Kernenergieersatz durch forcierten Ausbau der Photovoltaik, Wärme-Kraft-Kopplung und forcierte Verbesserung der Effizienz bei der Stromnutzung
Was kostet es die Schweizer Volkswirtschaft, die Kernkraftwerke gemäss den im Herbst 1999 eingereichten zwei neuen Antiatom-Initiativen vorzeitig abzuschalten? Vor rund einem Jahr wurde eine erste umfassende wirtschaftswissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema veröffentlicht. Am 16. Januar 2001 sind an einer Medienkonferenz der schweizerischen Kernkraftwerke in Bern die Resultate von Teil II dieser Studie vorgestellt worden, die weitere Szenarien für einen möglichen Kernenergieersatz und deren Kostenfolgen beleuchtet.
Begrüssung und Einleitung
Dr. Hans Fuchs, Leiter Thermische Produktion der Aare-Tessin AG für Elektrizität, Mitglied des Unterausschusses Kernenergie der Überlandwerke und Vizepräsident der SVA
Meine Damen und Herren
Ich begrüsse Sie im Namen der Schweizer Kernkraftwerke, genauer gesagt als Mitglied des Unterausschusses Kernenergie (UAK). Der UAK koordiniert gemeinsame Anliegen der Kernkraftwerke im Auftrag des Ausschusses der Überlandwerke (UeWA).
Wir hatten anlässlich einer Medienkonferenz am 22. Februar 2000 über ein Gutachten berichtet, das eine Antwort gab auf die Frage: Welche Auswirkungen hätte ein Ausstieg der Schweiz aus der Kernenergie? Die Gutachter Pfaffenberger und Borner kamen zum Schluss, dass ein Ausstieg gemäss den Intentionen der Initiative ?Strom ohne Atom? zu volkswirtschaftlichen Kosten von mindestens 40 Milliarden Franken führen würde, wenn man die Kernkraftwerke durch Gaskraftwerke ersetzt.
Aufgrund verschiedener Fragen und Anregungen zu diesem 1. Teil des Gutachtens haben wir Prof. Pfaffenberger gebeten, in einem Teil II zu untersuchen, wie weit sich die Kernkraftwerke in der Schweiz durch den forcierten Einsatz von Sonne- und Windkraftwerken, resp. durch forciertes Stromsparen ersetzen liessen.
Um Sie nicht auf die Folter zu spannen: die Kurzantwort lautet: nicht sehr weit! Doch der Reihe nach: Schon in Teil I hatten wir drei Szenarien vorgegeben:
- ?Strom ohne Atom?: Abstellen der KKW zwei Jahre nach Annahme der Initiative, resp. nach 30 Jahren Betrieb.
- ?Moratorium Plus?: Annahme, dass die KKW nach 40 Betriebsjahren abgestellt werden.
- ?Referenzfall?: Beznau und Mühleberg 50 Jahre, Gösgen und Leibstadt 60 Jahre Betrieb.
Wie erwähnt, hatten wir in Teil I dabei die Variante ?Ersatz durch Gaskraftwerke? gewählt. Im Teil II kommen nun dazu die Varianten
- Forcierter Ausbau Photovoltaik und Wind (?PV?)
- Forcierte Verbesserung der Effizienz bei der Stromnutzung (?Effizienz?),
- jeweils mit Einsatz von viel Wärme-Kraft-Kopplung (WKK).
Prof. Dr. Wolfgang Pfaffenberger liest an den Universitäten Bremen und Oldenburg und hat als Direktor des ?bremer energie instituts? u.a. Ausstiegsfolgen für Deutschland sowie den Einsatz von Wärme-Kraft-Kopplung untersucht.
Prof. Dr. Silvio Borner ist Ordinarius für Nationalökonomie und Leiter der Abteilung Angewandte Wirtschaftsforschung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universität Basel.
Über die Ergebnisse wird nun Prof. Dr. Pfaffenberger berichten, gefolgt von wirtschaftlichen und politischen Schlussfolgerungen von Prof. Dr. Borner sowie einem Kommentar des Sprechenden.
Kurzfassung der Studie
Prof. Dr. Wolfgang Pfaffenberger, Direktor des Bremer Energie-Instituts an der Universität Bremen und Dozent am Institut für Volkswirtschaftslehre I der Universität Oldenburg
Im Februar 2000 wurde ein Gutachten zu den Kosten des Ausstiegs aus der Kernenergie für die Schweiz veröffentlicht. In diesem Gutachten wurde der Ausstieg auf der Basis der billigst möglichen alternativen Erzeugung von Strom für den wegfallenden Strom der Kernkraftwerke bewertet. Die Kosten des Ausstiegs aus der Kernenergie bestehen aus drei Komponenten:
- Kosten der Kapitalvernichtung
Diese Kosten ergeben sich aus der Tatsache, dass sicher zu betreibende Anlagen vor dem Ende ihrer Lebensdauer abgeschaltet werden. Diese Kosten werden bewertet, indem gefragt wird, zu welchen Kosten die noch möglich Produktion der Kernkraftwerke alternativ erzeugt werden könnte. - Gaspreisrisiko
Bei Gas als Brennstoff in Ersatzkraftwerken für die Kernkraftwerke besteht ein Preisrisiko. Der Gaspreis ist derzeit an den Ölpreis gebunden, der sich aufgrund vielfältiger Einflussfaktoren auf dem Weltmarkt auch kurzfristig stark verändern kann. Das Risiko wird bewertet, indem einem langfristig konstanten Gaspreis ein Fall mit steigendem Gaspreis gegenüber gestellt wird. Dabei wurde als Ausgangsbasis ein niedriger Gaspreis unterstellt, der von der Preisentwicklung am Brennstoffmarkt bereits deutlich überholt wurde (der Gaspreis hat sich gegenüber dem zugrundegelegten Referenzpreis heute nahezu verdoppelt). - Emissionsvermeidung
Bei Einsatz von Brennstoffen zur Stromerzeugung anstelle von Kernkraft entstehen zusätzliche
Emissionen insbesondere von Stickoxiden (NOx) und dem Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Im Hinblick auf beide Emissionen bestehen umweltpolitische Zielsetzungen zur Begrenzung bzw. Reduktion. Produziert der Kraftwerksektor, der bisher diese Emissionen nicht abgegeben hat, solche Emissionen, müssen in der Volkswirtschaft an anderer Stelle diese Emissionen vermieden werden.
Gegen die Studie wurde seinerzeit eingewandt, Ziel des Ausstiegs sei es nicht, Kernenergie durch fossile Brennstoffe zu ersetzen, vielmehr sollten in der zukünftigen Energieversorgung in wesentlich stärkerem Umfang erneuerbare Energieträger wie Photovoltaik und Windenergie eingesetzt werden und es sollte verstärkt durch gezielte Einsparinvestitionen in Zukunft Stromverbrauch vermieden werden.
Diese beiden Optionen wurden nun zusätzlich untersucht. Bei den erneuerbaren Energieträgern besteht aufgrund ihres derzeitigen technischen Entwicklungstandes zum Teil noch eine erhebliche Unsicherheit im Hinblick auf die künftige Kostenentwicklung.
In diesem Gutachten wurde ein Szenario entwickelt, bei dem bewusst von einer sehr günstigen Entwicklung der Kosten der erneuerbaren Energieträger ausgegangen wird, um die Eignung dieser Energieträger als Ersatz für Kernkraftwerke für den Fall zu analysieren, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen dieser erneuerbaren Energieträger in Zukunft erheblich verbessern. (Zu den Annahmen der Studie siehe Schluss der Kurzfassung.)
Untersucht wurden zwei Varianten: In der ersten Variante findet ein forcierter Ausbau der Photovoltaik bis zu einer Leistung von 3 Mio. kW statt (entspricht etwa der heutigen Leistung der Kernkraftwerke). Dazu kommt ein Ausbau der Windenergie bis zu 1 Mio. kW.
Alternativ zur Photovoltaik wird in der zweiten Variante eine forcierte Verbesserung der Effizienz bei der Stromnutzung vorgesehen.
Beim Einsatz von Photovoltaik/Wind muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass diese Energieträger entsprechend den natürlichen Gegebenheiten (Tages-/Jahreszeit, Wetter etc.) stark schwankende Beiträge zur Energieversorgung liefern. Es muss daher durch zusätzliche Anlagen ein Ausgleich erfolgen. Dafür sind in der Studie Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlagen vorgesehen. Die Ausnutzung der Kraftwerkskapazität bei den erneuerbaren Energieträgern ist entsprechend den Sonnen- und Windbedingungen relativ niedrig (bei der Sonne beträgt die Jahresverfügbarkeit ca. 10%, bei Wind ca. 12%). Aus diesem Grunde erfordert eine kontinuierliche Energieerzeugung entsprechend den Wünschen der Verbraucher erhebliche zusätzliche Beiträge aus der Wärme-Kraft-Kopplung.
Diese Bedingungen, die mit Hilfe eines stundengenauen Simulationsmodells für die Schweiz sehr gründlich analysiert wurden, führen zu den im Folgenden erläuterten Kosten des Ausstiegs. Es handelt sich jeweils um die zusätzlichen Kosten gegenüber dem Weiterbetrieb der Kernkraftwerke.
Im Referenzfall bei voller Ausnutzung der Restkapazität der Kernkraftwerke fallen keine Ausstiegskosten an.
Werden KKW durch forcierten Ausbau der Photovoltaik und Windenergie ersetzt, betragen die gesamten Ausstiegskosten bis zum Jahre 2045 je nach Ausstiegsvariante bis zu 62,1 Mrd. Franken.
Wird die effizientere Stromnutzung durch Investitionen in verbesserte Stromanwendungstechniken forciert, betragen die Ausstiegskosten bis zu 47,6 Mrd. Franken.
Werden KKW vorzeitig durch Gaskraftwerke ersetzt, betragen die Kosten des Ausstiegs bis zu 40,1 Mrd. Franken.
Alle drei Ausstiegsvarianten (auch die Variante mit hohem Einsatz der Photovoltaik und Wind) schneiden unter ökologischen Gesichtspunkten (Emission von CO2 und Stickoxiden) erheblich schlechter ab als der Referenzfall.
Das Gaspreisrisiko und die Kosten der Vermeidung zusätzlicher Emissionen sind beim Einsatz der regenerativen Energien bzw. der Verbesserung der Stromeffizienz niedriger als beim Ersatz der Kernkraftwerke durch Gaskraftwerke. Insgesamt ergeben sich aber dennoch ganz erheblich höhere Kosten des Ausstiegs. Im Verhältnis der Varianten ist die Energieeinsparung wesentlich günstiger als der Einsatz von Photovoltaik in grossem Stil.
Das Motiv für den Einsatz insbesondere der regenerativen Energieträger ist die Verbesserung der Umweltbilanz. Da jedoch Kernenergie selbst keine CO2-Emissionen oder Emissionen von Stickoxiden aufweist und beim Einsatz der regenerativen Energie in erheblichem Umfang Gas in den WKK-Anlagen eingesetzt werden muss, entstehen auch hier zusätzliche CO2-Vermeidungskosten gegenüber der Kernenergienutzung selbst. Sie sind immerhin noch etwa halb so hoch wie beim kostengünstigsten Ersatz der KKW durch Gaskraftwerke.
Wesentliche Annahmen:
- Starke Kostensenkung für photovoltaische Zellen von 6050 Fr./kW auf 1122 Fr./kW im Jahr 2045.
- Kostensenkung der übrigen Systemkosten der Photovoltaik von heute 4950 Fr./kW auf 3940 Fr./kW.
- Zubau von PV-Anlagen im Modell so spät wie möglich, um möglichst Kosten zu sparen.
- Verbesserung der Wirkungsgrade von WKK-Anlagen und Rückgang der spezifischen Investitionen bei diesen Anlagen.
- Basisjahr für Gaspreis 1998 (der Gaspreis am Ende des Jahres 2000 ist nahezu doppelt so hoch).
- Keine Entsorgungskosten für photovoltaische Anlagen (im Endausbau sind ca. 1,4 Mio. m2 pro Jahr zu ersetzen).
- Keine Berücksichtigung der Netzkosten für leitungsgebundene Wärme bei der Wärmeversorgung aus WKK-Anlagen (Annahme: anlegbarer Wärmepreis deckt diese Kosten; insbesondere bei neuen Wärmnetzen ist dies eher unwahrscheinlich)
- Strombedarf bleibt konstant, ohne dass zusätzliche Einsparkosten entstehen.
- Speicherwasserkraft wird nachrangig eingesetzt.
- Die Erzeugung aus Speicherwasserkraftwerken wird daher bei hohem Anfall von Sonnenenergie in die Schwachlastzeit verschoben. Die Speicherwasserkraft verliert dadurch an Wert. Dies wurde bei der ökonomischen Bewertung nicht berücksichtigt.
- Der hohe Einsatz von Photovoltaik erhöht das Strompreisniveau. Es entsteht ein Preisgefälle zum Ausland. Dies erfordert Ausgleichsmassnahmen, die zu volkswirtschaftlichen Verzerrungen führen. Solche Effekte wurden nicht analysiert und einbezogen.
Wirtschaftliche und politische Schlussfolgerungen
Prof. Dr. Silvio Borner, Ordinarius für Nationalökonomie, Leiter der Abteilung Angewandte Wirtschaftsforschung des Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrums der Universität Basel
Studie I: Ausstiegskosten bis zu 40 Milliarden Franken
Im ersten Teil wurde aufgezeigt, dass die Annahme der Initiativen ?Strom ohne Atom? und/oder ?Moratorium plus? einen volkswirtschaftlichen Schaden von 28 bis 40 Milliarden Franken zur Folge hätte. Diese Kostenberechnung ist das absolute, nicht reduzierbare Minimum (Rock Bottom) für den Fall des Ersatzes der Kernkraftwerke durch die wirtschaftlich billigste Alternative, d.h. durch Gas-und-Dampf-Kraftwerke. Diese volkswirtschaftlichen Verluste haben drei Komponenten
- direkte Kapitalvernichtung von Produktionskapazität (Erdbeben-Effekt),
- Kosten des Gaspreisrisikos (Preis-Effekt),
- Kosten der zusätzlichen CO2-Freisetzung (Umwelt-Effekt).
Studie II: Erneuerbare Energien statt Gas
Gegenüber diesem Ergebnis wurden folgende ernstzunehmende Einwände erhoben:
- Die Initianten von ?Strom ohne Atom? und ?Moratorium plus? wollen sicher nicht die Kernkraftwerke durch fossil befeuerte Gas-und-Dampf-Werke ersetzen, sondern durch Erneuerbare Energien und/oder durch Erhöhung der StromEffizienz.
- Die Studie belastet einseitig die fossilen Gas-und-Dampf-Ersatz-Werke mit externen Kosten (CO2, NOX) und vernachlässigt die externen Kosten der Kernkraftwerke (Stilllegung, Lagerung der radioaktiven Abfälle, psychologische Ängste).
Forcierung von Photovoltaik, Wind und Sparen
Die zweite Studie nimmt primär den ersten Kritikpunkt auf und berechnet wiederum als Rock-Bottom-Szenarium die Kosten des Ausstiegs ohne Gas-und-Dampf-Werke für die Varianten Alternativ-Energien bzw. Erhöhung der Stromeffizienz. Dabei ist klarzustellen, dass bereits in der ersten Studie die Entwicklung der Erneuerbaren Energien sowie der Stromsparpotentiale insoweit explizit berücksichtigt worden sind, als sie technisch möglich und ökonomisch sinnvoll erscheinen. Die beiden neuen Szenarien bedeuten daher eine politische Forcierung von Photovoltaik, Wind und Stromeinsparung. Zur Abdeckung des Strombedarfs ist dann auch ein erheblicher Ausbau der Wärme-Kraft-Kopplung erforderlich, so dass auch in diesen Szenarien in hohem Umfang fossile Energieträger zum Ersatz der Kernkraft notwendig sind.
Ausstiegskosten aus Studie II: Bis 62 Milliarden Franken
Die Kosten dieser zwei neuen Varianten sind daher logischerweise beträchtlich höher als im ersten Teil. Statt von einer Bandbreite von 28 bis 40 Mrd. Fr. geht es jetzt um eine solche von 33 bis 62 Mrd. Fr., wobei vor allem die Kosten der Kapitalvernichtung verstärkt zu Buche schlagen. Eine mögliche dritte Variante, nämlich der schrittweise Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke nach Ablauf ihrer Lebensdauer durch neue Kernkraftwerke, wurde nicht durchgerechnet, weil dies im Moment kein Thema ist. Dem Bundesrat ist jedoch voll zuzustimmen, dass diese Option für die Zukunft unter allen Umständen offen bleiben muss. Ebenso ist dem Bundesrat beizupflichten, dass im revidierten Atomgesetz keine zeitliche Beschränkung der Betriebsdauern von Kernkraftwerken festzuschreiben sei. Wer jetzt schon fixe Daten für die Abschaltung der Kernkraftwerke verlangt, muss seine Stimme den Initiativen ?Strom ohne Atom? und/oder ?Moratorium plus? geben.
Ausstieg bringt mehr Treibhausgase
Damit sind wir beim zweiten Kritikpunkt angelangt: den Gas-und-Dampf-Kraftwerken bzw. der Wärme-Kraft-Kopplung würden ihre externen Kosten (CO2, NOx) angelastet, den Kernkraftwerke jedoch die ihrigen nicht.
Dieser Vorwurf trifft so nicht zu. Unbestreitbar ist und bleibt, dass der Übergang von einer CO2-freien Stromversorgung bei einem Ersatz von Kernkraftwerken durch Gas-und-Dampf-Kraftwerke oder Wärme-Kraft-Kopplung zur Emission von mehr Treibhausgasen führen muss. Die entsprechenden Klimakosten wurden gleich wie vorher beim absoluten Minimum festgesetzt.
Demgegenüber sind die externen Klimakosten der Kernkraftwerke praktisch gleich Null. Im Gegensatz zur Wasserkraft und vor allem auch der Photovoltaik sind bei den Kernkraftwerken die Kosten des Rückbaus zum einen und der Lagerung der Abfälle zum anderen durch einschneidende Vorschriften und entsprechende Kostenzuschläge effektiv internalisiert.
Als einzige externe Kosten der Kernkraft verbleiben Katastrophenrisiken über dem maximalen Versicherungswert sowie die psychologischen Ängste.
Sonne und Wind: Backup (Reserve) verdoppelt Investitionsaufwand
Sonne und Wind sind wundervolle Energiequellen für die Menschheit. Leider sind sie jedoch als zentrale Stützen eines Stromnetzes schlicht und einfach nicht tauglich. Dies aus drei Gründen:
- Strom kann nicht gespeichert/gelagert werden, d.h. Angebot und Nachfrage müssen in jeder Sekunde ausgeglichen sein. Ist das nicht der Fall, entstehen wertlose Überschüsse oder folgenschwere Blackouts.
- Photovoltaik und Wind sind nur zu ca. 10% der Zeit verfügbar und darüber hinaus bezüglich Einspeisung nicht planbar. Solange ein hoher Sockel von Kernenergie rund um die Uhr übers ganze Jahr die Grundversorgung sicherstellt, ist die marginale Einspeisung von Strom aus nichtplanbaren Quellen wie Photovoltaik oder Wind technisch machbar und ökonomisch sinnvoll.
- Aus den beiden ersten Punkten folgt, dass die Kernenergie (ca. 40% der Schweizer Stromproduktion) nur durch planbare fossile Werke ersetzt werden kann. Mit anderen Worten, hinter jeder Photovoltaik-Anlage oder jedem Wind-Konverter muss als ?Backup? (Reserve) ein fast so grosses Gas-und-Dampf-Werk oder Wärme-Kraft-Kopplungs-Werk aufgestellt werden. Dieser doppelte Investitionsaufwand ist der wichtigste Grund für die wesentlich höheren Kosten im Vergleich zur Gas-und-Dampf-Variante.
KKW-Abschaltung nur zu einem stolzen ökonomischen und ökologischen Preis möglich
Die Kosten des Ausstiegs sind - wie bereits erwähnt - zum absoluten Minimum eingestellt worden. Darüber hinaus sind sie jedoch unvermeidbar bzw. unreduzierbar. Oder anders gesagt: Ausser den nicht-monetären Vermeidungsvorteilen von Kernenergie gibt es gegenüber diesen Zusatzkosten nichts, aber auch gar nichts Positives aufzurechnen. Die beliebten Milchmädchenrechnungen mit zusätzlich ausgelösten Investitionen, neuen Arbeitsplätzen etc., etc. sind wissenschaftlich unhaltbar. Da die entsprechenden Ressourcen ja politisch gewollt unwirtschaftlich eingesetzt würden, hätte eine wirtschaftlich effizientere Verwendung auch die besseren indirekten Auswirkungen. Deshalb nochmals als Moral von der Geschichte: Man kann die Kernkraftwerke abstellen und durch eine Kombination von forcierten erneuerbaren Energien, Stromeinsparungen und WKK ersetzen. Aber eben nur zu einem stolzen ökonomischen und ökologischen Preis. Analog zu den Energiesteuern sind keine ?Zweiten Dividenden? auszumachen - ausser man verlasse sich nicht auf die bewährte Wirtschaftstheorie sondern auf Subventionsjäger-Latein.
Forcierung von Sonne und Wind schwächt Wasserkraft aus Speicherkraftwerken
Die extreme Forcierung von Photovoltaik und Wind bis an die oberste ökonomische Schmerzgrenze von 3 Gigawatt bzw. 1 Gigawatt verursacht nicht nur hohe Investitionskosten und (hier nicht berücksichtigte) externe Kosten, sondern schwächt die Wasserkraft aus Speicherwerken. Ersetzt man nämlich kontinuierlich verfügbare Bandenergie aus Kernkraftwerken mit fluktuierender Einspeisung aus Photovoltaik und/oder Wind, so muss die heute zeitlich frei verfügbare Speicherenergie zur technischen Lückenbüsser-Funktion zurückgestuft werden. Statt teuren Spitzenstrom müssten die Speicherwerke nachrangigen Lückenstrom liefern. Damit werden die entsprechenden Anlagen ökonomisch teilentwertet. Es entstehen echte NAI. Demgegenüber sind Photovoltaik und Kernkraftwerke komplementär. Je mehr zuverlässige Bandenergie da ist, desto besser die Chance für die Erneuerbaren!
Man kann auch zu viel Strom sparen
Der gemeinsame Nenner der beiden neuen Varianten ist ein Kapazitätsaufbau von Wärme-Kraft-Kopplung, der die heute installierte Leistung der Kernkraftwerke von 3 Gigawatt übersteigt. Dies wäre ökonomisch und ökologisch eine Entwicklung in die falsche Richtung, weil die schweizerische Stromproduktion heute CO2-frei ist. Den Stromverbrauch über das ökonomisch effiziente Ausmass hinaus zu drosseln, ist für die Wirtschaft und die Umwelt kontraproduktiv. Es stimmt einfach nicht, dass die billigste und beste Kilowattstunde die Nicht-Produzierte ist. Man kann nämlich auch zu viel Strom sparen und damit indirekt die fossilen Energieträger subventionieren, den technischen Fortschritt verlangsamen oder produktive Investitionen behindern. Die volkswirtschaftlichen Kosten des forcierten Stromsparens können so dessen Nutzen sehr wohl übersteigen.
Wärme-Kraft-Kopplung:Hohe Investition in Überkapazitäten
Die Wärme-Kraft-Kopplung ist einerseits wegen des relativ hohen technischen Wirkungsgrades an sich attraktiv. Andererseits erfordert sie hohe Investitionen in Überkapazitäten und hat zusätzlich zum CO2 noch andere externe Kosten (Aufbau von Wärmenetzen). Nebst dem privaten Verkehr bietet sich die Wärmedämmung von Gebäuden als zweiter, zentraler Ansatzpunkt für die Einsparung fossiler Energieträger an. Je besser die Wärmedämmung von Gebäuden, desto ineffizienter die Wärmeverbundnetze! Wärmedämmung in Kombination mit dezentralen Wärmepumpen und/oder Alternativheizungen ist daher aus wirtschaftlicher Sicht der bessere Ansatz als der aufwändige Aufbau von neuen Wärmenetzen.
Strompreisinsel Schweiz durch Verteuerung der Stromproduktion
Die europäische Liberalisierung des Strommarktes wird auch an der Schweizergrenze nicht Halt machen. Die in der Studie vorgestellten Varianten müssten wegen der beträchtlichen Verteuerung der Stromproduktion zu einer ?Strompreisinsel Schweiz? führen. Diese könnte dem Ansturm durch die internationale Konkurrenz nicht standhalten, es sei denn, man würde einen Schutzwall aus neuen Regulierungen und Subventionen errichten. Dies wiederum hätte jedoch weitere volkswirtschaftliche Kosten zur Folge.
Die Meinung der Elektrizitätsunternehmungen in 5 Thesen
Dr. Hans Fuchs, Leiter Thermische Produktion der Aare-Tessin AG für Elektrizität, Mitglied des Unterausschusses Kernenergie der Überlandwerke und Vizepräsident der SVA.
- Wir sind mit keiner Energieform verheiratet
Anlässlich unserer Medienkonferenz vom 22. Februar 2000 zum Teil I dieses Gutachtens hat der Direktionspräsident der Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK), Dr. Peter Wiederkehr, sinngemäss erklärt: ?Die Stromerzeuger sind auf keine bestimmte Energie fixiert; sie produzieren nach wirtschaftlichen, nicht nach ideologischen Kriterien?.
Ich möchte das noch etwas plakativer formulieren: Wir sind mit keiner Energieform, auch nicht mit der Kernenergie, verheiratet. Wir produzieren Kilowattstunden, nicht Glaubensbekenntnisse. - Sind wir faktisch aber doch mit der Kernenergie
verheiratet?
Die Ergebnisse des Gutachtens (Teil I und Teil II) sind ernüchternd: Auch bei günstigst angenommenen Umständen lassen sich unsere Kernkraftwerke nur mit grossen Kosten und gravierenden Folgen für Umwelt und Klima ersetzen. Faktisch sind wird damit für die nächsten Jahrzehnte halt doch mit der Kernenergie verheiratet. - Wer Sonne will, landet bei Gas und Öl
Teil II zeigt, dass man zwar leistungsmässig die Kernkraftwerke durch Photovoltaik-Anlagen ersetzen könnte. Der produzierte Solarstrom entspräche aber - trotz der ernormen Kosten von 50 bis 60 Milliarden Franken - nur etwa der Stromerzeugung des KKW Mühleberg, d.h. Beznau, Gösgen und Leibstadt würden trotz dieser ?solaren Anbauschlacht? durch Gas und Öl ersetzt. - Sonne und Wind richten sich nicht nach dem Strombedarf, haben aber trotzdem ihren Platz
Strom aus Sonne und Wind ist nicht planbar. In unserem Mix von ca. 60% teilweise flexibler Wasserkraft und 40% Kernenergie ist aber situativ durchaus Platz für Solar- und Windstrom, wenn unsere Kunden dies wünschen und - bezahlen. - Wir brauchen ein zukunftstaugliches Kernenergiegesetz
Wenn wir gemäss diesem Gutachten schon faktisch auf Jahrzehnte mit der Kernenergie verheiratet bleiben, brauchen wir ein zukunftstaugliches Kernenergiegesetz, das die internationale Arbeitsteilung und die technische Weiterentwicklung bejaht und fördert. Anachronismen wie ein mit überholten Argumenten begründetes Verbot der Wiederaufarbeitung oder eine Nationalisierung der Entsorgungsaktivitäten sind deshalb zu streichen.
Quelle
Dr. H. Fuchs, Prof. Dr. S. Borner