EuGH-Urteil zu Doel-Laufzeitverlängerung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) – das oberste Justizorgan der EU – ist der Auffassung, dass vor der Genehmigung einer Laufzeitverlängerung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Dies gilt auch für die beiden belgischen Einheiten Doel-1 und -2, deren Laufzeit 2015 ohne eine solche verlängert worden war. Verfahrensabweichungen sind aber in dringlichen Situationen, wie der Gefährdung der Versorgungssicherheit, zulässig.

2. Aug. 2019

Der belgische Gesetzgeber beschloss 2003, aus der Kernenergie auszusteigen. Der Bau neuer Einheiten wurde untersagt und die bestehenden Blöcke sollten nach 40 Betriebsjahren stillgelegt werden. Block 1 des Kernkraftwerks Doel stellte die Stromerzeugung dementsprechend im Februar 2015 ein. Block 2 hätte im selben Jahr folgen sollen. Der belgische Gesetzgeber stimmte Ende Juni 2015 jedoch einer Laufzeitverlängerung von Doel-1 für weitere zehn Jahre (bis 15. Februar 2025) zu und verschob das Ende der Stromerzeugung von Doel-2 um fast zehn Jahre (bis 1. Dezember 2025). Mit diesen Massnahmen gingen umfangreiche Arbeiten an diesen beiden Einheiten im Umfang von EUR 700 Mio. einher, so der EuGH. Die französische Engie SA und die belgische Regierung einigten sich dabei auch über die Höhe von Gebühren, welche die Betreiberin Electrabel SA – eine Tochtergesellschaft der Engie – zwischen 2016 und 2025 jährlich zu entrichten hat.

Zwei belgische Vereinigungen erhoben daraufhin beim belgischen Verfassungsgerichtshof Nichtigkeitsklage gegen das Gesetz über die Laufzeitverlängerung, weil die Verlängerung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit beschlossen worden sei. Der belgische Verfassungsgerichtshof ersuchte darauf den EuGH um Auslegung dieser Übereinkommen und Richtlinien. Er wollte wissen, ob der Erlass eines Gesetzes zur Verlängerung des Zeitraums, in dem durch Kernkraftwerke industriell Strom erzeugt wird, Umweltverträglichkeitsprüfungen erfordert.

Entscheid des EuGH

Der EuGH erklärt nun in seinem am 29. Juli 2019 veröffentlichten Urteil, dass die Laufzeitverlängerungen hinsichtlich der Gefahren für die Umwelt ein Ausmass haben, das dem der Erstinbetriebnahme dieser Einheiten vergleichbar ist. Ein solches Projekt muss folglich zwingend einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäss der UVP-Richtlinie unterzogen werden. Da die beiden Blöcke zudem in der Nähe der belgisch-niederländischen Grenze stehen, muss ein solches Projekt auch einem grenzüberschreitenden Prüfungsverfahren unterzogen werden. Diese Prüfung muss vor dem Erlass des Gesetzes, mit dem die Laufzeit der betreffenden Kraftwerke verlängert wird, stattfinden.

Der EuGH führt aber an, dass ein solches Projekt nach der UVP-Richtlinie von der Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen werden kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat darlegen kann, «dass die von ihm geltend gemachte Gefahr für die Stromversorgungssicherheit bei vernünftiger Betrachtung wahrscheinlich ist und dass das betreffende Projekt so dringlich ist, dass es das Unterbleiben einer solchen Prüfung zu rechtfertigen vermag.»

Zu der Frage, ob der belgische Verfassungsgerichtshof beschliessen kann, die Wirkungen des Gesetzes aufrechtzuerhalten, obwohl Prüfungspflichten unterlassen wurden, bemerkt der Gerichtshof, dass das Unionsrecht unter bestimmten Voraussetzungen nicht verbietet, «dass diese Prüfungen zur Legalisierung des betreffenden Projekts während oder sogar nach seiner Durchführung vorgenommen werden.»

Beschlüsse mit sogenannten Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH sind unanfechtbar. Er entscheidet jedoch nicht über einen nationalen Rechtsstreit. Ausstehend ist deshalb das Urteil des belgischen Verfassungsgerichtshofs zur Nichtigkeitsklage, das im Einklang mit dem Entscheid des EuGH stehen muss.

Quelle

M.B. nach EuGH, Medienmitteilung, 29. Juli 2019

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