NOK: Importstrom doppelt so teuer wie eigene Produktion
Erstmals musste die Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK) bereits im Oktober 2005 Strom für die Versorgung in der Nordostschweiz importieren, teilte die NOK am 31. Mai 2006 mit.
Die Importmenge stieg von 170 Mio. kWh im Oktober auf 472 Mio. kWh im Dezember. Bis März verflachte die Importkurve schrittweise bis zum Total von 1300 Mio. kWh. Diese Menge entspricht knapp dem kumulierten Jahresverbrauch der Städte Luzern, St. Gallen und Winterthur bzw. 15% des im Winter benötigten Stroms für die Nordostschweizer Kantone und weitere Kunden in der Schweiz (total 8600 Mio. kWh, bzw. 9000 Mio. kWh inkl. Pumpenergie und Verluste usw.). Die Schweiz, die früher Strom exportierte, wird zunehmend ein Importland. Ohne neue Kraftwerke im Inland wird die Schweiz nach Beurteilung von NOK-Experten zunehmend vom Ausland abhängig.
Hauptursache für diese massiven Importe waren die ab September 2005 ungewöhnlich niedrige Wasserführung der Flüsse und die lang anhaltende Kälteperiode. Ohne die privilegierten vertraglichen Stromlieferungen aus französischen Kernkraftwerken und zusätzlichem Stromeinkauf via Börsen wäre die Versorgungssicherheit nicht mehr aufrechtzuerhalten gewesen, schreibt die NOK.
Reserven sind aufgebraucht
Der Stromverbrauch in der Schweiz ist in den letzten zwei Jahrzehnten durch die allgemeine Wirtschaftsentwicklung und die steigenden Komfortansprüche der wachsenden Bevölkerung um über 45% gestiegen. Die Inlandproduktion nahm dagegen nur um rund 25% zu, wovon der grösste Teil auf die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Leibstadt im Jahr 1984 entfällt. Nach Leibstadt ging keine nennenswerte Neuanlage mehr ans Netz und die früher vorhandenen Reserven sind aufgebraucht. Der Stromkonsum steigt aber weiter mit jährlich rund 2%. Allein zur Deckung dieses jährlichen Mehrverbrauches wären pro Jahr vier neue Laufkraftwerke wie jenes am Rhein bei Eglisau nötig.
Importstrom wird teurer
Auch die EU hält in ihrem kürzlich erschienenen Grünbuch «Energie für die Zukunft» fest, dass die früher in Europa vorhandenen Überkapazitäten nicht mehr vorhanden sind. Die Auswirkungen des europaweit steigenden Stromkonsums bei seit Jahren mangelhaftem Zubau von neuen Produktionskapazitäten bekam auch die Schweiz in diesem Winterhalbjahr deutlich zu spüren. Laut NOK kostet der produzierte Strommix ab Werk durchschnittlich 5 bis 6 Rappen pro kWh. Dagegen schwankten diesen Winter die Preise für rund um die Uhr verfügbare Bandenergie an der europäischen Strombörse in Leipzig - und damit teilweise auch die Beschaffungspreise der NOK - zwischen 8 und 12 Rappen pro kWh.
Das von der EU geforderte «Engpassmanagement» an der Grenze Deutschland/Schweiz verteuerte den Importstrom ab Januar 2006 nochmals massiv. Je nach Monat kostete allein der Grenzübertritt über den Rhein, umgerechnet auf ein Monatsband, zwischen 0,5 und 2 Rappen pro kWh. Das erhöhte laut NOK den Preis des importierten Stroms zusätzlich um 6-16%. Importstrom ist somit doppelt so teuer wie Strom aus eigenen Kraftwerken.
Langfristverträge sind gefährdet
In der EU sind derzeit politische Bestrebungen im Gange, Langfristverträge über mehr als zwei Jahre zu unterbinden. Solche Verträge, wie sie die Schweiz mit Frankreich abgeschlossen hat, sollen zu Gunsten von Marktmechanismen stark eingeschränkt werden. Dieser Punkt wird in den nächsten Monaten ein wichtiges Traktandum der bilateralen Gespräche zwischen der Schweiz und der EU sein.
Zusammen mit dem «Engpassmanagement» (Auktionen) an den Landesgrenzen dürfte der Stromimport durch die neuen Entwicklungen tendenziell verteuert werden. In dieser Situation sei die Schweiz gut beraten, sich nicht auf zunehmend unsicher erscheinende Importmöglichkeiten zu verlassen, meint die NOK und betont: «Die Option Stromimport als langfristiger Beitrag zur Deckung der bevorstehenden Stromlücke ist jedenfalls stark in den Hintergrund getreten.»
Quelle
M.A. nach NOK, Medienmitteilung, 31. Mai 2006