Fukushima-Daiichi: Kritik an Betreiberin, Behörden und Regierung
Eine von der japanischen Regierung im Mai 2011 eingesetzte unabhängige Kommission hat in einem Zwischenbericht das Verhalten der Betreiberin Tokyo Electric Power Company (Tepco) und der Regierung vor und nach dem Reaktorunfall im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi mit klaren Worten kritisiert. Sie hätten sich ungenügend vorbereitet, die Katastrophe falsch eingeschätzt und fehlerhaft reagiert. Das Katastrophenmanagement habe versagt.
In dem von der japanischen Regierung am 26. Dezember 2011 freigegebenen Zwischenbericht hat die Kommission 456 Interviews ausgewertet, darunter von Mitarbeitenden der Tepco und Regierungsbeamten.
Im Zwischenbericht stellt die Kommission fest, dass die Tepco bereits 2008 von Modellrechnungen Kenntnis hatte, die besagten, dass ein Tsunami mit einer Höhe von 15 m und mehr das Kernkraftwerk treffen könnte. Die Tepco habe es jedoch unterlassen, zweckmässige Schutzmassnahmen zu ergreifen. Auch die Aufsichtsbehörde handelte nicht. Nachdem am 11. März 2011 wegen des Erdbebens und des darauffolgenden Tsunamis am Standort der Strom ausgefallen war, hätten die Mitarbeiter des Werks das Notkühlsystem der Reaktoreinheiten 1 und 3 falsch gehandhabt. Weder sie noch die vorgesetzten Stellen in Tokio hätten vollständig verstanden, wie sie funktionieren. Wären zudem die Feuerwehrautos früher entsandt worden, um Wasser in die Reaktoren zu pumpen, so wären die Schäden an den Brennstäben kleiner und die Menge freigesetzter Radioaktivität geringer ausgefallen.
Ungenügende Kommunikation
Die Kommission kritisiert im Zwischenbericht auch das Verhalten der Regierung: Tendenziell wurde die japanische Öffentlichkeit verspätet informiert, Pressemitteilungen wurden zurückbehalten und Erklärungen unklar gehalten. Dies sei keine angemessene Art, in einer Notsituation zu informieren, so die Kommission. Auch die internationale Gemeinschaft sei nicht auf dem Laufenden gehalten worden, was zu Misstrauen in die japanische Katastrophenbewältigung führte.
Evakuierung schlecht organsiert
Mangelnde Kommunikation innerhalb der Kanzlei des Ministerpräsidenten in Tokio verhinderte die Verwendung des sogenannten Speedi-Systems, dass die Ausbreitung radioaktiver Stoffe voraussagt. Die Daten des Speedi-Systems sind laut Zwischenbericht nicht konsultiert worden, als die Regierung die Evakuierungsanweisungen für die Anwohner aussprach. Die Anweisungen seien nicht nur unklar gewesen sondern hätten auch die betroffenen Gemeinden nicht unverzüglich erreicht.
Nur freiwilliges Unfallmanagement
Das damalige Ministry of International Trade and Industry (Miti) – das heutige Ministry of Economy, Trade and Industry (Meti) – hatte bereits 2002 eine «Roadmap of Accident Management» herausgegeben und Massnahmen gegen schwere Unfälle vorgeschlagen. Diese Roadmap deckte jedoch nur interne Vorkommisse wie mechanische Versagen oder menschliche Fehlverhalten ab. Externe Vorkommnisse wie Erdbeben oder Tsunami waren nicht enthalten. Auch blieb es den Betreibern anheimgestellt, die Massnahmen umzusetzen, denn sie gehörten nicht zu den regulatorischen Anforderungen. Die Tepco habe denn auch im Rahmen ihres Unfallmanagements keine Massnahmen gegen Tsunami getroffen.
Die Kommission plant, Regierungsvertreter zu befragen, um weitere Erkenntnisse zur Krisenhandhabung zu erhalten und konkrete Massnahmen vorzuschlagen. Im Sommer 2012 soll der Schlussbericht veröffentlicht werden.
Quelle
M.A. nach Untersuchungskommission, Executive Summary of the Interim Report, 26. Dezember, und Jaif, Earthquake Report 301, 27. Dezember 2011
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