Polen: neues Kernenergieprogramm nennt Standorte für zweites Kernkraftwerk

Wojciech Wrochna, der stellvertretende Industrieminister, hat in einem Zeitungsinterview Einblick in das neue polnische Kernenergieprogramm gegeben, das in den nächsten Tagen veröffentlicht wird, und mögliche Standorte für das zweite Kernkraftwerk Polens genannt.

10. März 2025
Der stellvertretende polnische Industrieminister Wrochna
Der stellvertretende Industrieminister Wojciech Wrochna hat in einem Interview die vier möglichen Standorte für das zweite Kernkraftwerk Polens genannt.
Quelle: Polnische Regierung

Der stellvertretende Industrieminister Wojciech Wrochna, der ebenfalls der Bevollmächtigte der Regierung für strategische Energieinfrastruktur ist, hat angekündigt, dass die Aktualisierung des polnischen Kernenergieprogramms (PPEL) in der Woche vom 20. März 2025 veröffentlicht werde. Darin enthalten sind vier Standortvorschläge für das zweite Kernkraftwerk Polens – bis anhin war dies das privat finanzierte Patnow-Konin-Projekt.

Die ursprüngliche Version des Programms stammt aus dem Jahr 2014 und wurde 2020 aktualisiert. Wrochna verriet der polnischen Tageszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» in einem Interview vom 5. März 2025: «Wir wollen, dass das zweite Kernkraftwerk viel stärker auf die Herausforderungen der Energiewende eingeht und eine wichtige soziale Komponente hat. Deshalb wird es in einer ehemaligen Kohleregion gebaut. Wir haben vier Standortoptionen: zwei Hauptoptionen sind Bełchatów und Konin und zwei weitere [Ersatzoptionen] sind Kozienice und Połaniec». Bełchatów (Woiwodschaft Łódź) liegt in Zentralpolen, Konin (Woiwodschaft Grosspolen) befindet sich nordwestlich davon, Kozienice (Woiwodschaft Masowien) liegt in Ostpolen und Połaniec (Woiwodschaft Heiligkreuz) in Südpolen.

Die wichtigsten Auswahlkriterien für den endgültigen Standortentscheid, der voraussichtlich 2026 getroffen werden soll, umfassen laut Wrochna technische und wirtschaftliche Faktoren sowie Umweltauswirkungen. Im PPEL 2025 sei z.B. eine Bestimmung enthalten, wonach der Bau «so weit wie möglich» von der polnischen Industrie und polnischen Bauunternehmen durchgeführt werden solle. An den vier Standorten gibt es (stillzulegende) Kohlekraftwerke und sind somit bereits qualifiziertes Kraftwerkspersonal sowie Energie- und Logistikinfrastruktur vorhanden, welche weitergenutzt werden könnten, was Kosten spart.

Thierry Deschaux, der Generaldirektor von Électricité de France (EDF) Polen, erwähnte in einem Interview vom 5. März ebenfalls die vier Standorte und die technischen Voraussetzungen: vorhandenes Stromnetz, Zugang zu Wasser und geeignete geologische Bedingungen. Zudem bestätigte er, dass EDF in intensivem Austausch mit dem staatlich-polnischen Unternehmen Polskie Elektrownie Jadrowe (PEJ, verantwortliche Projektgesellschaft für erstes Kernkraftwerk Polens), der polnischen Atomenergiebehörde Państwowa Agencja Atomistyki (PAA) und dem Industrieministerium sei. Laut dem Wirtschaftsportal wnp.pl lobbyieren Gewerkschaften und der polnische Energieversorger Polska Grupa Energetyczna (PGE) am stärksten für den Standort Bełchatów wobei Konin ebenfalls gute geologische, hydrogeologische und seismologische Bedingungen aufweise.

Technologielieferant des zweiten polnischen Kernkraftwerks steht noch offen
Das PPEL 2025 wird gemäss Wrochna auch Auskunft zum Auswahlverfahren des Technologielieferanten für das zweite Kernkraftwerk Polens geben. «Einfach ausgedrückt wollen wir den Prozess so steuern, dass die Baukosten des zweiten Kernkraftwerks für die Staatskasse niedriger sind als die des [ersten] Kernkraftwerks, das in Pommern gebaut wird», sagte der stellvertretende Industrieminister. Unter der Leitung des PEJ werden beim ersten Kernkraftwerk des Landes in Lubiatowo-Kopalino (Pommern) zukünftig drei Kernkraftwerkseinheiten des Typs AP1000 von Westinghouse gebaut. Damit der Bau früher begonnen und die Finanzierung erleichtert werden können, will die polnische Regierung per Gesetzesänderung die Baubewilligung in einzelne Phasen aufteilen.

Ursprünglich waren für das erste privat finanzierte Kernkraftwerk Polens in Patnow-Konin südkoreanische APR1400-Einheiten des südkoreanischen Reaktorherstellers Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP) vorgesehen. Bereits im Januar 2025 gab es Gerüchte, wonach PGE anstelle des Standorts Patnow-Konin auch Bełchatów prüfen wolle und KHNP möglicherweise durch EDF ersetzt werden könnte. Mitte Januar 2025 beendeten Westinghouse und KHNP ihren Streit um geistiges Eigentum. Das Wirtschaftsportal wnp.pl schrieb jetzt: «Inoffiziellen Informationen zufolge haben die beiden Konzerne vereinbart, wer von ihnen auf welchen Märkten tätig sein darf, um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen. Und anscheinend ist Polen an den Westinghouse-Konzern ‹gefallen›.» Offenbar ist aus dem Patnow-Konin-Projekt nun das zweite staatliche Kernkraftwerksprojekt geworden.

Quelle

B.G. nach polnischer Tageszeitung «Dziennik Gazeta Prawna», Wrochna-Interview, 5. März 2025 und weiteren verlinkten Quellen im Text

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