Herausforderungen bei den Stilllegungen in Osteuropa
In einem Sonderbericht hält der Europäische Rechnungshof (EuRH) – die unabhängige externe Rechnungsprüfungsstelle der EU – fest, dass bei den acht vorzeitig stillgelegten Kernkraftwerkseinheiten in Bulgarien, der Slowakei und Litauen Fortschritte erzielt worden sind, «kritische» Herausforderungen indes bevorstehen.
Die vorzeitige Stilllegung der Kernkraftwerkseinheiten Kosloduj-1 bis -4 (WWER-440/V-230) in Bulgarien, Bohunice-1 und -2 (WWER-440/V-230) in der Slowakei sowie Ignalina-1 und -2 (RBMK-1500) in Litauen war Bedingung zur Aufnahme dieser Länder in die EU. Die Einheiten wurden zwischen 2002 und 2009 abgeschaltet. Die Abschaltung und anschliessende Stilllegung dieser Blöcke vor dem Ende ihrer Auslegungslebensdauer stellte eine erhebliche finanzielle und wirtschaftliche Belastung für die drei betroffenen Mitgliedstaaten dar. Daher erklärte sich die EU bereit, ab 1999 finanzielle Unterstützung bereitzustellen. Bis 2020 wird sich die Unterstützung der EU laut EuRH auf insgesamt EUR 3,8 Mrd. (CHF 4,1 Mrd.) belaufen, wobei der grösste Anteil – 48% oder EUR 1,8 Mrd. – auf Litauen entfällt, gefolgt von Bulgarien und schliesslich der Slowakei.
Der EuRH stellt in seinem im September 2016 veröffentlichten Sonderbericht fest, dass in den nicht kontrollierten Bereichen zwar Fortschritte erzielt wurden, die Stilllegungsarbeiten an den Reaktorgebäuden jedoch noch nicht begonnen haben und die Infrastruktur für die Entsorgung radioaktiver Abfälle nur teilweise fertiggestellt sind.
Finanzierungslücke wächst
Der EuRH schätzt die Kosten für die Stilllegung der acht Einheiten auf mindestens EUR 5,7 Mrd. (CHF 6,2 Mrd.). Dieser Betrag könnte auf das Doppelte ansteigen, wenn die Kosten für die Endlagerung hochaktiver Abfallstoffe ebenfalls berücksichtigt werden, warnt der EuRH. In Litauen habe sich die Finanzierungslücke bei den Stilllegungskosten seit der letzten Prüfung im Jahr 2011 vergrössert und liege nunmehr bei EUR 1,56 Mrd. (CHF 1,69 Mrd.). Die geschätzten Finanzierungslücken für Bulgarien und die Slowakei lägen mittlerweile bei EUR 28 und 92 Mio. (CHF 30 und 100 Mio.). Der EuRH schliess daraus, dass die speziellen Finanzierungsprogramme der EU für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen nicht die richtigen Anreize für eine fristgerechte und kosteneffiziente Stilllegung geschaffen haben. Er räumt aber ein, dass obwohl letztlich die drei Mitgliedstaaten sicherstellen müssten, dass ausreichende Finanzmittel sowohl für die Stilllegung als auch für die Endlagerung zur Verfügung stünden, ihr Kofinanzierungsanteil an den Stilllegungsprogrammen der EU nach wie vor sehr begrenzt sei. Eine Verlängerung der finanziellen Unterstützung durch die EU über das Jahr 2020 hinaus sei jedoch nicht vorgesehen und die Kommission habe keine klaren Leitlinien zu den Kofinanzierungspflichten herausgegeben.
Der Sonderbericht Nr. 22/2016: «Hilfsprogramme der EU für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen in Litauen, Bulgarien und der Slowakei: Seit 2011 wurden Fortschritte erzielt, doch stehen kritische Herausforderungen bevor» ist in 23 EU-Sprachen verfügbar.
Quelle
M.A. nach EuRH, Medienmitteilung, 20. September 2016 und Sonderbericht Nr. 22/2016