Die Studie soll Erkenntnisse liefern, wie sich dort die Preise vor und seit dem Standortvorschlag entwickelt haben. Dazu zieht sie Vergleiche mit der Gesamtschweiz und mit Regionen mit einer Kernanlage.
Immobilienpreise in Tiefenlagerregion überdurchschnittlich hoch
«Die Analyse zeigt, dass sich die Preise für Wohneigentum in der Gemeinde Stadel und der Region Zürcher Unterland in den letzten Jahren dynamischer entwickelt haben als der Schweizer Schnitt», liess der Kanton Zürich in seiner Medienmitteilung verlauten. Die Nagra konkretisierte: «Die Preise für Wohneigentum in Stadel und im Zürcher Unterland sind in den letzten Jahren noch stärker gestiegen als im Schweizer Durchschnitt.» Gemäss Kanton sind die Immobilienpreise auch in jüngster Vergangenheit weiter gestiegen, dies trotz bereits gestiegener Finanzierungskosten und trotz der Bekanntgabe, wo das geologische Tiefenlager gebaut werden soll. «Die Nachfrage ist also weiterhin intakt.» Es sei aber eine Momentaufnahme. Auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB) rechne nicht mit markanten Abwertungen in der Region und halte andere Faktoren als ein Tiefenlager für massgebend bezüglich Immobilienpreise, so der Kanton Zürich.
Anbindung an Verkehrsnetz und Steuersatz beeinflussen Immobilienpreise
Die Studie der Wüst Partner AG gibt Aufschluss darüber, welche Faktoren die Wohnzufriedenheit der Bevölkerung positiv beeinflussen und zu steigenden Immobilienpreisen führen. «Grundsätzlich setzt sich der Preis von Immobilien aus vielen verschiedenen preisbildenden Faktoren zusammen», erklärte der Kanton Zürich und nannte als wichtigste Einflussfaktoren «die Zentralität (Nähe zu Zürich), die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und den motorisierten Individualverkehr, der Steuersatz der Gemeinde, sowie die Nähe zu Naherholungsgebieten, Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen». Im Gegensatz dazu führen gemäss Kanton die Faktoren «Lärm und andere Immissionen, Sichtkontakt mit Industriearealen oder eine periphere Lage» tendenziell zu tieferen Preisen.
Der Einfluss eines einzelnen Faktors könne statistisch abgeschätzt werden, wenn genügend Daten vorliegen würden, so der Kanton Zürich. Da es in der Schweiz noch kein Tiefenlager gibt, fehlen gemäss den Studienautoren diesbezüglich aber Erfahrungswerte. Auch liessen sich im Ausland gewonnene Erkenntnisse nicht unmittelbar auf die Schweiz übertragen. «Eine exakte Quantifizierung der Auswirkungen eines Tiefenlagers auf die Immobilienpreise ist demzufolge nicht möglich», hält die Studie fest. Sie fügt aber an, dass sich «negative Wirkungen eines Tiefenlagers auf die Immobilienpreise nicht ausschliessen lassen, wie frühere Studien gezeigt haben».
Einschätzung des Bundesamts für Energie (BFE)
Das BFE beaufsichtigt die Standortsuche der Nagra und beschäftigt sich «seit über zehn Jahren intensiv mit möglichen sozio-ökonomischen Auswirkungen eines Tiefenlagers». In einem Faktenblatt legt es seine Einschätzung dar und betont, dass neben messbaren Faktoren auch gefühlte Faktoren wie das Image einer Region einen Einfluss auf Immobilienpreise hätten. Was die messbaren Faktoren betrifft, so kommt das BFE bei den geplanten Oberflächenanlagen im Haberstal zu einem eindeutigen Fazit: «Es handelt sich dabei um eine abgeschlossene, grösstenteils von Wald umgebene Geländekammer […]. Die Anlage ist von Wohngebieten aus dadurch kaum sichtbar. Durch die Lage der Anlage ist auch sichergestellt, dass die Immissionen während der Bautätigkeit minimiert werden können. Aufgrund dieser messbaren Faktoren ist folglich nicht damit zu rechnen, dass eine grossräumige, substanzielle Abwertung von Immobilien aufgrund des Tiefenlagers erfolgen wird.»
Quelle
B.G. nach Kanton Zürich, Medienmitteilung und Immobilienstudie, 1. Dezember 2022; Nagra, News, 6. Dezember 2022; sowie BFE, Website energeiaplus.com mit Faktenblatt, 28. September 2022
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