Forsmark weiter in den Schlagzeilen
Das Kernkraftwerk Forsmark verschwindet nicht aus den Schlagzeilen, auch nachdem Ertüchtigungsmassnahmen durchgeführt worden sind. Am 28. September 2006 hatte zwar die schwedische nukleare Aufsichtsbehörde Statens Kärnkraftinspektion (SKI) die Freigabe zur Wiederinbetriebnahme der Blöcke 1 und 2 erteilt. Eine Reihe weiterer Vorfälle und ungeplanter Abschaltungen führte jedoch zur Verschiebung der geplanten Leistungserhöhung, zur Ablösung des Kraftwerksleiters und zu einer teilweise gehässigen öffentlichen Diskussion über die Sicherheitskultur in den schwedischen Kernanlagen.
Wenige Tage nach der Freigabe zur Wiederinbetriebnahme von Forsmark-1 und -2 Ende September 2006 stellte die Betreiberin - die Forsmark Kraftgrupp AB (FKA) - eine Leckage in der Sicherheitshülle von Forsmark-2 fest. Dort waren im August Reparaturschweissungen ausgeführt worden. Da die FKA bei der behördlichen Kontrolle nach der Behebung des Lecks die Qualitätsdokumente für die Schweissarbeiten nicht finden konnte, nahm sie den Block bis zum Abschluss der nötigen Nachkontrolle freiwillig vom Netz.
Verstärkte Aufsicht und gerichtliche Untersuchung
Die SKI begnügte sich indessen nicht damit. Sie verlangte eine Nachkontrolle der Inspektions- und Prüfdaten auch für die Blöcke 1 und 3. Zudem unterstellte sie das ganze Kernkraftwerk unter eine verstärkte Aufsicht. Ende Januar 2007 schliesslich entschied sie, beim zuständigen Staatsanwalt in Uppsala Klage gegen die FKA einzureichen. Die SKI will damit eine gerichtliche Beurteilung der Frage erreichen, ob die Kraftwerksleitung am 25. Juli 2006 das Kernenergiegesetz verletzt habe. Der Vorwurf lautet, nach dem Ausfall der Stromversorgung sei der Reaktor nicht ausreichend rasch in den kalten Abschaltzustand versetzt worden.
Verschobene Leistungserhöhung und personelle Konsequenzen
Nach den Ereignissen vom letzten Sommer und Herbst entschied die Geschäftsleitung der FKA am 13. Dezember 2006, die Arbeiten zur Vorbereitung der auf 2008-2010 geplanten Leistungserhöhung auszusetzen und das Projekt um ein Jahr zu verschieben. Dies soll die Betriebsleitung von Forsmark entlasten und ihr Zeit und Mittel geben, die laufenden Probleme zu lösen und die von den Behörden verordneten Massnahmen umzusetzen.
In einem zweiten Schritt verstärkte die FKA-Geschäftsleitung Ende Januar 2007 die Gruppe, die sich im Unternehmen mit Sicherheitsfragen befasst. Am 8. Februar schliesslich ernannte sie Jan Edberg als Nachfolger für den zurücktretenden Betriebsleiter Lars Fagerberg. Edberg hatte das Kraftwerk bereits 1997-2000 geleitet und seither bei der Haupteignerin der FKA, der Vattenfall AB, verschiedene Aufgaben wahrgenommen. Auch will die FKA-Geschäftsleitung einen externen Experten beiziehen. Er soll die Umsetzung der beschlossenen Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit begleiten, darunter das 60-Punkte-Programm, das die FKA im Dezember 2006 der SKI unterbreitet hatte.
Weitere Vorfälle
Diese auf Langzeitwirkung angelegten Massnahmen konnten weitere ungeplante Abschaltungen und Vorkommnisse nicht verhindern. So wurden im Dezember 2006 im Abluftsystem von Forsmark erhöhte Aktivitätswerte gemessen. Sie lagen allerdings noch innerhalb der Grenzwerte. Ende Februar 2007 wurden in einem Transportkorridor innerhalb der kontrollierten Zone von Forsmark-3 bei einer Regelkontrolle radioaktive Partikel entdeckt.
Anfangs Februar 2007 entschloss sich die FKA, die beiden Blöcke Forsmark-1 und -2 vom Netz zu nehmen, weil die Prüfung von Materialproben ergeben hatte, dass Fugendichtungen innerhalb des Containments von Forsmark-1 die Spezifikationen nicht mehr erfüllten. Die Proben waren schon im Sommer 2006 entnommen worden, ihre Prüfung blieb indessen bis im Januar 2007 liegen. Sie zeigte, dass die Elastomer-Matten in den Gebäudefugen zwischen dem Dry-well und dem Wet-well lecken und ersetzt werden müssen. Die SKI klassierte den Vorfall auf der Stufe 1 der internationalen Störfallbewertungsskala Ines. Die Reparaturarbeiten sind noch im Gang. Hingegen zeigte die Nachkontrolle der baugleichen Dichtungen in Forsmark-2, dass sie dort ihren Zweck erfüllen, so dass die SKI am 20. Februar 2007 die Freigabe zur Wiederinbetriebnahme des Blocks erteilte.
Öffentliche Diskussion über Sicherheitskultur
Die Kette ungeplanter Abschaltungen und Vorfälle löste eine öffentliche Diskussion darüber aus, ob die schwedischen Kernkraftwerksbetreiber die Sicherheitskultur genügend pflegten und die Überwachung durch die SKI ausreiche.
Die gehässigsten Vorwürfe - das Schichtpersonal komme in Forsmark bekifft und betrunken zur Arbeit und die schwedischen Reaktoren seien wegen ungenügender Instandhaltung vorzeigt gealtert - konnten die Betreiber zwar klar widerlegen. Doch um verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen, unterstützten sie den Vorschlag der SKI vom Februar 2007, möglichst bald eine unabhängige Sicherheitsüberprüfung der schwedischen Kernkraftwerke - allen voran von Forsmark - im Rahmen des Operational Safety Review Team Programme (Osart) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) durchzuführen.
Höhere SKI-Gebühren
Wie Umweltminister Andreas Carlgren bekannt gab, werden den Betreibern zudem künftig höhere SKI-Gebühren belastet, weil die Behörde ihre Überwachung verstärken muss. Auch ist sich Carlgren bewusst, dass damit und durch die Verschiebung der Leistungserhöhung von Forsmark die Strompreise steigen könnten.
Quelle
P.B. nach Forsmark Kraftgrupp AB, Kärnkraft Säkerhet och Utbildning AB, SKI, Medienmitteilungen, 13. Oktober 2006 bis Februar 2007, und NucNet, 28. Februar 2007