Kritik von links bis rechts zur Energiestrategie 2050

Das am 18. April 2012 vorgestellte erste Massnahmenpaket des Bundesrats zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 stösst mehrheitlich auf harsche Kritik.

20. Apr. 2012

Mit Ausnahme der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) haben sich bereits alle in der Landesregierung vertretenen Bundesratsparteien zum ersten Massnahmenpaket des Bundesrates geäussert.

BDP: Massnahmenpaket diffus, mutlos und nicht zielführend

Die Bürgerlich-Demokratische Partei Schweiz (BDP) sei mit dem ersten Massnahmenpaket für die Energiestrategie 2050 überhaupt nicht zufrieden, schreibt sie in einer Medienmitteilung. Sie findet, der Bundesrat sei die Aufgabe falsch angegangen, und fordert wie bereits in der Fraktionsmotion vom April 2011 die Einsetzung einer Expertenkommission. Die BDP ist überzeugt, dass eine solche Kommission all die wichtigen Parameter wie die Unabhängigkeit von der Kernenergie, die Unabhängigkeit vom Ausland und die CO2-Neutralität ebenso wie die Wirtschaftlichkeit und die Versorgungssicherheit besser eruieren könnte. Die BDP betont, sie stehe nach wie vor voll und ganz hinter dem Kernenergieausstieg und werde alles dafür tun, dass dieser auch umgesetzt werden könne und werde.

SVP fordert realistische Energiepolitik

Auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist von den bundesrätlichen Massnahmen wenig überzeugt. Sie ist der Auffassung, dass weder die erneuerbaren Energieträger Wind und Sonne noch der Ausbau der Wasserkraft oder eine verstärkte Energieeffizienz es schaffen werden, den 40%igen-Anteil der Kernenergie in nächster Zeit zu ersetzen. «Kein Wunder, sollen nun Gaskraftwerke in die Bresche springen, mit ihren allseits bekannten Nachteilen», moniert die SVP. Sie fordert den Bundesrat auf, seine Energiestrategie zu überdenken und im Verlauf des Jahres ein Konzept vorzulegen, das eine sichere und planbare Energieversorgung ermöglicht. Auf das Prinzip Hoffnung könnten weder Bürger noch Wirtschaft bauen.

FDP: Weichenstellungen in die völlig falsche Richtung

«Die enormen Kosten und volkswirtschaftlichen Auswirkungen werden verharmlost, die Massnahmen bleiben vage.» Das ist das erste Fazit der Freisinnig-demokratischen Partei-Die Liberalen Schweiz (FDP). Aufgrund «nebulöser, schönfärberischer» Annahmen werde ein Massnahmenpaket erarbeitet, das Planwirtschaft und Subventionen statt Markt und Innovation in den Vordergrund stelle, so die FDP weiter. Auch der Atomausstieg sei eine Mogelpackung: Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) rechne mit vielen Gaskraftwerken – und damit massivem CO2-Ausstoss – und träume nur von erneuerbaren Energien. Der Umbau der Energieversorgung kann laut FDP gelingen. Schlüssel dazu seien «mehr erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz, weniger Bürokratie, Vertrauen in den technologischen Fortschritt und mehr Markt».

CVP: für Gas-Kombikraftwerke als Überbrückungslösung

Als einzige in der Landesregierung vertretene Partei steht die Christlich-demokratische Volkspartei Schweiz (CVP) hinter dem Massnahmenpaket. Der Bundesrat habe einen «pragmatischen und gangbaren Weg» aufgezeigt, wie die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz nach dem Entscheid zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie gewährleistet werden könne. «Gas-Kombikraftwerke sind das kleinere Übel als Kernkraftwerke», meint Nationalrat Christophe Darbellay, Parteipräsident der CVP. Im Gegensatz zur Mutterpartei steht die Junge CVP Schweiz dem Bau von Gaskraftwerken kritisch gegenüber und verlangt, dass keine falschen Anreize geschaffen werden. Den CO2-Ausstoss im Inland zu reduzieren sei ebenso wichtig wie der Atomausstieg.

Grüne Partei und Umweltverbände gegen Gaskraftwerke

Die Grüne Partei der Schweiz zeigt sich erfreut, dass der Bundesrat am Atomausstieg festhält und lobt seine Stossrichtung. Die Grünen sind für den dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien, jedoch gegen den Bau von Gaskraftwerken und wollen, dass das Stimmvolk darüber an der Urne entscheiden kann. Sie fordern den Bundesrat daher auf, einen separaten Erlass über die Gaskraftwerke vorzulegen.

Kritik an den geplanten Gaskraftwerken kommt auch von den Umweltverbänden. Der Vorschlag des Bundesrats sei «nicht akzeptabel», schreiben sie in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Statt eines oder mehrerer Gaskraftwerke brauche die Schweiz mehr Energieeffizienz und mehr Solarstrom.

Wirtschaft bemängelt fehlende Klarheit

Für den Wirtschaftsdachverband economiesuisse lässt der Bundesrat zu viele Fragen unbeantwortet. Die Machbarkeit der Energiewende bleibe offen. Der Verband kritisiert, der Bundesrat überschätze das Einsparpotenzial beim Strom mit über 21 TWh massiv. Die Energie-Agentur der Wirtschaft habe aufgezeigt, dass die Schweizer Unternehmen bis 2050 ein Stromeffizienzpotenzial von rund 7 TWh aufwiesen. Laut economiesuisse sind die Prognosen auch auf der Produktionsseite zu optimistisch. Das gelte sowohl für die Wasserkraft als auch für die neuen erneuerbaren Energien. Die economiesuisse ist der Auffassung, die zu erwartenden höheren Kosten – insbesondere die Erhöhung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) und die CO2-Abgabe – würden die Standortattraktivität der Schweiz schwächen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Der Verband verlangt – wie die BDP – die Einsetzung einer breit abgestützten Expertenkommission, um eine kohärente Gesamtenergiestrategie zu gewährleisten. Dabei sollen auch klima- und geopolitische Aspekte mitberücksichtigt werden. Die Wirtschaft sei bereit, ihren Beitrag zu leisten, so die economiesuisse.

Auch die Dachorganisation der Schweizer KMU – der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) – fordert mehr Klarheit. «Trotz aller Bekenntnisse zu Technologie, Effizienz und Wirtschaftlichkeit bleiben die wichtigsten Fragen unbeantwortet, nämlich jene der Versorgungssicherheit und der erwarteten Kosten», schreibt der SGV. Er fordere eine klare Offenlegung dieser beiden zentralen Aspekte. Es genüge nicht, Absichtserklärungen abzugeben, selbst wenn diese teilweise durchaus hoffnungsvoll erschienen. In vielerlei Hinsicht fehle die Konkretisierung.

Quelle

M.A. nach BDP, SVP, FDP, CVP, Junge CVP, Grüne, Greenpeace, economiesuisse, SGV und Energie-Agentur der Wirtschaft, Medienmitteilungen, 18. April 2012

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Zur Newsletter-Anmeldung

Profitieren Sie als Mitglied

Werden Sie Mitglied im grössten nuklearen Netzwerk der Schweiz!

Vorteile einer Mitgliedschaft