PSI: keine Hinweise auf «neue Physik»

Wissenschafter des Paul Scherrer Instituts (PSI) konnten aus Daten des Large Hadron Colliders (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum Cern den sehr seltenen Zerfall des Bottom-Quark-Meson mit Strangeness (Bs-Mesons) in zwei Myonen mit hinreichender Sicherheit beobachten und seine Häufigkeit bestimmen. Die Erkenntnisse stützen das Standardmodell der Elementarteilchenphysik.

8. Nov. 2013
Die roten Linien dieses «Ereignisses» im CMS-Detektor des LHC zeigen die Spuren zweier Myonen. Wegen des Magnetfeldes sind die Spuren gebogen. Die goldenen Linien entsprechen verschiedenen Teilchenspuren im Inneren des Detektors.
Die roten Linien dieses «Ereignisses» im CMS-Detektor des LHC zeigen die Spuren zweier Myonen. Wegen des Magnetfeldes sind die Spuren gebogen. Die goldenen Linien entsprechen verschiedenen Teilchenspuren im Inneren des Detektors.
Quelle: PSI

Zwei Aspekte machen den Zerfall des Bs-Mesons in zwei Myonen als Test des Standardmodells besonders attraktiv: zum einen, weil die Zerfallswahrscheinlichkeit mit dem Standardmodell ziemlich genau berechnet werden kann, und zum anderen, weil kleine Abweichungen der Messergebnisse vom berechneten Wert aufgrund des seltenen Eintretens deutlich nachweisbar wären. Würden nämlich zusätzliche Teilchen existieren, die das Standardmodell nicht kennt, so könnten diese als Zwischenstufe beim Zerfall eines Bs-Mesons in zwei Myonen auftreten, was sich auf die Eintrittswahrscheinlichkeit auswirken würde. «Ein Zerfall über diesen neuen Kanal wäre auch extrem unwahrscheinlich, seine Wahrscheinlichkeit aber vergleichbar mit derjenigen, die das Standardmodell voraussagt, sodass man die Abweichung deutlich erkennen würde» erklärt Urs Langenegger, Physiker und Projektleiter in der Arbeitsgruppe Hochenergiephysik am PSI. «Bei einem Zerfall, der an sich viel wahrscheinlicher ist, liesse sich diese kleine Abweichung nicht nachweisen» führt Langenegger weiter aus. Der Wissenschafter ist seit 2005 zusammen mit weiteren PSI-Forschenden für die Suche nach diesem Zerfall in den Daten des CMS-Detektors am LHC zuständig. Ihre Auswertung hat nun erstmals gezeigt, dass die Häufigkeit dieser Zerfälle sehr gut mit den Voraussagen des Standardmodells übereinstimmt. Die Ergebnisse wurden zeitgleich von den Kollegen an einem weiteren LHC-Experiment, dem LHCb, bestätigt.

Die «richtigen» Zerfälle finden

Dass Bs-Mesonen in zwei Myonen zerfallen, ist nach Voraussage sehr unwahrscheinlich: nur eines von 300 Mio. zerfällt auf diese Weise. Deutlich häufiger sind andere Zerfallswege, deren Produkte sehr ähnlich sind und die aus den Messdaten zuverlässig herausgefiltert werden müssen. Die Wissenschafter machen sich dabei zunächst auf die Suche nach Myonenpaaren, deren Bahnen auf einen gemeinsamen Ursprungspunkt hinweisen. Dann müssen die beiden Teilchen die passenden Bewegungsenergien ausweisen, die der Masse des Bs-Mesons entsprechen. Zudem sollten in der Nähe der beobachteten Paare keine weiteren Teilchen sein. Sonst kann es gemäss Langenegger passieren, «dass man zwei Myonen betrachtet, die aus zwei verschiedenen Zerfällen stammen, die nahe beieinander stattgefunden haben». Erschwerend kommt hinzu, dass gewisse Teilchen im Detektor wie Myonen aussehen. Auch diese müssen zuverlässig herausgefiltert werden. Eine Hilfestellung zur Identifizierung des Zerfalls bieten die vielen Teilchen, die neben den Myonen entstehen. Mit ihrer Hilfe können die Forscher ableiten, ob die Myonen aus dem gesuchten Zerfall stammen oder nicht.

Standardmodell weiter auf dem Prüfstand

Die Bestätigung des Standardmodells heisst nicht, dass es keine «neue Physik» gibt. Sie schliesst indessen eine Reihe Modelle aus, die für diesen Zerfall eine andere Wahrscheinlichkeit angeben. So laufen noch weitere Experimente, die die Voraussagen des Standardmodells testen. Die Forscher um Urs Langenegger zielen als nächstes auf die «gewöhnlichen» B-Mesonen. Auch deren Zerfälle in zwei Myonen seien zum Test des Standardmodells geeignet. «Die Daten aus den bisherigen LHC-Experimenten reichen aber nicht aus, um diese Zerfälle zu untersuchen», so Langenegger. «Das dürfte sich ändern, wenn der grosse Beschleuniger LHC am Cern im Jahr 2015 wieder anläuft. Vielleicht liefert die Beobachtung der B-Zerfälle dann Hinweise auf Physik jenseits des Standardmodells».

Quelle

M.B. nach PSI, Medienmitteilung, 28. Oktober 2013

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