Deutschland: Koalitionsvertrag besiegelt neue Atompolitik
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Vorsitzenden von CSU und FDP, Horst Seehofer und Guido Westerwelle, haben am 26. Oktober 2009 gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden den Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags mit dem Titel «Wachstum, Bildung, Zusammenhalt» unterschrieben. Demnach sollen die Voraussetzungen für eine Laufzeitverlängerung der bestehenden Kernkraftwerke mit den Betreibern geregelt werden. Das Neubauverbot bleibt bestehen, während das Moratorium zur Erkundung des Salzstockes Gorleben unverzüglich aufgehoben wird.
Merkel wird die Grundzüge des Koalitionsvertrags am 10. November 2009 vor dem Parlament erläutern. Zur Kernenergie hält er fest: «Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann. Andernfalls werden wir unsere Klimaziele, erträgliche Energiepreise und weniger Abhängigkeit vom Ausland nicht erreichen. Dazu sind wir bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern. Das Neubauverbot im Atomgesetz bleibt bestehen. In einer möglichst schnell zu erzielenden Vereinbarung mit den Betreibern werden zu den Voraussetzungen einer Laufzeitverlängerung nähere Regelungen getroffen (unter anderem Betriebszeiten der Kraftwerke, Sicherheitsniveau, Höhe und Zeitpunkt eines Vorteilsausgleichs, Mittelverwendung zur Erforschung vor allem von erneuerbaren Energien, insbesondere von Speichertechnologien). Die Vereinbarung muss für alle Beteiligten Planungssicherheit gewährleisten.»
Zur nuklearen Entsorgung steht: «Eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie bedingt auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle. Wir werden deshalb das Moratorium zur Erkundung des Salzstockes Gorleben unverzüglich aufheben, um ergebnisoffen die Erkundungsarbeiten fortzusetzen. Wir wollen, dass eine International Peer Review Group begleitend prüft, ob Gorleben den neuesten internationalen Standards genügt. Der gesamte Prozess wird öffentlich und transparent gestaltet. Die Endlager Asse II und Morsleben sind in einem zügigen und transparenten Verfahren zu schliessen. Dabei hat die Sicherheit von Mensch und Umwelt höchste Priorität. Die Energieversorger sind an den Kosten der Schliessung der Asse II zu beteiligen. Mit Blick auf Endlagerstandorte setzen wir uns für einen gerechten Ausgleich für die betroffenen Regionen ein, die eine im nationalen Interesse bedeutsame Entsorgungseinrichtung übernehmen.»
Stimmen zum Koalitionsvertrag
Das deutsche Atomforum (DAtF) begrüsste in einer Stellungnahme die Bereitschaft von CDU/CSU und FDP, die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke als Brückentechnologie zu verlängern. Der eingeschlagene Weg – erneuerbare Energien zu stärken und die Laufzeiten zu verlängern – ermögliche die Gestaltung einer zukunftsweisenden Energieversorgung Deutschlands. Die Details der Ausgestaltung einer Laufzeitverlängerung werde die Politik in Gesprächen mit den Betreibern klären, so das DAtF. Die Betreiber hätten bereits im Vorfeld signalisiert, dass sie offen und konstruktiv in solche Verhandlungen eintreten würden. Das DAtF begrüsst ferner die Position der Koalitionsparteien, die Erkundung in Gorleben zügig wieder aufzunehmen.
Der deutsche Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bezeichnete den Koalitionsvertrag als solide Basis. Entscheidend werde aber sein, wie die Rahmenbedingungen des angekündigten energiepolitischen Gesamtkonzeptes aussehen werde. «Das wird der Gradmesser für eine umweltverträgliche, sichere und wirtschaftliche Energieversorgung der Zukunft sein», erklärte Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW, in einer ersten Stellungnahme zum verabschiedeten Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Die konkreten Vereinbarungen über Rahmenbedingungen einer Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke sollten möglichst bald mit den Betreibern getroffen werden. In diesem Zusammenhang sprach sich der BDEW für eine wettbewerbsneutrale Gestaltung aus, die allen Unternehmen zugutekommt.
Der WWF vermisst im Koalitionsvertrag umweltpolitische Aufbruchsignale. Das Festhalten an der Kernenergie und das fehlende Moratorium für den Bau von Kohlekraftwerken verbauten den Weg in eine zukunftsfähige Energieversorgung. Der WWF setzt grosse Hoffnung auf den neuen Bundesumweltminister Norbert Röttgen.
Quelle
M.A. nach Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP «Wachstum, Bildung, Zusammenhalt», 17. Legislaturperiode, sowie DAtF, Presseinfo, 24. Oktober, BDEW, Pressemitteilung, 26. Oktober, und WWF, Pressemitteilung, 25. Oktober 2009
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