Ensi: Nachrüstkonzepte für Mühleberg mit Auflagen gutgeheissen
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat die Massnahmen, die das Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) für die Restlaufzeit bis 2019 vorsieht, geprüft und akzeptiert. Die Stellungnahme des Ensi wird als Nächstes der Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) unterbreitet. Die abschliessende Verfügung wird die Behörde nach deren Befund erlassen.
Die Betreiberin BKW AG erhielt im Frühjahr 2013 nach einem Bundesgerichtsentscheid die unbefristete Betriebsbewilligung für das KKM. Dieser Schritt wurde vom Ensi unter Auflagen akzeptiert. Nachdem die BKW Ende Oktober 2013 ihren Entscheid, das KKM 2019 vorzeitig vom Netz zu nehmen, bekannt gegeben hatte, verlangte das Ensi ein neues Nachrüstkonzept für die Restlaufzeit. Es hatte der BKW zudem erlaubt, zu den folgenden vier Massnahmen, die für den unbefristeten Langzeitbetrieb gefordert wurden, Alternativen einzureichen:
- Stabilisierungsmassnahmen für den Kernmantel
- Realisierung der zusätzlichen, erdbebenfesten und überflutungssicheren, von der Aare unabhängigen Kühlwasserversorgung
- Realisierung eines erdbebenfesten und überflutungssicherenBrennelementbecken-Kühlsystems
- zusätzliches Nachwärmeabführsystem
Kernmantel: Prüfaktivitäten und Grenzwerte
Das Ensi kann nach eigenen Angaben aufgrund der beschränkten Restlaufzeit akzeptieren, dass die BKW auf die Stabilisierungsmassnahmen, welche die Behörde für einen unbefristeten Langzeitbetrieb gefordert hatte, verzichtet. Stattdessen soll das Prüfprogramm des Kernmantels ausgedehnt werden. Es fordert, dass in der verbleibenden Laufzeit am Kernmantel neu bei jeder Jahresrevision zerstörungsfreie Prüfungen mit einem qualifizierten Prüfsystem durchgeführt werden.
Laut Ensi sieht die BKW eine Erweiterung des Wiederholungsprüfprogrammes an den Schweissnähten des Kernmantels sowie verfeinerte bruchmechanische Berechnungen vor. Berücksichtigt werden dabei auch die Querrisse, die während der Jahresrevision 2014 erstmals in Mühleberg entdeckt wurden.
Zudem hat das Ensi zwei technische Kriterien für die Risse festgelegt, die nicht überschritten werden dürfen. «Mit dieser Vorgabe stellen wir sicher, dass die Stabilität des Kernmantels mit einer Sicherheitsmarge gewährleistet bleibt», erklärt Georg Schwarz, stellvertretender Ensi-Direktor und Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke, an einer Medienkonferenz der Behörde. Beruhend auf heutigem Kenntnisstand gehe das Ensi nicht davon aus, dass die Risse im Kernmantel des Kernkraftwerks Mühleberg vor der endgültigen Ausserbetriebnahme 2019 die Grenzwerte erreichen. «Sollte sich die Entwicklung jedoch unerwartet ändern, haben wir mit den Grenzwerten ein Abschaltkriterium definiert», erklärte Georg Schwarz.
Bauliche Massnahmen zur Sicherstellung der Kühlwasserversorgung
Anstelle der ursprünglich geplanten Grundwasserfassung Saanetal reichte die BKW ein Konzept für eine grundlegende Erneuerung der Wasserversorgung über ein Rewag-Pumpwerk ein. Dieses solle überflutungssicher errichtet werden und das bestehende Hochreservoir Runtigenrain mit Wasser aus der bestehenden Grundwasserfassung Rewag versorgen, so das Ensi. Als Reserven sollten der Verbund «Grosses Moos» und das Reservoir Stockeren angebunden werden. Das Wasser könne für die Kühlung der Susan-Notstromdiesel, für die Kernkühlung und die Kühlung des Brennelementbeckens eingesetzt werden. Diese Vorschläge akzeptierte das Ensi als vollwertige alternative Lösung zur Sicherstellung der Kühlwasserversorgung bei auslegungsüberschreitendem Hochwasser. Die Umsetzung der Wasserversorgung solle zu Ende der Jahresrevision 2015 abgeschlossen werden. Für die geplante Notnachspeisung in den Reaktordruckbehälter habe die BKW bis zum Ende der Jahresrevision 2016 Zeit. Mit dem System sei die Kernkühlung auch bei einem vollständigen Ausfall aller Pumpen der Notkühlsysteme möglich.
Sicherheitsgewinn durch Staumauerverstärkung
Das Ensi hält weiter fest, dass erdbebenbedingte Überflutungen aufgrund der bereits realisierten Verstärkung der Wohlensee-Staumauer nahezu ausgeschlossen werden können. Der Kühlwasserbezug aus der Aare bleibe deshalb auch nach auslegungsüberschreitenden Erdbeben möglich. «Diese Massnahme hat die Sicherheit des Kernkraftwerks generell weiter verbessert», erklärte Georg Schwarz. Die Verstärkung der Stauanlage bringe zusammen mit der Realisierung der hochwassersicheren Kühlwasserversorgung einen vergleichbaren Sicherheitsgewinn wie die ursprünglich vorgesehene Grundwasserfassung Saanetal.
Weiter seien Verbesserungen im untersten Raum des Reaktorgebäudes, in der sogenannten -11m-Ebene, vorgesehen. Dort befinden sich die Pumpen der Notkühlsysteme des Kernkraftwerks Mühleberg.
Verstärkung der Notfallkühlung des Brennelementbeckens
Das Kühlsystem für das Brennelementbecken will die BKW in zwei Phasen verstärken. In einer ersten Phase sollen Eintauchkühler installiert werden, die über das Hochreservoir Runtigenrain sowie über mobile Mittel mit Kühlwasser versorgt werden können. In einer zweiten Phase nach der endgültigen Ausserbetriebnahme soll das Notfall-Kühlsystem in ein vollwertiges Sicherheitssystem umgebaut werden.
Das Ensi akzeptiere diesen Vorschlag als Übergangslösung und fordere eine Umsetzung bis Ende 2016. Der Umbau in ein vollwertiges Sicherheitssystem sei bis Ende September 2020 durchzuführen, da dieses System insbesondere nach der Ausserbetriebnahme von Bedeutung sei.
Weitere Massnahmen
Neben den vier Alternativvorschlägen reichte die BKW weitere Nachweise und Verbesserungsmassnahmen ein, die das Ensi gefordert hatte. Diese betreffen unter anderem den Schutz vor einer Überspeisung des Reaktordruckbehälters und die Verkabelung. Das Ensi habe auch diese Massnahmen geprüft und dort, wo noch Handlungsbedarf bestehe, Forderungen mit Fristen formuliert.
Stellungnahme der KNS
Das ENSI unterbreitet nun die vorliegende Stellungnahme auch der KNS. Nach deren Stellungnahme wird das ENSI die abschliessende Verfügung erlassen.
BKW nimmt Umsetzung in Angriff
Die BKW teilte am Tag der Veröffentlichung der Ensi-Stellungnahme mit, das KKM werde die Forderungen erfüllen und umgehend mit der Umsetzung der Nachrüstmassnahmen beginnen. Die BKW rechnet für diese Nachrüstungen weiterhin mit den bereits im Sommer 2014 angekündigten Kosten von CHF 15 Mio. Bis 2019 wird sie insgesamt rund CHF 200 Mio. in den Betrieb und in die Instandhaltung von Mühleberg investieren.
Quelle
M.B. nach Ensi und BKW, Medienmitteilungen, 27. Januar 2015
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