Neuer Marsrover nutzt nukleare Stromversorgung
Am Samstag 26. November 2011 startete die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa ihre dritte Marsmission, bei der ein Fahrzeug für Untersuchungen auf der Marsoberfläche eingesetzt wird. Anders als bei den zwei früheren Marsmissionen nutzt der neue Marsrover «Curiosity» zur Stromversorgung nicht Solarzellen, sondern wird von einer «nuklearen Batterie» gespeist.
Um 16:02 Uhr mitteleuropäischer Zeit zündeten auf der Cape Canaveral Air Force Station in Florida die Triebwerke der Atlas-V-Trägerrakete. An Bord das Mars Science Laboratory «Curiosity», ein knapp 900 kg schwerer, sechsrädriger Roboter, das grösste je zum Mars geschickte Fahrzeug. Mit seinen Instrumenten wollen die Forscher Hinweise finden, ob auf unserem äusseren Nachbarplaneten Mikroben gelebt haben oder heute noch leben können. Bis es so weit ist, muss die Cruise Stage noch einen weiten Weg zurücklegen: rund 570 Mio. km. Dabei macht sie eine halbe Sonnenumrundung. Curiosity soll am 6. August 2012 auf der Marsoberfläche aufsetzen. Die Forscher hoffen, mit dem drei Meter langen und zwei Meter hohen Rover während mindestens eines Marsjahrs (98 Erdwochen) Untersuchungen durchführen zu können. Die Nasa setzt bei dieser Mission als Energiequelle erstmals einen Multi-Mission Radioisotop Thermoelectric Generator (MMRTG) ein.
Strom rund um die Uhr
Dieser radionuklidbetriebene thermoelektrische Generator nutzt die Zerfallswärme von Pu-238 und wandelt diese mit thermoelektrischen Elementen in elektrischen Strom um. Der MMRTG erzeugt zu Beginn der Mission rund 120 Watt elektrische Energie und 2000 Watt Wärme, die als Heizung für die internen Instrumente des Rovers dient. Acht Wärmemodule mit insgesamt 4,8 kg Plutoniumdioxid sind dazu im MMRTG zusammengefasst. Der Rover ist zusätzlich mit zwei wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Akkumulatoren ausgestattet. Diese versorgen den Rover bei Bedarfsspitzen mit zusätzlicher Energie. Aufgrund des radioaktiven Zerfalls (Pu-238 hat eine Halbwertzeit von 87,7 Jahren) nimmt die Wärmeleistung mit der Zeit ab. Die Ingenieure rechnen beim MMRTG mit einer Lebensdauer von mindestens 14 Jahren.
Sicherheit
Der MMRTG ist ein evolutionäres Design einer Energiequelle, welche die Nasa in den vergangenen 40 Jahren bei verschiedenen Missionen sicher und zuverlässig eingesetzt hat.
Wie schon die sieben Vorgängermodelle, so wurde auch der MMRTG unter der Leitung des Department of Energy (DOE) entwickelt und getestet. Die Nasa und das DOE legen beim Einsatz radioaktiver Werkstoffe grössten Wert auf die Sicherheit und führen dazu vor jeder Mission verschiedene Tests und Sicherheitsanalysen durch. Ein Sicherheitsmerkmal ist, dass das Pu-238 in keramischer Form eingesetzt wird. Der Werkstoff ist hitzeresistent und in Wasser nur schwer löslich. Im Falle eines Absturzes zerbricht die Keramik hauptsächlich in grössere Bruchstücke. Die Gefahr, dass pulverförmiges radioaktives Material eingeatmet werden kann, wird dadurch erheblich reduziert, zumal die Plutonium-Pellets mehrfach und mit verschiedenen korrosions- und hitzebeständigen Materialien umschlossen sind. Das nicht waffenfähige Pu-238 ist ein Alpha-Strahler und kann somit einfach abgeschirmt werden.
Die Nasa setzt seit vielen Jahren radionuklidbetriebene thermoelektrische Generatoren ein. Die Apollo-Missionen zum Mond, die Viking-Sonden zum Mars sowie die Pioneer-, Voyager-, Ulysses-, Galileo-, Cassini- und New Horizons-Missionen wurden alle mit einer «nuklearen Batterie» ausgestattet.
Die Vorgänger von «Curiosity»
Bei den zwei früheren Marsmissionen (Pathfinder-Mission von 1996 und Mars Exploration Rover Mission von 2003) wurden die Fahrzeuge mit Solarzellen ausgerüstet. Diese Projekte verliefen sehr erfolgreich. Die Rover haben ihre ursprünglich geplante Missionsdauer um ein Mehrfaches überschritten. Ein Gefährt der Mars Exploration Rover Mission ist sogar heute noch aktiv. Jedoch sind Missionen auf der Marsoberfläche, die gänzlich mit Solarenergie versorgt werden, Grenzen gesetzt. Zum einen kann sich Staub auf dem Solarzellen ablagern, den die Winde durch die Atmosphäre tragen und so fällt die Leistung ab oder bricht ganz zusammen. Zum anderen ist die Energieversorgung in Polnähe oder während der Wintermonate reduziert. Die Sonden müssen zudem den rauen Bedingungen auf der Marsoberfläche trotzen. Die Temperatur kann in der Nacht auf -150°C fallen. Batterien, Computer und andere elektronische Geräte müssen gewärmt werden. Dazu hat die Nasa bereits bei den zwei genannten Marsmissionen radioaktive Heizelemente (Radioisotope Heater Units) eingesetzt, die dafür sorgen, dass die Elektronikbauteile nicht zu kalt bekommen.
Pu-238-Produktion in den USA
In den USA obliegt die Verantwortung für die Beschaffung von Isotopen für den Einsatz in radionuklidbetriebenen thermoelektrischen Generatoren dem DOE. 1988 hat das DOE die eigene Pu-238-Produktion in der Savannah River Site in South Carolina jedoch eingestellt. Seither werden Lagerbestände abgebaut und Pu-238 aus Russland bezogen. Gemäss dem Start-up-Plan von Juni 2010 ist das DOE darum bemüht, die Produktion von Pu-238 im eigenen Land wieder aufzunehmen. Die Behörde rechnet damit, dass die Lieferkette für selber produziertes Pu-238 erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts bereit sein wird. Das Ziel ist jährlich rund 2 kg Pu-238 herzustellen. Das entspricht einem Würfel mit rund 4,5 cm Kantenlänge mit einer Heizleistung von 1 kW.
Zur Produktion des für die Nasa wichtigen Plutoniumisotops werden Np-237-Targets benötigt, die in bestehenden Forschungsreaktoren des DOE bestrahlt werden können. Über entsprechende Neptuniumvorräte für die neu aufzubauende Targetherstellung verfügt das Idaho National Laboratory. Je nach Grösse und Position im Reaktor werden dann die Neptunium-Targets während drei bis zwölf Monaten bestrahlt. Die weiteren Schritte für die Gewinnung von Pu-238 aus den Targets müssen ebenfalls erst noch geschaffen werden. Die Kosten für die Wiederaufnahme der Pu-238-Produktion schätzt das DOE auf USD 75–90 Mio. (CHF 70–83 Mio.).
Quelle
M.B. nach DOE, Report to Congress «Start-up Plan for Plutonium-238 Production for Radioisotop Power Systems», Juni 2010, sowie verschiedenen Quellen der Nasa
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