Evidenz für die Entdeckung der neuen chemischen Elemente Z=113 und Z=115

Heinz W. Gäggeler, Professor am Departement für Chemie und Biochemie der Universität Bern und am Paul Scherrer Institut, Mitglied des Vorstandes der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie

29. Feb. 2004

Seit 1966 wird vorhergesagt, dass neutronenreiche Isotope der Elemente um die Ordnungszahl 114 relativ langlebig sein sollten. Der Grund liegt in Schaleneffekten, die bekanntlich Atomkerne stabilisieren können. Nachdem über viele Jahre erfolglos nach diesen Elementen gesucht worden war und zwar sowohl in der Natur wie auch an grossen Beschleunigerzentren, geriet diese Vorhersage langsam in Vergessenheit.
Umso überraschter reagierte 1999 die Fachwelt auf die Ankündigung aus Dubna, Russland, dass es in einem Experiment am Flerov Institut für Kernreaktionen unter Verwendung des dortigen 4m-Zyklotrons gelungen sei, das neutronenreiche Isotop 283112 zu synthetisieren, das eindeutig dieser "Insel Superschwerer Elemente" zugeordnet werden müsse. Die Halbwertszeit des Isotops wurde mit 3 Minuten angegeben. Dieser Wert ist erheblich länger als derjenige für das zu diesem Zeitpunkt bereits bekannte neutronenarme Isotop 277112 mit nur 240 Mikrosekunden! Zur Synthese dieses langlebigen Nuklids wurde ein Target aus Uran-238 verwendet, das über viele Wochen mit einem hochenergetischen Strahl an Calcium-48 bestrahlt worden war. Dieses Isotop von Calcium ist sehr neutronenreich und kommt in der Natur mit einer Häufigkeit von nur 0,2% vor. Es kann an Isotopenanreicherungsanlagen hergestellt werden, ist aber ausserordentlich teuer.
Zur Abtrennung der am Beschleuniger sehr selten gebildeten Produkte wurde ein mit geringen Mengen an Wasserstoffgas gefüllter Magnet-Separator verwendet. Hinter dem Separator befand sich ein Halbleiterdetektor aus Silizium, der orts- und energieaufgelöst die Emission von Alphateilchen und die Spontanspaltung von implantierten, zerfallenden Atomkernen detektieren kann - und dies mit einer Empfindlichkeit von bis zu einem Atom pro Monat Messzeit! Diese hohe Empfindlichkeit wird unter anderem deshalb erreicht, weil das gesuchte Produkt durch eine Serie von Alphaemissionen zerfällt. Dies bedeutet, dass jeder zerfallende Atomkern im Detektor am Ort der Implantation durch eine Reihe von Alphateilchen festgelegter Energien, die erst noch nach gewissen Regeln der Kernphysik zeitlich gestaffelt erfolgen müssen, nachgewiesen werden kann. Dadurch wird die Irrtumsrate sehr klein. Derartige Zerfallsketten sind aus der Natur durchaus seit langem bekannt: So zerfallen sowohl Uran-238 wie auch Thorium-232 durch Sequenzen von zeitlich gestaffelten Emissionen von Alpha- resp. Betateilchen in das stabile Schlussprodukt Blei.
Im Sommer 2003 wurde nun am Flerov Institut über mehrere Wochen ein Target aus hochradioaktivem Americium-243 mit hochenergetischen Ionen von Calcium-48 bestrahlt. Die Bestrahlungsenergie betrug etwa 240 Millionen Elektronenvolt (MeV). Durch Kernfusion entsteht dabei aus dem Target (Ordnungszahl 95) und dem Strahlteilchen Calcium (Ordnungszahl 20) das Element 115. Allerdings waren die Bildungsraten extrem gering: nur etwa ein Atom pro Woche und dies obwohl ein etwa 300 nm dickes Americium-243 Target permanent mit ca. 3x1012 Calcium-48 Teilchen pro Sekunde bestrahlt worden war! Der Grund liegt in der hohen Spaltbarkeit der primär gebildeten Produkte, die analog zur Uranspaltung vorwiegend zerplatzen. Nur ein ausserordentlich geringer Teil überlebte nach Emission von drei resp. vier Neutronen.
In der Strahlzeit konnten im Silizium Detektor einzelne zerfallende Atome der Isotope 287115 und 288115 beobachtet werden. Beide Isotope emittierten zeitlich gestaffelt je 5 Alphateilchen und wandelten so das Element 115 in das Element 105 (Dubnium) um. Das Schlussprodukt Dubnium zerfiel dann nach 73 Minuten (267Db aus 287115) resp. 16 Stunden (268Db aus 288115) durch spontane Kernspaltung. Dabei wurde zudem nach dem ersten Alphazerfall als "Nebenprodukt" das bisher unbekannte Element 113 entdeckt. Die Elemente mit der Ordnungszahl 111 und darunter sind schon seit einigen Jahren bekannt. Die langen Lebensdauern der beobachteten Nuklide, insbesondere der beiden Schlussglieder der Ketten (267Db und 268Db) können als weiterer Beweis für die Existenz der Insel Superschwerer Elemente betrachtet werden.
In einem weiteren Experiment in Dubna soll im Sommer 2004 in einer Zusammenarbeit zwischen dem Flerov Institut und dem Paul Scherrer Institut das Experiment wiederholt und anschliessend Dubnium chemisch isoliert und nachgewiesen werden. Damit könnte die zur Zeit noch hypothetische Zuordnung der Alpha-Zerfallsketten zu festen Ordnungszahlen bestätigt werden - eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die International Union of pure and applied Chemistry (IUPAC) die Entdeckung der neuen Elemente 115 und 113 akzeptiert und den Entdeckern das Recht zugesteht, Namensvorschläge einzureichen. Die IUPAC ist eine internationale Kommission, die unter anderem alle Namensgebungen in der Chemie definiert. Dazu gehören selbstverständlich auch die Namen neuer chemischer Elemente. Mit der Ausarbeitung der chemischen Trennung für einzelne Atome von Dubnium sind am Paul Scherrer Institut Dr. D. Schumann und Dr. H. Bruchertseifer betreut.
Das schwerste bisher benannte Element heisst Darmstadtium; es besitzt die Ordnungszahl 110 und wurde bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt vor etwas mehr als 10 Jahren in einer Fusionsreaktion zwischen einem Bleitarget und einem Nickelstrahl entdeckt. Allerdings wurde dabei ein neutronenarmes Isotop synthetisiert, das nur wenige Millisekunden lebte und somit nicht zur der Insel der Superschweren Elemente gehört. Die definitive Benennung erfolgte erst im letzten Jahr anlässlich der Generalsversammlung der IUPAC.

Quelle

Heinz W. Gäggeler

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