Fortschritte und Rückschlag beim LHC-Bau im Cern

Die European Organization for Nuclear Research (Cern) in Genf hat anfangs April 2007 den ersten Sektor des Large Hadron Collider (LHC) mit Erfolg erstmals auf die Betriebstemperatur von 1,9 K (-271,25 °C) abgekühlt und kann dort jetzt mit Vorinbetriebnahme-Tests beginnen. Hingegen versagte bei einem Belastungsversuch am 27. März 2007 in einem anderen Teil des LHC die innere Aufhängung eines Quadrupol-Magneten wegen eines Auslegungsfehlers. Die nötigen Reparaturen und Nachbesserungen sollten gemäss einer ersten Einschätzung des Cern die geplante Inbetriebnahme des LHC ab Mitte November 2007 indessen nicht in Frage stellen.

25. Apr. 2007

Am LHC des Cern hat nach zehn Jahren Vorbereitungs-, Auslegungs-, Test-, Bau- und Einrichtungsarbeiten plangemäss die Prüfung der zusammengebauten Systeme und die Vorinbetriebnahme des LHC begonnen.

CMS am Platz

Mitte März feierte das Cern im Beisein von 200 geladenen Gästen den ersten erfolgreichen Test des Compact Muon Solenoid (CMS) vor Ort. Das CMS ist der grösste der vier Partikeldetektoren des LHC, wo durch die Kollision von auf 99,9% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Protonen bisher nie beobachtete Elementarteilchen - darunter das Higgs-Boson - erzeugt und analysiert werden sollen. Nachdem die Hauptkomponente des CMS - eine 2000 t schwere, 16 m hohe und 13 m lange Magneteinheit - in die 100 m unter der Erdoberfläche liegenden Kaverne abgesenkt worden war, konnten die Techniker mit der Montage beginnen und die Magneteinheit einem ersten Test unterziehen. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme ist für den kommenden Herbst vorgesehen.

Kälter als im Weltraum

Die erfolgreiche erstmalige Abkühlung eines ersten Sektors des LHC-Rings meldete das Cern am 10. April 2007. Der Ring mit einem Umfang von 27 km besteht aus acht Sektoren und damit aus den weltweit grössten supraleitenden Einrichtungen. Die Betriebstemperatur von 1,9 K liegt unter der Temperatur des Weltraums. Sie wird in drei Schritten erreicht. In einem ersten Schritt wird jeder Sektor mit flüssigem Stickstoff auf rund 80 K (-193 °C) abgekühlt. Die Baumaterialien schrumpfen dabei so stark, dass sich die 3,3 km lange Konstruktion des Sektors um 9,9 m verkürzt. Beim zweiten Schritt kommen riesige Kühlanlagen mit flüssigem Helium als Kühlmittel zum Zug, um die inneren Kryostaten des Sektors weiter auf 4,5 K abzukühlen. Beim dritten Schritt schliesslich wird der Druck des Heliums auf 15 Millibar abgesenkt, womit sich die Temperatur auf den Sollwert von 1,9 K einstellt.

Bruch bei Belastungsversuch

Weniger erfolgreich verlief ein Belastungsversuch an einem der neun Quadrupol-Magneteinheiten, die das Fermilab des amerikanischen Department of Energy (DOE) entwickelt, gebaut und im LHC-Tunnel installiert hatte. Die 13 m langen Strahlfokussierungseinheiten arbeiten ebenfalls mit supraleitenden Magneten in einer Triplett-Anordnung. Gemäss Spezifikationen sollte die Konstruktion die mechanischen Belastungen aushalten, die bei einem möglichen Ausfall der Kühlung eintreten würden, nämlich einen Überdruck von bis zu 25 Bar und die Wirkung asymmetrischer Kräfte auf die Aufhängung des Tripletts. Als am 27. März beim vorgesehenen Versuch ein Überdruck von 20 Bar erreicht war, brach die Aufhängung aus faserverstärktem Kunststoff jedoch mit einem lauten Knall und beschädigte wesentliche Teile der Einheit.

Die Analyse zeigte rasch, dass ein Auslegungsfehler vorlag. Zwar hatte das Fermilab die Einzelteile vor dem Zusammenbau getestet, nicht aber das fertige System, so dass der Fehler unbemerkt blieb. Die beschädigte Einheit wird jetzt ausgebaut und repariert. Auch muss das Fermilab die anderen acht Einheiten nachrüsten. Vorgesehen ist, die asymmetrischen Kräfte mit zusätzlichen Metallstäben aufzufangen. Ein nächster Belastungstest ist für den 1. Juni 2007 angesetzt. Verläuft er erfolgreich, hat der Vorfall - entgegen Spekulationen in Fachmedien - keine Folgen für die geplante Inbetriebnahme des LHC ab Mitte November 2007. Andernfalls könnte das Fermilab mit dem Auslegungsfehler schlechte Karten für die Standortwahl der nächsten Beschleunigergeneration, des International Linear Collider (ILC), gezogen haben.

Quelle

P.B. nach Cern, Pressemitteilungen, 29. März, und 4. sowie 27. April 2007; Fermilab, Today, 29. März und 3. April; Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, ETHlife, 5. April 2007

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