Frankreich: Nukleare Sicherheit 1999
Jeden Frühling verteilt die französische nukleare Aufsichtsbehörde Direction de la sûreté des installations nucleaire (DSIN) die guten und schlechten Noten für das vergangene Jahr der französischen Nuklearindustrie.
Die DSIN steht unter der Doppelaufsicht sowohl des Industrie- wie auch des Umweltministers und wird von André-Claude Lacoste geführt. Erstmals enthält der DSIN-Rechenschaftsbericht auch Angaben zum Strahlenschutz. Wie üblich beleuchtet er aber auch die angrenzenden Themen Umwelt, Gesundheit, Kommunikation und internationale Beziehungen.
Entgegen den ursprünglichen Erwartungen hat die französische Regierung das Gesetzesprojekt zur Reform der nuklearen Aufsicht im Berichtsjahr nicht sichtbar weitergebracht. Hingegen hat die Regierung Ende 1999 drei wichtige neue Erlasse auf dem Nukleargebiet verabschiedet: Zur betrieblichen Überwachung der primären und sekundären Reaktorkreisläufe, zu den erlaubten radioaktiven Freisetzungen ins Abwasser von Kernanlagen und zu den Immissionen und Risiken von Kernanlagen.
Als Fortschritt taxiert Lacoste die Schulungserfolge im nuklearen Notfallmanagement, deren erste Nützlichkeit bei der Bewältigung der Sturm- und Hochwasserschäden am Kernkraftwerk Le Blayais im vergangenen Dezember demonstriert wurde.
1999 haben die französischen Behörden die Anwendung der Internationalen Störfallbewertungsskala für Kernanlagen (Ines) auf das Gebiet der Nukleartransporte erweitert. Auf diesem Gebiet seien klare Fortschritte zu verzeichnen gewesen: ein starker Rückgang der Anzahl kontaminierter Transporte von abgebrannten Brennelementen, ein allgemeiner Rückgang der Kontaminationswerte und keinerlei Kontamination bei öffentlich zugänglichen Waggonteilen.
Die Electricité de France (EDF) muss sich im Bericht harsche Kritik wegen den unterlassenen Deicherhöhungen beim KKW Le Blayais gefallen lassen; dies habe den Zwischenfall vom letzten Dezember massgeblich beeinflusst. Auch die Verstrahlung eines Mitarbeiters des KKW Tricastin am 11. März 1999 wird von der DSIN besonders erwähnt. Mittlerweile hätten die EDF einen "Sauberkeitsplan" umgesetzt, es lägen aber noch keine klaren Resultate vor. Als Schlüsselvorgang betrachtet die DSIN die bei der EDF im Moment durchgeführte Dezentralisierung, bei der wesentlich mehr Kompetenzen auf die lokale KKW-Ebene delegiert würden. Die DSIN begrüsst diese Entwicklung, macht aber auf die Gefahr mangelnder nationaler Koordination aufmerksam. Auch das Verhalten der EDF im Zuge der europäischen Strommarktliberalisierung werde die DSIN im Jahr 2000 aufmerksam verfolgen. Angesichts von zwar aus Sicht der Sicherheit unbedenklichen, aber gehäuften kleineren Ereignissen in den KKW sieht die DSIN hier ein gewisses Problempotenzial.
Bei der Cogema würdigt die DSIN die Resultate der epidemiologischen Untersuchungen im Bereich der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague und erwartet, dass die radioaktiven Freisetzungsgrenzwerte in nächster Zeit drastisch reduziert werden. Eine begrüssenwerte Entwicklung im Jahr 1999 war für die DSIN die Erteilung der Errichtungsgenehmigung für ein Untergrundlabor der französischen Entsorgungsorganisation Andra.
Quelle
H.K. nach Mitteilung der DSIN vom 22. März 2000