Frauen in der Kerntechnik: vom Sonderfall zur Normalität
Wie steht es um die Rolle und Stellung der Frauen in der Schweizer Nuklearbranche? Wo bestehen Hürden und Handlungsbedarf und wie kann dieser angegangen werden? Diesen Fragen ging am Weltfrauentag eine Veranstaltung der Women in Nuclear Schweiz nach.
Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2024 luden die Women In Nuclear (WiN) Schweiz zu einer Tagung im Kernkraftwerk Gösgen (KKG) ein. Unter dem Titel «Frauen in der Kerntechnik: vom Sonderfall zur Normalität» fanden Referate, Workshops und eine Podiumsdiskussion statt.
Bestandesaufnahme zeigt Handlungsbedarf
Der Tag begann mit einem Einblick in den «Gender Intelligence Report 2023» durch Ines Hartmann vom Competence Center for Diversity and Inclusion (CCDI) der Universität St. Gallen. Sie betrachtete den Frauenanteil in Schweizer Unternehmen auf verschiedenen Positionen und erörterte, wie die Schweizer Wirtschaft das Potenzial der Frauen nutzt, welche flexiblen Arbeitsmodelle angeboten werden und wie Teilzeit von Frauen und Männern genutzt wird. Das Referat zeigte auf, dass nach wie vor erhebliche Unterschiede und Lücken bestehen. So bleibt zum Beispiel viel Potenzial wegen ungleicher Beförderung von Männern und Frauen ungenutzt. Ihre Best Practices zeigten unter anderem, dass im Idealfall die Inklusionskompetenz ein Rekrutierungskriterium ist und diesbezüglich Ziele für Führungskräfte festgelegt werden.
Petros Papadopoulos, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft der Kernfachleute, stellte anschliessend die Position von Frauen in der Nuklearindustrie in den internationalen Kontext. Er verglich die Ergebnisse des Advance-Berichts für die Stellung der Frau in der Schweizer Wirtschaft mit derjenigen in den Schweizer KKW und der internationalen Nuklearindustrie. Seine interaktive Befragung ergab, dass sich die empirischen Fakten recht genau mit den persönlichen Erfahrungen des fast ausnahmslos weiblichen Publikums decken.
Anja Umbach-Daniel von der EBP Schweiz AG beleuchtete danach die Herausforderungen, Hindernisse und Wege in die Zukunft für Frauen in MINT-Berufen . Trotz eines Anstiegs des Frauenanteils an Eintritten und Abschlüssen Technischer Hochschulen in den letzten zehn Jahren bleiben Frauen in MINT-Berufen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt eine Seltenheit. Ihr Referat basierte auf persönlichen Erhebungen und Einblicken in viele Unternehmen und zeigte auf, mit welchen beruflichen Hürden Frauen konfrontiert sind, und welche Ansätze und Programme beim Abbau dieser Hürden funktionieren.
Es gibt gute Ansätze und Best Practices
Julia Nentwich von der Universität St. Gallen sprach über die «Paradoxien der Kulturveränderung» und den schwierigen Abschied von der männlichen Heldenfigur in der Führung. Ihre Analyse basierte auf Diskussionen mit 100 Führungskräften in der Schweiz und stellte fest, dass trotz vorhandener moderner Vorstellungen von Führung das Bild des männlichen Helden noch immer vorherrschend ist, was eine notwendige Kulturveränderung ausbremst. Sie zeigte Gründe dafür auf und präsentierte praktische Handlungsempfehlungen und Werkzeuge.
Nach dem Mittagessen im Restaurant des KKG folgten am Nachmittag Inputreferate und Workshops zu den Themen «The Swedish Success Story» von Women in Nuclear (WiN) Sweden, und «Schweizerinnen und MINT-Förderung – Mission Impossible?», präsentiert von Elizabeth Huerta-Borraz vom Vorstand der Schweizerischen Vereinigung der Ingenieurinnen (SVIN). Die Workshops behandelten unter anderem Arbeitsmodelle in der Energiebranche und Strategien, um Frauen für technische Berufe zu motivieren und in der Branche zu halten.
Den Abschluss des Tages bildeten die Präsentation der Workshopergebnisse und eine Podiumsdiskussion mit René Sarrafian (KKG), Thomas Voser (Axpo), Prof. Annalisa Manera (ETHZ), Matthias Rey (Nuklearforum) und Geraldine Eliasson (Schule Aargau/FHNW). Anschliessend waren die Teilnehmenden zum Nachtessen im Restaurant Aarhof in Olten eingeladen und hatten am darauffolgenden Vormittag die Gelegenheit, das KKG zu besichtigen.
Quelle
M.R.