Neue Kernkraftwerke: Grossbritannien vereinfacht Bewilligungsverfahren

Bis ins Jahr 2020 will Grossbritannien die Treibhausgasemissionen im Energiebereich um 22% gegenüber 2008 senken. Um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, setzt die britische Regierung auch auf die Kernenergie. Im Rahmen einer Reform zur Vereinfachung des Planungsprozesses für Infrastrukturvorhaben von nationaler Bedeutung hat die Regierung eine Reihe politischer Massnahmen vorgeschlagen, um die Planung und den Bau neuer Kernkraftwerke zu vereinfachen. Grundlage dafür ist das im Jahr 2008 erlassene Planungsgesetz (Planning Act). Eine Übersicht:

3. Dez. 2009

Infrastruktur-Planungskommission (Infrastructure Planning Commission, IPC)

Die Infrastruktur-Planungskommission ist eine neu gegründete regierungsunabhängige Institution, die über Bauprojekte von nationaler Bedeutung entscheidet. Dies sind beispielsweise Projekte für Kraftwerke, Schienennetze, Häfen oder Kläranlagen. Im Fall neuer Kernkraftwerke überprüft sie die eingereichten Baubewilligungsanträge auf standortspezifische und lokale Auswirkungen an den in Frage kommenden Standorten. Auf die Auswahl der Standorte selbst hat sie keinen Einfluss.

Die Kommission ersetzt acht bisher zuständige Verwaltungen. Der Entscheidungsprozess über Bauanträge soll so transparenter und auf weniger als ein Jahr verkürzt werden. Die Unabhängigkeit der Kommission soll zudem faire Beurteilungen und Entscheide nach professionellen und technischen Kriterien garantieren. Die Infrastruktur-Planungskommission hat am 1. Oktober 2009 ihre Arbeit aufgenommen und wird ab 1. März 2010 erste Baubewilligungsanträge zur Prüfung entgegennehmen.

Nationale Planungsrichtlinie (National Policy Statement, NPS)

Eine wesentliche Reform ist der Vorschlag der Regierung, nationale Planungsrichtlinien einzuführen. Diese sollen in Zukunft den gesamten Planungs- und Bewilligungsprozess für Infrastrukturprojekte von nationaler Bedeutung regeln, das heisst, in welchen Schritten sowohl die Behörden als auch die Antragsteller vorgehen und welche zeitlichen Vorgaben sie dabei einhalten müssen. Auch die Mitsprachemöglichkeiten der Bevölkerung sollen hier festgelegt werden. Nationale Planungsrichtlinien sollen auch auf regionaler Ebene als verbindlich gelten. Regionale Behörden müssten demnach eigene Projekte und Planungen nach ihnen richten. Damit soll verhindert werden, dass Bauvorhaben von nationalem Interesse unnötig verzögert werden.

Derzeit liegt eine provisorische Planungsrichtlinie («draft NPS») für den Bau neuer Kernkraftwerke vor, zu der die Öffentlichkeit noch bis zum 22. Februar 2010 Stellung nehmen kann. Danach wird das Parlament die Planungsrichtlinien prüfen. Unter Berücksichtigung dieser Vernehmlassung und der parlamentarischen Beurteilung, wird die Regierung die Planungsgrundlinien finalisieren und formell genehmigen.

Standortauswahl (Strategic Siting Assessment, SSA)

Anfang Januar 2009 forderte die Regierung die Nuklearindustrie auf, innerhalb von zwei Monaten Standorte für neue Kernkraftwerke vorzuschlagen. Die elf vorgeschlagenen Standorte hat das Department of Energy and Climate Change (DECC) mittlerweile auf ihre Tauglichkeit überprüft und zehn davon im November dieses Jahres als potenzielle Standorte genehmigt. Zuvor hatte die britische Bevölkerung Gelegenheit, sich dazu zu äussern.

Beurteilung von Nutzen und potenziellem Schaden (Justification)

Die «Justification» ist für alle technischen Anwendungen erforderlich, die ionisierende Strahlung beinhalten. Bevor neue Kernkraftwerke gebaut werden können, muss nachgewiesen sein, dass der Nutzen aus der Anwendung potenzielle gesundheitliche Beeinträchtigungen durch ionisierender Strahlung überwiegt. Die Kriterien für die Beurteilung lehnen sich an entsprechende Richtlinien der EU an.

Im Juni 2008 haben die Stromversorgungsunternehmen – vertreten durch die Nuclear Industry Association (NIA) – Unterlagen mit den geforderten Angaben zu den von ihnen bevorzugten Reaktortypen beim DECC zur Beurteilung eingereicht. Dabei handelt es sich um je einen Reaktortyp der dritten Generation der Areva (European Pressurised Water Reactor, EPR) und der Westinghouse (AP1000). Am 9. November 2009 – schlug das DECC zusammen mit der Bekanntgabe der potenziellen Standorte für neue Kernkraftwerke – den EPR und den AP1000 als geeignete Reaktortypen für neue Kernkraftwerke vor.

Zeitlich befristete öffentliche Stellungnahmen

Die britische Öffentlichkeit hatte die Möglichkeit, zu den von der NIA eingereichten Unterlagen zu den beiden Reaktortypen Stellung zu nehmen. Ebenfalls äussern kann sie sich zu den Vorschlägen des DECC bezüglich dieser Reaktortypen. Dazu hat sie bis zum 22. Februar 2010 Gelegenheit. Die zeitliche Befristung dieser öffentlichen Anhörungen ist eine für den Planungsprozess wichtige Massnahme, denn sie schliesst die in Grossbritannien sonst üblichen öffentlichen Untersuchungsverfahren («public inquiries») aus. Diese sind zeitlich nicht limitiert und werden oft von oppositionellen Gruppierungen und Parteien dazu benutzt, die Prozesse absichtlich zu verzögern.

Vorlizenzierung (Generic Design Assessment, GDA)

Klare Richtlinien wurden auch für die technische Beurteilung neuer Reaktortypen eingeführt. Das GDA stellt sicher, dass die zuständigen Behörden die sicherheitstechnischen Aspekte der vorgeschlagenen Reaktortypen bereits vor den einzelnen standortspezifischen Baubewilligungsanträgen überprüfen. Die zeitliche Reihenfolge und die Trennung der technischen von der standortspezifischen Überprüfung verringern mögliche Investitionsrisiken für die involvierten Unternehmen und zukünftigen Betreiber und machen das Verfahren insgesamt effizienter.

Der Ablauf der Vorlizenzierung wird für die Öffentlichkeit transparent und mit der Möglichkeit zur Mitsprache durchgeführt, um eine höhere Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erreichen.

Quelle

M.R. nach DECC, verschiedene Unterlagen

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