Präsidialansprache von alt Ständerat Dr. Hans Jörg Huber
anlässlich der 42. ordentlichen Generalversammlung der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie (SVA) vom 28. August 2001 in Bern
1. Begrüssung
Ich freue mich, Sie alle einzeln und das Kollektiv der Versammlung zur GV 2001 im Kursaal Bern begrüssen zu dürfen.
Einzelne unter uns will ich an der 13. und letzten GV der SVA, die ich präsidiere, besonders herausheben:
- Ich begrüsse mit Freude, Stolz und Vergnügen unseren Gastreferenten, Herrn Dr. Walter Hohlefelder, Vorstandsmitglied der E.ON Energie AG in München, der nicht nur ein hochkarätiger Kenner der Kernenergie in Europa ist, sondern mit unserem Land besonders verbunden: vous avez étudié à l'Université de Lausanne, c'est pas l'habitude chez les Allemands, mais c'est impressionnant pour les Suisses. Herzlichen Gruss bei der SVA!
- Ich begrüsse die zahlreichen Chefs der Energiewirtschaft und danke Ihnen, dass Sie an dieser Veranstaltung der SVA teilnehmen.
- Mein Gruss geht an den aus dem Bundesdienst ausgeschiedenen Dr. Eduard Kiener, ehemals Leiter des Bundesamtes für Energie. Herr Dr. Kiener, Sie als Ökonom und Ingenieur waren uns gegenüber ein sehr kompetenter Chef des Bundesamtes, mit dem zu streiten und zusammen zu arbeiten gleichermassen gut war. Sie haben immer die Interessen des Bundes wahrgenommen und für unsere Interessen Verständnis gehabt, und dort, wo sie am Platze waren, sind Sie auch dafür eingestanden. Wir begrüssen Ihren Nachfolger, Herrn Dr. Walter Steinmann. Es versteht sich, dass wir einem Solothurner und damit Einwohner eines Standortkantons eines bedeutenden Kernkraftwerkes und einer bedeutenden Energieunternehmung unsere Kompetenz und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit entgegen bringen.
Mit Ihnen, meine Herren, begrüsse ich weitere Mitarbeiter aus der Bundesverwaltung.
Mein besonderer Gruss gilt meinen ehemaligen Kollegen aus dem Parlament auf der Bundesebene. Ihnen obliegt es nun, ein neues Kernenergiegesetz zu schaffen, das die Kernenergie nicht nur richtig regelt, sondern auch fördert. Das ist es, was wir zentral verlangen. Ich begrüsse die kantonalen Parlamentarier - es hat solche aus den Standortkantonen da. Sie wissen es: Ohne die 40% Energie, die die Kernenergie in der Schweiz produziert, ist sie entgegen der Meinung von Bundespräsident Leuenberger energiepolitisch und umweltpolitisch in einer höchst unerfreulichen Lage: nicht mehr handeln, sondern behandelt zu werden - und das wollen wir nicht.
Ich begrüsse die zahlreichen Vertreter befreundeter Verbände, denen wir für die Unterstützung und die Zusammenarbeit im vergangenen Geschäftsjahr herzlich danken.
Ich begrüsse die Mitarbeiter in den KKW und der Kernenergiebranche überhaupt. Ohne ihren Einsatz und ihr Können wäre der Industriezweig Kernenergie in der Schweiz nicht das, was er ist: sicher, leistungsfähig, sauber.
Besonders herzlich begrüsse ich die Mitglieder unserer Vereinsorgane, der Delegation, des Vorstandes, der Arbeitsgruppen, denen ich für die Zusammenarbeit über die Jahre hinweg bestens danke.
Mein Gruss geht an unsere Geschäftsstelle in Bern mit Herrn Dr. Peter Hählen als Chef, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihr Einsatz, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kompetenz haben mich immer gefreut und wenn ich etwas zur Förderung beitragen konnte, hat die Sache den Zweck erfüllt. Ich danke Ihnen für die Zusammenarbeit, und ich danke Ihnen besonders, dass Sie gelegentlich die Ungeduld des Präsidenten ertragen und ausgebügelt haben.
Die Vertreter der Medien haben wir an einer soeben durchgeführten Medienkonferenz mit einer sehr erheblichen Anzahl von Anwesenden informiert, einzelne hat es auch jetzt noch hier. Ihnen gilt mein Gruss und der Ausdruck der Erwartung, dass sie der Kernenergie und ihrer heutigen Veranstaltung den Raum zubilligen, den sie verdient.
2. Das Jahr 2000 im Überblick
Die SVA hat nach ihren Statuten die Aufgabe, mit allen pronuklearen Kreisen die friedliche Nutzung der Kernenergie in unserem Land nachhaltig zu fördern. In dieser Definition finden sich Probleme und Begriffe: Wir finden aber auch den gemeinsamen Willen, für die Kernenergie einzustehen. Wenn ich auf das Jahr 2000 und die ersten Monate des Jahres 2001 zurückblicke, so finde ich viel, sehr viel Erfreuliches:
- Unsere zuverlässigen Kernkraftwerke, ohne die die Versorgung von Land und Leuten, von KMU und wirtschaftlich Grossen nicht möglich wäre, haben dieses Jahr die Marke von 25 Milliarden Kilowattstunden CO2-freier Energie produziert. Leibstadt und Mühleberg haben zu diesem Rekord individuelle Höchstproduktionen erbracht.
- Zum Titel "sehr erfreulich" gehören die deutlichen Signale aus den Standortkantonen Bern, Solothurn und Aargau. Der Souverän des Kantons Bern lehnte in einer Volksabstimmung die vorzeitige Stilllegung des KKW Mühleberg deutlich ab. Die Parlamente der Kantone Solothurn und Aargau haben eine Standesinitiative für eine kernenergiefreundliche Energiepolitik lanciert. Die Haltung des Bundesrates bei der Behandlung der Initiativen entspricht meiner Meinung nach einer krassen Missachtung des ach so gepriesenen Föderalismus. Die Antwort wird folgen, da bin ich sicher. Die Ablehnung des Dreierpakets an Vorlagen mit dem Ziel, alle zu begünstigen, die Kernenergie aber zu belasten und im Markt zu behindern, war für uns ein klarer Erfolg. Allen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben, gilt mein Dank und meine Anerkennung.
- Für mich sehr befriedigend war die Reaktion der SVA als Ganzes auf die Herausforderung durch den bundesrätlichen Entwurf zu einem neuen Kernenergiegesetz. Die SVA hat einen einheitlichen, kompetenten Standpunkt erarbeitet, auf den ich zu sprechen kommen werde. Man hat miteinander um Gutes und Besseres gerungen und sich geeinigt. Man hat Freunde in der Energiebranche und darüber hinaus gefunden, die sich unserer Politik angeschlossen haben - ihnen sei gedankt, wir werden sie in der Zukunft brauchen. Unterdessen funktionieren die kompetenten Strukturen - und dazu gehört unsere Geschäftsstelle, die belastet war wie nie zuvor - in optimaler Form. Unsere sachlichen Überlegungen werden gehört, ihre Umsetzung angestrebt.
Aber wir haben auch mit weniger Erfreulichem leben müssen. Dass der amtierende Bundespräsident gegen die Kernenergie eine Haltung einnimmt, die ablehnend ist, ist sehr bedauerlich. Wir haben den Kontakt, den wir mit seinen Vorgängern pflegten, gesucht, er hat - mit einer Ausnahme - abgesagt. Bei der neuen "Heiligen Schrift" der "Energiepolitik Schweiz" ist die Kernenergie als Produzent von 40% Strom in unserem Land an einer Stelle genannt und zwar mit dem Hinweis, ein Ziel bestehe darin: im Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke. Sie müssten, so der Text weiter, durch energieeffiziente Technologien und erneuerbare Energien ersetzt werden. Dass eine solche Politik keinen Beitrag an eine CO2-arme Energiepolitik ist und dass weltweit neue Kernenergieanlagen gebaut werden, um den wachsenden Strombedarf zu decken, ist Herrn Bundespräsident Leuenberger offensichtlich entgangen. Es hat uns daher auch nicht mehr überrascht, dass die Schweiz an der Bonner Klimakonferenz, gleichgeschaltet mit der EU unter dem Druck des alt-68ers Trittin, einen antinuklearen Kurs gefahren ist. Ich hoffe sehr, dass die Beratung des Kernenergiegesetzes benutzt wird, um einseitig zerschlagenes Porzellan wieder zu flicken.
3. Die Hauptsache jetzt: ein brauchbares, förderndes Kernenergiegesetz
Nach langer Vorbereitung und einem Vorentscheid des Bundesrates, wonach es keine gesetzliche zeitliche Beschränkung der Betriebsdauer der Kernkraftwerke geben soll, hat der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren durchgeführt und dann am letzten Tag des Monats Februar 2001 einen Entwurf zu einem neuen Kernenergiegesetz als Gegenvorschlag zu zwei antinuklearen Volksinitiativen vorgelegt.
Der Entwurf, so haben wir in unserer Stellungnahme vernehmen lassen, enthält Elemente eines guten, zukunftgerichteten Kernenergiegesetzes, obwohl man durchaus einen intensiver fördernden Standpunkt vertreten kann, ja muss. Er enthält aber Elemente, die beseitigt werden müssen, damit wir dem Gesetz zustimmen können. Ich nenne Hauptpunkte dieser Politik aus meiner persönlichen Sicht:
- Das Verbot der Wiederaufarbeitung ist aus dem Gesetzesentwurf zu streichen.
- Eine zusätzliche kantonale Konzessionspflicht für Tiefen- beziehungsweise Endlager ist politisch unerträglich und widerspricht der vom Bund stipulierten Pflicht zur Entsorgung - auch von Abfällen, für die er selber und nicht die Industrie verantwortlich ist.
- Die solidarische Nachschusspflicht ist aus dem Gesetz zu streichen, die Sippenhaft hat in der Schweiz noch nie gegolten, weder in der Gesellschaft noch in der Wirtschaft.
- Die Entschädigungspflicht bei materieller Enteignung ist aus dem bestehenden Gesetz zu übernehmen und nicht einfach wegzulassen. Das alleine ist rechtsstaatlich korrekt.
- Für die Entsorgung von hochradioaktiven Abfällen sind meiner Meinung auch Lösungen international zuzulassen.
- Mit dem Bundesrat stimmen wir überein, dass die beiden "Abschaltungsinitiativen" Volk und Ständen zur Ablehnung empfohlen werden müssen.
Die SVA - ihre privaten Mitglieder, ihre Mitglieder aus Wirtschaft und Wissenschaft, die Kernkraftwerke - sie werden alles daran setzen, um unserer statutarischen Pflicht nachzukommen, die Kernenergie in der Schweiz nicht nur als "Option", sondern als Realität zu haben und zu nutzen.
4. Die SVA der Zukunft
Lassen Sie mich schliessen mit einem Blick in die Zukunft der SVA. Ich möchte das, was ich erlebt habe, das, was ich gelernt habe, so wie ich es heute verstehe, in fünf Thesen zusammenfassen. Wir müssen als SVA
1. Technologisch zukunftsgerichtet denken und handeln
- Für die SVA - und dazu gehören die KKW - ist die Sicherheit aller Anlagen eine ethische Verpflichtung und eine permanente technische Herausforderung.
- Die SVA setzt sich unablässig für die Förderung der Forschung, der Bildung und Weiterbildung im Bereich der Kernenergie ein.
- Wir betrachten die Entsorgung mit allen Aspekten als eine zentrale Aufgabe und wir stellen uns denen gegenüber, die die Entsorgung hintertreiben wollen, um der Kernenergie zu schaden. Ich denke da an den Spruch, der kürzlich von einer Parlamentarierin getätigt wurde, die eine massgebliche Funktion im Bundesparlament hat: "Zuerst abschalten, dann entsorgen". Das, meine Damen und Herren, ist unsere Haltung nicht.
2. Wirtschaftlich denken und handeln
- Wirtschaftlichkeit ist mit Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit ein Kriterium, nach dem entschieden werden muss.
- Die SVA weiss, dass ihre Tätigkeit einen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer erfolgreichen schweizerischen Volkswirtschaft leistet.
- Wir bekennen uns zur Konkurrenz mit anderen Energieproduzenten ohne übermässige staatliche Hindernisse. Und wir wissen, dass unsere Werke Konkurrenten sind und dennoch in der SVA zusammenarbeiten.
3. Politisch denken und handeln
- Wir wollen alleine oder mit anderen zusammen unsere wirtschaftlichen und technologischen Aufträge in der direkten Demokratie durchsetzen können.
- Das heisst, wir wollen zusammen mit andern in der Branche sowohl referendums- wie initiativfähig sein.
- Wir wollen die Kontakte zu allen Entscheidträgern in Exekutive, Parlament, den Kommissionen dauernd aufrecht erhalten, um sie mit lauteren Mitteln von unserer Meinung zu überzeugen.
- Die SVA koordiniert ihre Branchenpolitik und ihre Energiepolitik mit Partnern in der Schweiz und im Ausland und pflegt bewusst diese Beziehungen.
4. Kommunikativ denken und handeln
- Eine der zentralen Aufgaben der SVA ist die weitere Erhöhung und Erhaltung der Akzeptanz der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
- Zu diesem Zweck überzeugt sie durch die Sicherheit ihrer Anlagen, Betriebe und die Lösung der Frage der Entsorgung.
- Die SVA pflegt eine offene und ehrliche Information zu allen Medien und macht diesen ausländische Erfahrungen mit der Kernenergie zugänglich.
5. Getrennt denken - aber geschlossen handeln
- Die SVA weiss, dass ihre Mitglieder gemeinsame und verschiedene Interessen haben.
- Die SVA weiss aber auch, dass sie sich nur geschlossen durchsetzen kann im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, der Volkswirtschaft dieses Landes im Bereich der Kernenergie.
- Die SVA reflektiert dauernd ihre Aufgaben und ihre Strukturen. Sie braucht ein optimales Zentrum, um unsere Lösungen durchzusetzen, und Mitglieder, die in der Öffentlichkeit zur Kernenergie stehen.
Was ich Ihnen vorgetragen habe, ist die Frucht der Erkenntnis von 13 Jahren an der Spitze der SVA - eine schöne, gelegentlich auch anspruchsvolle Aufgabe. Ich wünsche der SVA bei der Lösung ihres Auftrages nach dem Ende dieser GV viel Glück und Erfolg und Ihnen danke ich für all das, was Sie mir in dieser Zeit gegeben haben.
Quelle
Dr. Hans Jörg Huber