Fusionsanlage Wendelstein 7-AS macht Nachfolger Platz

Am Abend des 31. Juli 2002 lief in der Fusionsanlage Wendelstein 7-AS im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) das letzte Experiment. Nach 14 Jahren wird die Anlage in Garching, Deutschland, stillgelegt, um Ressourcen und Personal für den Aufbau des grösseren Nachfolgers Wendelstein 7-X im Greifswalder Teilinstitut des IPP freizumachen.

4. Aug. 2002

Als erste Anlage der neuen Generation der "Advanced Stellarators" war Wendelstein 7-AS über alle Erwartungen hinaus erfolgreich.
Aufgabe der rund 1000 IPP-Mitarbeiter in Garching und Greifswald ist es, die Grundlagen für ein Fusionskraftwerk zu erforschen, das ähnlich wie die Sonne Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen erzeugt. Dazu muss es gelingen, den Fusionsbrennstoff - ein dünnes Wasserstoff-Plasma - in ringförmigen Magnetfeldern wärmeisolierend einzuschliessen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen.
Wendelstein 7-AS war ein Fusionsexperiment vom weniger verbreiteten Typ "Stellarator": Hier wird der magnetische Käfig für das Plasma ausschliesslich durch äussere Magnetspulen erzeugt. Dies macht den Dauerbetrieb der Anlagen möglich, erfordert jedoch wesentlich komplexer geformte Magnetspulen als bei Anlagen vom Typ "Tokamak", der zur Zeit führenden Experimentlinie. In Tokamaks wird auch das Magnetfeld eines im Plasma fliessenden elektrischen Stroms zum Einschluss des Plasmas gebraucht. Ohne Zusatzmassnahmen können Tokamaks nur pulsweise arbeiten. Als weltweit einziges Institut untersucht das IPP beide Typen parallel zueinander: In Garching arbeitet der Tokamak Asdex Upgrade, das grösste Fusionsexperiment in Deutschland, und in Greifswald entsteht der neue Stellarator Wendelstein 7-X als Nachfolger des 7-AS.
Ausgangspunkt für die Advanced Stellarators war die Einsicht, dass die bisherigen Anlagen dieses Typs den Tokamaks weit unterlegen waren. Die unbefriedigende Qualität des Magnetfeldkäfigs und dessen umständliche Realisierung durch spiralförmig um das Plasmagefäss gewickelte Magnetspulen machten Stellaratoren zu zweifelhaften Kandidaten für ein Fusionskraftwerk. Die Forschung im IPP ging deshalb neue Wege: Man begann mit der systematischen Suche nach dem optimalen Magnetfeld. Unter den zahllosen möglichen Stellarator-Konfigurationen wurden mit erheblichem Theorie- und Rechenaufwand die besten, für das Plasma stabilsten und wärmeisolierendsten Felder aussortiert.
Mit Wendelstein 7-AS wurden diese Rechnungen einem ersten experimentellen Test unterworfen: In seinen rund 60'000 Entladungen konnte die Anlage die erwarteten Vorzüge zeigen: Das berechnete Magnetfeld liess sich von den neuartigen Spulen mit der nötigen Genauigkeit erzeugen. Der Betrieb ohne Nettostrom im Plasma wurde demonstriert - entsprechend ausgelegt sind Stellaratoren für den Dauerbetrieb geeignet. Die zu Grunde gelegten Optimierungsprinzipien hat Wendelstein 7-AS bestätigt und alle Stellarator-Rekorde in seiner Grössenklasse gebrochen.
Von den jüngsten Forschungsarbeiten sind die Divertorexperimente besonders zu erwähnen: Während alle modernen Tokamaks mit Divertor ausgerüstet sind, wurde 2001 erstmals auch der Wendelstein-Stellarator damit ausgestattet. Energie und Teilchen aus dem Plasmarand werden dabei durch sogenannte magnetische Inseln auf begrenzte Flächen der Gefässwand gelenkt. Werden sie durch spezielle Prallplatten geschützt, können die hier auftreffenden Teilchen zusammen mit Verunreinigungen aus dem Plasma entfernt werden. So wird die unerwünschte Ansammlung von Verunreinigungen im Plasma unterbunden. Mit der neuen Komponente konnte Wendelstein 7-AS Plasmen mit guten Einschluss-Eigenschaften und bisher unerreichbar hoher Dichte erzeugen - noch über den Kraftwerkszielwert hinaus. Die Dichte überstieg deutlich die Werte, die in vergleichbaren Tokamaks erzielbar sind, wo Strominstabilitäten einschränkend wirken. Mit diesen Ergebnissen hat Wendelstein 7-AS im Wettstreit der Anlagentypen erheblich zum international gestiegenen Ansehen der Stellaratoren beigetragen.
Mit der Stilllegung der Anlage sind die Arbeiten noch nicht beendet. Ein Teil der Wissenschaftler des Wendelstein-Teams wird noch etwa ein Jahr lang mit der Auswertung der gewonnenen Messdaten beschäftigt sein. Ein anderer Teil wird zur Entwicklung von Messverfahren und -apparaturen für Wendelstein 7-X nach Greifswald umziehen. Insgesamt sind 220 der im Endausbau vorgesehenen 300 Stellen des Greifswalder Teilinstituts besetzt.
Nachdem Wendelstein 7-AS das theoretische Konzept des optimierten Stellarators experimentell untermauern konnte, soll die vollständig optimierte und grössere Anlage Wendelstein 7-X nun die Kraftwerkstauglichkeit der neuen Stellaratoren demonstrieren. Die Qualität von Plasmagleichgewicht und -einschluss sollte der eines Tokamak ebenbürtig sein. Um die wesentliche Stellaratoreigenschaft zu zeigen, den Dauerbetrieb, wird Wendelstein 7-X mit supraleitenden Magnetspulen ausgerüstet sein. So werden Pulsdauern von 30 Minuten möglich - im Unterschied zu maximal 1,5 Sekunden, die der noch mit normalleitenden Kupferspulen ausgestattete Vorgänger erreichen konnte. Nicht angestrebt wird allerdings, ein bereits Energie lieferndes Plasma herzustellen. Dies bleibt dem in internationaler Zusammenarbeit geplanten Iter vom Typ Tokamak überlassen.

Quelle

M.S. nach Pressemitteilung IPP, 5. August 2002

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