Grossbritannien plant Stromzukunft mit Weissbuch
Das britische Department of Energy and Climate Change (DECC) hat am 12. Juli 2011 ein Weissbuch zur Zukunft des Strommarktes publiziert. Flankierende Massnahmen sollen immense Investitionen in den Strommarkt anregen – auch in neue Kernkraftwerke. Am 18. Juli 2011 stimmte das Parlament mit überwältigendem Mehr den sechs nationalen Energie-Planungsrichtlinien zu, um das Weissbuch umzusetzen.
Das Weissbuch «Planning our electric future: a White Paper for secure, affordable and low-carbon electricity» zeigt auf, wie die nötigen Investitionen in die Stromerzeugungs- und Verteilungskapazität in der Höhe von GBP 110 Mrd. (CHF 177 Mrd.) sichergestellt werden können. Schlüsselelemente der Strommarktreform sind die Einführung einer Mindestpreisgrenze für Kohle, Langfristverträge für Stromeinspeisungen, eine Höchstnorm für CO2-Emissionen bei neuen Anlagen sowie ein Leistungsmechanismus, um die künftige Versorgungssicherheit sicherzustellen. Mit Ausnahme des letzten Punktes ist die Planung der Massnahmen bereits fortgeschritten. Laut DECC sollen bis im Frühling 2013 die nötigen Gesetze zur Umsetzung des Weissbuchs erlassen sein, sodass um 2014 erste Projekte von den Massnahmen profitieren können.
«Business as usual» keine Lösung
Nach den Plänen der britischen Regierung soll mit Unterstützung des vorliegenden Weissbuchs ein Viertel der Stromproduktionsanlagen des Landes ersetzt werden. Die GBP 110 Mrd. werden benötigt, um das Äquivalent von 20 grossen Stromproduktionsanlagen zu erstellen und das Netz auszubauen. Die britische Regierung rechnet bis 2050 mit einer Verdopplung der Stromnachfrage und hält fest, dass für sie deshalb «business as usual» keine Lösung sei. Mit dem bereits im Budget 2011 angekündigten Mindestpreis für Kohle soll in erster Linie ein Anreiz für Investitionen in kohlenstoffarme Technologien geschaffen werden. Gleiches gilt für die langfristigen Strompreisverträge. Diese gewähren der Industrie zusätzliche Planungssicherheit. Die Emissionsnorm von höchstens 450 g CO2/kWh schliesslich soll verhindern, dass neue Kohlekraftwerke ohne CO2-Sequestrierung gebaut werden. Sollte sich die künftige Stromversorgung in die vom Weissbuch skizzierte Richtung entwickeln, so rechnet sich dies auch für den britischen Stromkonsumenten. Umgerechnet auf eine durchschnittliche jährliche Stromrechnung eines Haushalts, die heute rund GBP 500 (CHF 670) beträgt, würde der Anstieg bis 2030 bei Umsetzung des Weissbuchs GBP 160 betragen – GBP 40 weniger als sonst erwartet.
Energie-Planungsrichtlinien in Kraft
Dass es in England und Wales ernst ist mit der geplanten kohlenstoffarmen Energiezukunft, bewies das Unterhaus am 18. Juli 2011. Es genehmigte mit 267 Ja- zu 14 Neinstimmen den Regierungsentwurf der nationalen Energie-Planungsrichtlinien, die einen klaren Rahmen für die Entscheidungsfindung und die Notwendigkeit einer Investitionswelle in neue Energiequellen aufzeigen. Die nationale Nuklear-Planungsrichtlinie – eine der sechs genehmigten Energie-Planungsrichtlinien – nennt acht potenzielle Standorte im ganzen Land, die für den Bau neuer Kernkraftwerke bis 2025 geeignet sind. Sie ermöglicht zudem ein beschleunigtes Verfahren beim Bau neuer Grosskraftwerke. Mit der Zustimmung des Unterhauses sind die Planungsrichtlinien nun in Kraft. Ein Ausschuss des Oberhauses hatte sich bereits im Januar 2011 damit befasst. Da es sich bei den Planungsrichtlinien nicht um eine Gesetzgebung handelt, war eine Abstimmung im Oberhaus nicht nötig.
Positives Zeichen für Industrie
Die EDF Energy, die in Grossbritannien acht Kernkraftwerkseinheiten betreibt und als erstes Unternehmen eine neue Anlage am Standort Hinkley Point plant, zeigte sich erfreut. Die Ratifizierung sei ein Meilenstein für ihre Neubaupläne, erklärte sie.
Quelle
D.S. nach DECC, Medienmitteilungen und Weissbuch «Planning our Electric Future», 12. und 19. Juli 2011
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