Lückenhafte Aktionspläne des Bundesrats zur Energiepolitik

An seiner Sitzung vom 20. Februar 2008 hat der Bundesrat seine vor Jahresfrist vorgestellte Energiepolitik konkretisiert und zwei Aktionspläne des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) zur Energieeffizienz und zu den erneuerbaren Energien verabschiedet. Im Zentrum steht eine Entwicklung, die dem Klimaproblem Rechnung tragen und die Abhängigkeit vom Erdöl vermindert soll. Offen bleibt, wie der Bundesrat die drohende Stromversorgungslücke schliessen will.

21. Feb. 2008

Klimapolitisches Ziel der vom Bundesrat verabschiedeten Aktionspläne ist, den Ausstoss von Treibhausgasen bis ins Jahr 2020 um mindestens 20% und bis 2050 um 50% zu senken - dies gegenüber dem Stand von 1990. Das bedeute im Schnitt eine jährliche Reduktion von 1,5%, schreibt dazu das Bundesamt für Energie (BFE). Aus heutiger Sicht dürfte die Schweiz die Vorgaben des in Kraft stehenden Kyoto-Protokolls - die Reduktion der Treibhausgase um 8% bis 2012 gegenüber dem Referenzjahr 1990 - erreichen, hält das BFE fest. Die Reduktionsziele des CO2-Gesetzes - die Senkung bereits im Jahr 2010 auf einen Wert, der 10% unter dem Stand von 1990 liegt - dürften jedoch verfehlt werden. «Die Ziellücke beträgt nach den heutigen Schätzungen 0,5 Mio. t CO2», schreibt das BFE.

Fünf Prozent mehr Strom bis 2020

Im Bereich der Stromversorgung will der Bundesrat mit den zwei verabschiedeten Aktionsplänen den Anstieg des Stromverbrauchs zwischen 2010 und 2020 auf maximal 5% begrenzen. Nach 2020 sehen die Aktionspläne «eine Stabilisierung des Stromverbrauchs» vor.

Hürden gegen Wasserkraftwerke

Die Steigerung um 5% bis 2020 entspricht - beim heutigen Stromverbrauch der Schweiz - mehr als 3 Mrd. kWh, die bis dahin zusätzlich produziert werden müssen. Dazu soll das geltende Gewässerschutzgesetz laut BFE «optimiert werden mit dem Ziel, die noch vorhandenen Potenziale der Wasserkraft nachhaltig zu nutzen».

Gemäss dem eben revidierten Energiegesetz sollen bis 2030 die erneuerbaren Energien 5,4 Mrd. kWh zusätzlich liefern, wobei davon 2 Mrd. kWh aus dem Ausbau der Wasserkraft stammen sollen. Allerdings ist am 3. Juli 2006 aus Fischerei- und Naturschutzkreisen die Volksinitiative «Lebendiges Wasser - Renaturierungsinitiative» eingereicht worden. Bei einer Annahme in der Volksabstimmung würde die Stromproduktion aus Wasserkraft generell erschwert.

Hürden gegen Gaskraftwerke

Gleichzeitig bekräftigt der Bundesrat seine im Februar 2007 vorgestellte Energiepolitik auf vier Säulen, die neben der Energieeffizienz und den erneuerbaren Energien auch den Ersatz und den Neubau von Grosskraftwerken fordert.

Allerdings hat die Landesregierung hohe Hürden gegen Gaskraftwerke errichtet: Moderne Gaskombikraftwerke von der gleichen Gesamtleistung wie die drei dienstältesten Schweizer Kernkraftwerke in Beznau und Mühleberg würden jährlich rund 3 Mio. t CO2 zusätzlich in die Atmosphäre ausstossen - das ist sechsmal so viel wie die heute vorhandene Ziellücke ausmacht. Nach heute geltendem Recht müssen die Betreiber diese Emissionen vollumfänglich kompensieren, wobei 70% der Kompensation in der Schweiz zu erfolgen hat. Dies verhindert faktisch den Bau von Gaskraftwerken in der Schweiz.

Hürden gegen Kernkraftwerke

Zum Bau neuer Kernkraftwerke als Ersatz für Beznau und Mühleberg und den ab 2018 auslaufenden Importverträgen mit Frankreich schreibt das BFE, dass Bewilligungsverfahren und Bau insgesamt 16 bis 18 Jahre erforderten, bevor erstmals Strom ans Netz abgegeben werden kann. Dieser Zeitbedarf könne im Rahmen des geltenden Kernenergiegesetzes praktisch nicht verkürzt werden. Bei der Verabschiedung der Aktionspläne hat jetzt der Bundesrat beschlossen, auf eine Revision des Gesetzes zur Beschleunigung der Verfahren zu verzichten.

Kraftwerksbauten im Ausland?

Als vierte Säule - neben Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und Grosskraftwerken - will der Bundesrat seine Energieaussenpolitik verstärken. Dabei soll nach Angaben des BFE unter anderem geprüft werden, wie im Rahmen der Verhandlungen mit der EU «die Versorgungssicherheit der Schweiz durch eigene Kraftwerke und Übertragungsleitungen an geeigneten Standorten im Ausland verbessert werden kann».

Bei der Präsentation der bundesrätlichen Energiestrategie vor Jahresfrist hatte Bundesrat Moritz Leuenberger erklärt, dass Stromimporte für die Schweiz keine Lösung seien, da unsere Nachbarländer vor denselben Versorgungsproblemen stehen wie die Schweiz.

Erstaunen bei der Stromwirtschaft

Befremdet haben die schweizerischen Stromverbundunternehmen auf die Aktionspläne des Bundesrats reagiert. «Mit Erstaunen hat Swisselectric zur Kenntnis genommen, dass die Landesregierung zu einer Säule - dem Bau von Kernkraftwerken und Gaskombikraftwerken - nur eine sehr lückenhafte Strategie und keinen Massnahmenplan vorlegt», schreibt der Branchenverband.

Swisselectric erwartet vom Bundesrat, dass er zum Bau von Kernkraftwerken und Gaskombikraftwerken ebenfalls konkrete Massnahmenpläne vorlegt. Darin müsse er aufzeigen, wie er die Bewilligungsverfahren für den Bau von Kernkraftwerken beschleunigen wolle. Swisselectric ist überzeugt, dass - mit dem guten Willen aller Beteiligten - eine Optimierung möglich ist. Zudem seien die Rahmenbedingungen für den Bau von Gaskombikraftwerken so auszugestalten, dass ein wirtschaftlicher Betrieb in der Schweiz möglich sei.

Stromverbrauch wird stärker steigen

Die Stromverbundunternehmen bemängeln zudem, dass die Annahmen zur Entwicklung der Stromnachfrage unrealistisch seien. Der Stromverbrauch in der Schweiz habe - trotz aller gegenteiligen Bemühungen - zwischen 2000 und 2006 um 10% zugenommen. «Dieser Trend wird sich fortsetzen», hält Swisselectric fest. «Sowohl die Wirtschaft wie die Bevölkerung und deren Komfortansprüche wachsen weiter. Die Förderung der Energieeffizienz führt zudem unweigerlich zu einer Verbrauchszunahme, insbesondere wenn fossile Brenn- und Treibstoffe durch Strom ersetzt werden (Zunahme der Anzahl Wärmepumpen, Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Zunahme von Elektro- und Hybridautos)».

«Schweizer» Kraftwerke im Ausland keine Lösung

Als «unrealistisch und unehrlich» bezeichnet Swisselectric die Option, Kraftwerke im Ausland zur Sicherstellung der inländischen Stromversorgung zu bauen. Stromimporte seien aufgrund der EU-Wettbewerbsregelungen bereits heute wegen knapper grenzüberschreitender Netzkapazitäten sowie einer ebenfalls absehbaren Stromlücke in den EU-Ländern keine zuverlässige Strategie. Zudem werde es sich bei Kraftwerken im Ausland um Gas- und Kohlekraftwerke handeln, die ihre CO2-Emissionen - im Gegensatz zu Gaskombikraftwerken in der Schweiz - nicht vollständig kompensieren müssen.

Quelle

M.S. nach BFE, Medienmitteilung und Faktenblätter, sowie Swisselectric, Medienmitteilung, 21. Februar 2008

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