Medienkonferenz der vier Schweizer Kernkraftwerke im Kernkraftwerk Gösgen, 23. August 1999 anlässlich der Wiederaufnahme der Transporte bestrahlter Brennelemente
Transporte: Aus der Sicht des Bundes verantwortbar
(Gösgen, 23.8.1999). Aus der Sicht der Bundesbehörden ist es verantwortbar, die vor mehr als einem Jahr sistierten Transporte abgebrannter Brennelemente aus den Schweizer Kernkraftwerken jetzt wieder aufzunehmen. Dies erklärte der Chef der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK), Dr. Serge Prêtre, heute anlässlich einer Medienkonferenz im Kernkraftwerk Gösgen. Zwar könne nicht absolut ausgeschlossen werden, dass es in Zukunft in Einzelfällen wiederum zu Überschreitungen des Transport-Grenzwerts für die Sauberkeit von Sicherheitsbehältern und Eisenbahnwagen komme. Doch sei mit den von den Behörden angeordneten zusätzlichen Massnahmen und Verbesserungen der Qualitätssicherungs-Systeme alles vorgekehrt worden, um die Häufigkeit und das Ausmass künftig möglicher Überschreitungen deutlich zu reduzieren. Der Transport-Grenzwert von 4 Becquerel pro Quadratzentimeter stelle nicht den Übergang von sicher zu gefährlich dar, sondern den Übergang von sauber zu unsauber. Durch die aufgetretenen Überschreitungen seien auch in der Vergangenheit in keinem einzigen Fall gesundheitliche Folgen für die Bahnarbeiter oder die Bevölkerung aufgetreten.
Kein Zusammenhang
Prêtre unterstrich besonders, das Problem der radioaktiv verunreinigten Stellen auf Behälteroberflächen und Bahnwagen-Innenflächen habe nichts mit der Dichtheit der Transportbehälter zu tun. Es seien keine Lecks aufgetreten. Die Behälter seien immer zu 100 Prozent dicht verschlossen gewesen. Es besteht also kein Zusammenhang zwischen den Verunreinigungen und dem Schutz der Bevölkerung sowie des Bahnpersonals vor der radioaktiven Strahlung der Brennelemente im Innern der Sicherheitsbehälter. Die Behälter erfüllten ihre Schutzfunktion jederzeit vollauf.
Gemeinsame Anstrengung
An der Medienorientierung wirkten Vertreter sämtlicher Stellen mit, die an der Durchführung der Transporte radioaktiver Brennelemente beteiligt sind, nämlich die vier Kernkraftwerke Beznau, Mühleberg, Gösgen und Leibstadt sowie das Bundesamt für Energie (BFE) als Bewilligungsbehörde, die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) des BFE als Sicherheitsbehörde, das Paul Scherrer Institut (PSI) als Fachstelle für Strahlenschutzfragen, die Schweizerischen Bundesbahnen, die Polizei sowie die französische Transportfirma Transnucléaire. Wie Dr. Hans Fuchs, Geschäftsleiter des Kernkraftwerks Gösgen, ausführte, ist die Medienkonferenz Bestandteil eines umfassenden Informationsangebotes der vier Schweizer Kernkraftwerke. Angesichts des öffentlichen Interesses bieten die verantwortlichen Stellen anlässlich der Wiederaufnahme der Transporte den Medien ausnahmsweise, aber umfassend Einblick in alle Arbeiten, die - von der Abfahrt des leeren Sicherheitsbehälters in Frankreich über das Beladen in Gösgen bis zu seiner Ankunft am französischen Ausgangspunkt - rund drei Wochen dauern. Der Zeitplan für den ganzen Transport wurde frühzeitig den Medien mitgeteilt und auf dem Internet veröffentlicht. Die Daten späterer Transporte werden wiederum nicht publiziert werden, da die Vertraulichkeit den von Gesetz und Völkerrecht geforderten Schutz vor unbefugtem Zugriff unterstützt. Das anspruchsvolle und sorgfältig abzuwickelnde Bewilligungsverfahren erläuterte Dr. Beat Wieland, Sektionschef Nukleartechnologie und Sicherung im Bundesamt für Energie. Die Ausnahme anlässlich des ersten Transports, der zufälligerweise auf das Kernkraftwerk Gösgen fällt, wurde von den beteiligten Stellen beschlossen, weil das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an den Brennelement-Transporten sowie die Informationsaufgabe der Medien höher eingestuft wurden als die ungebrochene Einhaltung der Vertraulichkeits-Norm.
Personenschutz
Aufgrund der in der Vergangenheit gemessenen und künftig in Einzelfällen nicht völlig auszuschliessenden Verunreinigungen von Transportbehältern und Eisenbahnwagen ist eine gesundheitliche Gefährdung des Bahnpersonals und der Bevölkerung gar nicht möglich. Dies geht aus den Ausführungen des unabhängigen Strahlenschutzexperten Dr. Hans-Jürgen Pfeiffer hervor. Die teilweise radioaktiv verunreinigten Stellen unter der Schutzhaube des Spezialbahnwagens sind für Bahnpersonal und Publikum nicht zugänglich. Mensch und Umwelt sind somit vor einem Kontakt mit der - aus der Sicht des Strahlenschutzes geringfügigen - Verunreinigung geschützt.
Sicherheitsdispositiv verschärft
Bei allen Transporten stehen für die Schweizerischen Bundesbahnen der Mensch und seine Umwelt im Mittelpunkt, wie Rudolf Sturzenegger, Stellvertreter des Leiters Betriebsführung der SBB, unterstrich. Die SBB seien als Transportdienstleister gesetzlich verpflichtet, jegliche Güter per Schiene an die Schweizer Grenze zu transportieren, welche den nationalen und internationalen Transportbedingungen entsprechen. Durch die Probleme mit den Nukleartransporten im vergangenen Jahr haben die SBB ihr Sicherheitsdispositiv für den Transport von gefährlichen Gütern jedoch verschärft. Die Absender der Ladung sowie die Aufsichtsbehörden haben den Nachweis zu erbringen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Die französischen Staatsbahnen (SNCF) müssen die Güterübernahme ab der Grenze garantieren und die Container sofort weiter transportieren. Ein Strahlenschutzfachmann begleitet neu jeden Transport und führt ein Protokoll sowohl zur Fahrt wie auch zu den Fahrtunterbrechungen. Zudem führt er ein umfangreiches Messprogramm durch und dokumentiert diese Daten. Der Strahlenfachmann fungiert als Schnittstelle zwischen dem SBB-Personal und den Auftraggebern während des gesamten Transportes. Nach dem Transportstopp für abgebrannte Brennelemente im letzten Jahr wurden 200 SBB-Mitarbeiter auf radioaktive Rückstände im Körper untersucht. Die radiologischen Ganzkörpermessungen ergaben, dass niemand einer unzulässigen Belastung ausgesetzt war. Trotzdem statten die SBB ihr beteiligtes Personal künftig mit Dosimetern aus und untersuchen es zweimal jährlich auf Strahlenschäden am ganzen Körper.
Grundauftrag
Wie Hauptmann Rudolf von Rohr, Chef der Sicherheits-Abteilung der Kantonspolizei Solothurn, erklärte, hat sich die Polizei insofern mit dem Abtransport der Brennelemente zu befassen, als erfahrungsgemäss eine Störung nicht ausgeschlossen werden kann. Gestützt auf ihren Grundauftrag habe die Kantonspolizei, im Rahmen der Verhältnismässigkeit und der personellen Mittel, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, Gefahren abzuwenden und Störungen zu beseitigen sowie Straftaten zu verhüten bzw. zu verfolgen.
Technik, Messung, Organisation
Damit die künftigen Transporte optimal sauber abgewickelt werden können, wurden von den Kernkraftwerken in den letzten Monaten in Zusammenarbeit mit Behörden und internationalen Partnern Massnahmen in drei Bereichen entwickelt. Erstens wurden zusätzliche technische Vorkehrungen wie die Verwendung einer neuartigen Schutzfolie zur Unterdrückung der radioaktiven Verschmutzung an schwierig zu reinigenden Behälterstellen beim Beladen unter Wasser beschlossen. Zudem werden die Behälter vor Antritt der Reise noch sorgfältiger gereinigt, teilweise mit neuen Geräten wie Dampfsaugern. Zweitens wird mit einem erweiterten Messprogramm die Strahlensauberkeit noch intensiver überwacht. Und drittens sollen zusätzliche administrative und organisatorische Massnahmen, namentlich das Einschalten unabhängiger Strahlenexperten und nicht zuletzt ein intensiviertes Meldewesen entlang der ganzen Transportkette, eine verstärkte, lückenlose Kontrolle gewährleisten. Bei der Medienorientierung erläuterten Hans-Jörg Nebiker, Hartmut Weitze und Francis Jeanmaire vom KKG mit Unterstützung direktbeteiligter Mitarbeiter vor Ort am Behälter die praktischen Arbeitsvorgänge sowie die Zusatzmassnahmen in Administration und Organisation.
Grundsätzlich gleich
Die getroffenen Massnahmen sind für alle vier Kernkraftwerke grundsätzlich die gleichen und unterscheiden sich bloss in speziellen Punkten von Werk zu Werk, wie Herbert Bay, Leiter der Hauptabteilung Kernbrennstoffe der Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK) ausführte. So verfügt das Kernkraftwerk Mühleberg als einziges über keinen Bahnanschluss und transportiert demzufolge seine Brennelemente per Lastwagen.
Massnahmen bewährt
Die Wirksamkeit der für die Schweizer Transporte getroffenen Massnahmen konnte Yves Brachet, Generaldirektor der Transnucléaire, aufgrund der in Frankreich seit Wiederaufnahme vor mehr als einem Jahr mit rund 170 Transporten gesammelten Erfahrungen bestätigen: Dank entsprechender Zusatzmassnahmen ist es in Frankreich gelungen, die Häufigkeit und das Ausmass von Transport-Verunreinigungen stark zu vermindern. Eine vollständige Verhinderung ist jedoch nicht erreichbar.
Zusammenfassung
Als Fazit für die Wiederaufnahme der Brennelement-Transporte hielt Hans Fuchs die folgenden Punkte fest:
- Bei den beanstandeten Transporten waren die Behälter-Aussenflächen wegen Mängeln beim Beladevorgang verunreinigt. Die Sicherheitsbehälter waren und sind dicht; sie erfüllten ihre Funktion, Bevölkerung und Bahnpersonal vor der radioaktiven Strahlung der Brennelemente im Innern der Behälter zu schützen, jederzeit vollauf.
- Die Transporte stellen kein Gesundheitsrisiko dar.
- Als Lehre aus den Mängeln bei früheren Transporten wurden
- technische Verbesserungen bei der Beladung und Entladung der Behälter
- ein erweitertes Strahlen-Messprogramm
- administrative und organisatorische Verbesserungen
beschlossen, welche künftig die Häufigkeit und das Ausmass von Überschreitungen des Transport-Grenzwertes sehr stark vermindern. Verunreinigungen in Einzelfällen können aber nicht ganz verhindert werden.