Geologische Tiefenlager: Standortwahl auf Kurs
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat die von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) Ende 2008 vorgeschlagenen Standortgebiete für den Bau geologischer Tiefenlager für radioaktive Abfälle hinsichtlich ihrer Sicherheit und bautechnischen Machbarkeit überprüft. In seinem am 26. Februar 2010 vorgestellten Sicherheitsgutachten stimmt das Ensi den sechs Standortvorschlägen der Nagra zu.
Das Ensi hat die von der Nagra vorgeschlagenen Standortgebiete in den letzten Monaten überprüft und dazu auch Stellungnahmen und Fachwissen der Kommission für nukleare Entsorgung (KNE), des Bundesamts für Landestopographie (swisstopo) sowie weiterer Experten und spezialisierter Ingenieurbüros beigezogen.
Lob für Nagra
In seinem am 26. Februar 2010 veröffentlichten Gutachten kommt das Ensi zum Schluss, dass die Analysen der Nagra korrekt und nachvollziehbar sind, die Nagra die geologischen Grundlagen umfassend und gut dokumentiert sowie alle relevanten Informationen für die Auswahl der Standortgebiete ausreichend berücksichtigt hat und dass sie die im Sachplan vorgegebenen Kriterien stufengerecht und korrekt angewendet hat.
Auch die KNE, die sich bei ihrer Stellungnahme zuhanden des Ensi auf die zentralen sicherheitsrelevanten Themen konzentriert hat, bescheinigt der Nagra eine hohe Transparenz, fachliche Kompetenz beim Verfassen der Projektdokumentation sowie grosse Kooperationsbereitschaft bei Rückfragen und zusätzlichem Informationsbedarf der Sicherheitsbehörden. In ihrer Stellungnahme weist die KNE aber auch auf offene Fragen insbesondere bei der Bautechnik hin, die in den nächsten Etappen beantwortet werden müssen. Wie Simon Löw, Präsident der KNE und Professor am Geologischen Institut der ETH Zürich, an einer Medienkonferenz in Bern darlegte, ist beispielsweise absehbar, dass wegen des Bergdrucks vollflächige Stützmittel (beispielsweise Spritzbeton) nötig sein dürften, falls die Lager in grösserer Tiefe als 600 m gebaut werden.
Die vorliegenden Gutachten zeigen, dass alle involvierten Experten – einschliesslich jener der Nagra – im Grossen und Ganzen in ihrer Beurteilung gut übereinstimmen.
Zustimmung des Ensi und der KNE
Aus der Sicht von Sicherheit und technischer Machbarkeit stimmen sowohl das Ensi als auch die KNE den von der Nagra vorgeschlagenen sechs geologischen Standortgebieten (Südranden, Zürcher Weinland, Nördlich Lägeren, Bözberg, Jura-Südfuss und Wellenberg) für den Bau eines Lagers für schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA) zu. Die drei potenziellen Standortregionen Zürcher Weinland, Nördlich Lägern und Bözberg eignen sich laut Gutachten auch für ein Lager für hochaktive Abfälle (HAA).
In ihrer Stellungnahme betrachtet die KNE das Standortgebiet Wellenberg «trotz einiger sehr positiven Eigenschaften als deutlich weniger geeignet als die anderen vorgeschlagenen SMA-Standortgebiete». Zwar ist dort die geeignete geologische Schicht besonders mächtig und ihre Durchlässigkeit sehr gering, doch ist der Wellenberg bezüglich Zugänglichkeit für weitere Untersuchungen nicht ganz so günstig wie die Standortgebiete ausserhalb der Alpen. In der späteren Etappe 2, wenn die Standortgebiete sicherheitstechnisch miteinander verglichen werden, haben daher der Wellenberg wie auch das Standortgebiet Jura-Südfuss «geringere Chancen, in dieser Etappe in die engere Wahl zu kommen», wie Hans Wanner, Leiter Entsorgung beim Ensi, an der Medienkonferenz ausführte. Wie die Verantwortlichen des Bundes jedoch betonten, ist die jetzt vorliegende Einschätzung der Standortgebiete keine Rangfolge.
Stellungnahme der Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) in 2 Monaten
Das Gutachten des Ensi wird nun der KNS zur Stellungnahme vorgelegt. Die Stellungnahme der KNS, die das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) und den Bundesrat in grundsätzlichen Fragen der nuklearen Sicherheit berät, wird in rund zwei Monaten erwartet. Michael Aebersold, Leiter Entsorgung radioaktiver Abfälle im Bundesamt für Energie (BFE), kündigte zudem an, dass Deutschland ebenfalls noch eine Expertise einreichen werde.
Bundesrat entscheidet 2011
Sobald die KNS-Stellungnahme und damit alle behördlichen Bewertungen vorliegen, erstellt das BFE einen Ergebnisbericht. Dieser wird in eine dreimonatige Anhörung bei Kantonen, Nachbarstaaten, Parteien und Organisationen geschickt und dem Bundesrat voraussichtlich Mitte 2011 vorgelegt. Der Bundesrat entscheidet dann, welche Standortgebiete im Sachplan festgelegt werden und damit im weiteren Auswahlverfahren der Etappe 2 verbleiben.
Die im Sachplan festgelegten Standortgebiete werden in Etappe 2 unter anderem aufgrund von provisorischen Sicherheitsanalysen auf mindestens zwei Standorte pro Abfallkategorie eingeengt. In der letzten Etappe 3, die voraussichtlich von 2014/15 bis 2018/19 dauert, werden die verbleibenden Standorte vertieft untersucht und die sicherheitstechnischen und geologischen Kenntnisse zum Beispiel durch Sondierbohrungen weiter erweitert, bevor die Nagra die Rahmenbewilligungsgesuche für die Lager einreichen kann.
Quelle
M.S. nach Ensi, Medienmitteilung und Medienkonferenz, 26. Februar 2010
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