Der Europäische Druckwasserreaktor

Referat von Herrn Dr. Ralf Güldner, Geschäftsführer der deutschen Regionalgesellschaft der Framatome ANP, anlässlich der Generalversammlung der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie vom 14. Oktober 2004 im Kursaal Bern.

13. Okt. 2004

Auch in deregulierten Strommärkten ist der Neubau eines modernen Kernkraftwerkes wirtschaftlich sinnvoll und trägt zur Erfüllung von Klimaschutzzielen bei. Zudem reduziert ein angemessener Anteil von Kernenergie am Energiemix die Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger. Damit werden wirtschaftspolitische und umweltpolitische Ziele gleichermassen erreicht. Dies kann eindrucksvoll am Beispiel der finnischen Entscheidung für den Bau eines Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) erläutert werden.
Aufschlussreich ist es, den Prozess darzulegen, der zu der Entscheidung für den Neubau eines Kernkraftwerkes in Finnland führte und gleichzeitig die gesellschaftliche Akzeptanz des Projektes sicherstellte. Das finnische Bauprojekt Olkiluoto-3 dient auch als Referenz für die Errichtungsphase eines EPR-Projektes, dessen projektunabhängige Daten die Weiterentwicklung der DWR-Technik gegenüber den derzeit in Betrieb befindlichen Anlagen demonstrieren.
Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass auch in Frankreich politisch grünes Licht für den Bau eines EPR gegeben wurde und dass eine Reihe anderer Staaten z. B. China oder selbst Belgien Interesse an diesem Reaktor bekundet haben.

1. Entscheidungsprozess: Fakten achten und vermitteln

Die globale Herausforderung, einen steigenden Energiebedarf bei gleichzeitiger Senkung der CO2-Emissionen zu stillen, schafft Fakten, die in der nationalen Energiepolitik einzelner Staaten berücksichtigt werden müssen. Eine Reihe von Ländern bzw. Regionen haben dies bereits erkannt und ihre Konsequenzen daraus gezogen, andere werden folgen und letztendlich kann sich kein Land dieser gemeinsamen Verantwortung entziehen.
Finnland ist hier ein Beispiel für Europa. Die Gründe, die dort - wie auch in Frankreich - zu der Entscheidung für den Bau eines EPR geführt haben, sind aber auf andere Länder übertragbar und werden zum Tragen kommen, wenn auch dort Entscheidung zu Kraftwerksneubauten und damit zur langfristigen Struktur der Stromerzeugungskapazitäten anstehen. Finnland hatte hier lediglich aus Bedarfsgründen früher Handlungsbedarf als andere europäische Staaten.

1.1 Die globale Energiesituation: Im Spannungsfeld aus steigendem Bedarf sowie Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit

  • - Der globale Energiebedarf steigt, insbesondere
    in den Entwicklungsländern: die Weltbevölkerung wächst, der pro Kopf Energieverbrauch in der dritten Welt steigt, 2 Mrd. Menschen haben bisher keine ausreichende Energieversorgung


  • - Auch wenn anspruchsvollste Einsparungen in den Industriestaaten unterstellt werden, kompensiert dies nicht den Anstieg in den Entwicklungsländern.
  • - Selbst wenn man in den Industrienationen eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs unterstellt, wird dennoch der Stromverbrauch aufgrund neuer Technologien steigen.

Global bedeutet dies einen stark steigenden Energiebedarf und einen überproportionalen Anstieg des Strombedarfs.
Von Professor Dr. Rakesh Chawla wurde bereits das Thema CO2 und Energie näher behandelt, ich beziehe mich deshalb nur ganz kurz darauf: Die in Verkehr, Industrie, Stromerzeugung und Haushalt vorherrschend verwendeten fossilen Energieträger (im wesentlichen Erdöl, Erdgas und Kohle) setzen bei der Verbrennung zwangsweise CO2 frei und tragen damit zum Klimawandel bei, dies wird inzwischen als das bedrohlichste Umweltrisiko gesehen. Die Senkung des globalen CO2-Ausstosses ist daher die grösste Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Das Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen fordert als ersten Schritt von den Industriestaaten eine Reduzierung ihrer Emissionen. Eine Stabilisierung der Erwärmung der Erdatmosphäre auf maximal zwei Grad erfordert aber eine Reduzierung des weltweiten CO2-Ausstosses auf deutlich weniger als die Hälfte des bisherigen. Die Nutzung aller verfügbaren Technologien, die einen CO2-freien Beitrag zur Energieversorgung liefern, ist daher eine Verpflichtung gegenüber den heutigen und zukünftigen Generationen.
Weiter erschwert wird die Energieversorgung dadurch, dass sich bei den fossilen Primärenergieträgern, insbesondere bei Erdöl, Grenzen ihrer Reichweite abzeichnen. Erdgas wird nur befristet Ersatz für Öl schaffen können. Nur Kohle ist eine fossile Energiequelle mit grosser Reichweite. Der Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit wird zunehmend den Einsatz der Energieträger beeinflussen. Ein deutlicher Preisanstieg auf den Weltmärkten wird unvermeidbar sein.
Sollen die Kriterien einer "nachhaltige Entwicklung" erfüllt werden, so muss die Energieversorgung der Weltbevölkerung die Kriterien der Ökologie und der Ökonomie gleichzeitig erfüllen und wir dürfen nicht Energieträger erschöpfen, die zukünftige Generationen zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse benötigen werden.
Resultierend bedeutet dies, dass wir heute jede verfügbare Energiequelle mit der höchstmöglichen Effizienz nutzen und gleichzeitig der Erforschung neuer Energieträger höchste Priorität einräumen müssen. Dabei gilt das höchste Augenmerk der Schonung knapper Ressourcen und dem Ausbau CO2-freier und CO2-ärmerer Energieträger. Der Kernenergie wird hierbei eine steigende Bedeutung zukommen.

1.2 Energiepolitik: Reaktionen auf globale Vorgaben
Auch wenn die energiepolitischen Konzepte einzelner Staaten sich auch in Zukunft in Abhängigkeiten von regionalen Randbedingungen unterscheiden werden, so bleibt doch das gemeinsame globale Ziel der CO2-Reduzierung. Der Einsatz der Kernenergie wird an Akzeptanz gewinnen, wenn die öffentliche Diskussion sachlich und ideologiefrei geführt wird.
Fakten und Zusammenhänge der Energieversorgung wurden beispielsweise von der EU frühzeitig erkannt und Konsequenzen gezogen. So sieht die EU in ihrem Grünbuch zur Versorgungssicherheit die Gefahr, dass bei "Business as usual" in 20 bis 30 Jahren eine Energieabhängigkeit vom Ausland von mehr als 70% besteht. Massnahmen, die die EU vorschlägt, sind unter anderem ein Anteil der Erneuerbaren Energien am Primärenergiebedarf von mehr als 12% und mehr als 22% bei der Stromerzeugung sowie ein ausreichender Einsatz der Kernenergie. Auch die Erkenntnis, dass zur Stromerzeugung der Einsatz der Kernenergie unverzichtbar ist, wenn das Erreichen der Klimaschutzziele nicht aufgegeben werden soll, gehört dazu.
Speziell die Generaldirektion für Energie und Verkehr und ihre bisherige Kommissarin Loyola de Palacio haben die Risiken für eine ausreichende Energieversorgung bei den gegebenen Beschränkungen erkannt, und unter anderem eine Neubewertung der Kernenergie eingeleitet.

1.3 Das Beispiel Finnland
Alle Schlussfolgerungen der EU hat Finnland zusätzlich zu nationalen Randbedingungen in seine Überlegungen einbezogen: Klimaschutz, Versorgungssicherheit und kostengünstige Energie waren wesentliche Kriterien. (Zu erwähnen ist, dass Finnland bereits jetzt eine höhere Importquote hat als von der EU im Grünbuch befürchtet und andererseits deutlich mehr Strom durch erneuerbare Energien erzeugt als vom Grünbuch für die Zukunft empfohlen.)
Finnland hat also frühzeitig eine verantwortungsvolle Energiepolitik eingeleitet, um den weiterhin wachsenden Strombedarf im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu decken: Bis 2020 wird ein Anstieg um ein Viertel erwartet. Der Ausbau der erneuerbaren Energien spielt auch weiterhin eine grosse Rolle, allerdings wurden auch deren Grenzen realistisch erkannt. Ausführliche vergleichende Studien, die alle Alternativen zur Deckung des zukünftigen Energiebedarfs berücksichtigten, wurden durchgeführt und in der Politik sowie in der breiten Öffentlichkeit intensiv diskutiert.
Am Ende dieses bemerkenswerten und beispielhaften Prozesses stand der Parlamentsbeschluss für die verstärkte Nutzung der Kernenergie und den Bau des fünften Kernkraftwerkes, der auch gesellschaftliche Akzeptanz fand (1993 wurde der Ausbau der Kernenergie noch abgelehnt). Erleichtert wurden diese Entscheidungen von Regierung und Parlament durch zwei Tatsache: An den beiden Kernkraftwerksstandorten existieren zwei Endlager für niedrig- und mittelradioaktive Abfälle. Darüber hinaus wurde rechtzeitig, d.h. vor der Entscheidung für das fünfte Kernkraftwerk, vom Parlament fast einstimmig Olkiluoto als Standort für das Endlager für hochradioaktiven Abfall (abgebrannte Brennelemente) festgelegt - unter der Bedingung, das die Erkundung die Eignung bestätigt.
Daneben hat die tatkräftige Unterstützung für das neue Kernkraftwerk durch Wirtschaft und Gewerkschaften geholfen. Beide haben die Vorteile des kostengünstigen Strombezuges aus dem Kernkraftwerk für die Wirtschaft und daraus resultierend für die Sicherung von Arbeitsplätzen hervorgehoben.
Von folgender Ausgangslage wurde vor dem Neubau des Kernkraftwerkes ausgegangen:

  • - Der Strombedarf in Finnland steigt seit Jahren stetig an. Finnland hat einen grossen Anteil an stromintensiver Industrie.
  • - Finnlands Abhängigkeit von Primärenergie- und Stromimporten ist ziemlich hoch (über 70%) und von relativ wenigen Ländern abhängig.
  • - Um den vorhergesagten Verbrauchsanstieg von 28 TWh in den nächsten 15 Jahren zu decken müssen alle verfügbaren Quellen (einschliesslich erneuerbarer Energien) verwendet werden.
  • - Um den ausgewogenen Energiemix in Finnland zu behalten, hat die Kernenergie einen steigenden Anteil beizutragen.
  • - Finnlands Verpflichtung nach dem Kyoto-Protokoll und dem "EU-Burdensharing" (CO2 Ausstoss wie 1990) erfordert zusätzliche CO2-freie Erzeugungskapazität, um das wirtschaftliche Wachstum nicht einzuschränken.
  • - Finnland hat ein umfassendes Konzept zur Behandlung und Lagerung von radioaktiven Abfällen, das politisch von praktisch allen Parteien (einschliesslich der Grünen) unterstützt wird.

Der Bau eines neuen Kernkraftwerkes trägt dieser Ausgangslage am besten Rechnung:

  • - Olkiluoto-3 deckt zum Teil den zusätzlichen Strombedarf und ersetzt alte fossilbefeuerte Kraftwerke
  • - Olkiluoto-3 trägt zur Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll bei
  • - Olkiluoto-3 sichert stabile und vorhersagbare Strompreise und
  • - Olkiluoto-3 reduziert die Abhängigkeit von Stromimporten.

Professor Tarjanne von der Lappeenranta-Universität hat in ausführlichen Studien nachgewiesen, dass die Kernenergie bereits ohne Berücksichtigung einer CO2-"Steuer" zu den niedrigsten und langfristig stabilsten Stromgestehungskosten führt. Ein zukünftiger Emissionshandel wird die Kosten für fossil befeuerte Kraftwerke weiter erhöhen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Kernenergie noch verbessern.
Die kurze Bauzeit (bis 2009) kommt dem raschen Erreichen der wirtschaftlichen und der umweltpolitischen Ziele ebenfalls entgegen.

2. Das Projekt Olkiluoto-3

2.1. Der Auftraggeber TVO

Der Auftrag für das Kernkraftwerk Olkiluoto-3 wurde von Teollisuuden Voima Oy (TVO) erteilt. Das Unternehmen wurde 1969 gegründet. Der gesamte Personalstand (Verwaltung und Betrieb) betrug vor Olkiluoto-3 nur 524 Mitarbeiter. TVO erzeugt Elektrizität für die Anteilseigner zu Selbstkosten. An Produktionskapazitäten besitzt es das Kernkraftwerk Olkiluoto mit 2 x 840 MW (SWR) und einen Anteil von 45 % am Kohlenkraftwerk Meri-Pori mit 250 MW.

2.2 Der Block Olkiluoto-3
TVO ist also eine Art Genossenschaft, die den Gesellschaftern den Bezug von Strom zum Selbstkostenpreis erlaubt - ohne sie dazu zu zwingen. (Dies widerlegt natürlich auch die Behauptung, "Atomstrom ist nicht konkurrenzfähig"). Die Gesellschafter sind sowohl Elektrizitätsunternehmen als auch grosse Stromverbraucher. Über 50 Firmen sind am Block Olkiluoto-3 beteiligt.
Deshalb steht Olkiluoto-3 in betriebswirtschaftlicher Hinsicht einschliesslich Finanzierung auf ein solides Fundament. Einige Eckdaten:

  • - Strategisches Langzeitinvestment, 60 Jahren Betriebsdauer
  • - Gesamt-Investitionskosten ca. EUR 3 Mrd. einschliesslich Zinsen während der Bauzeit
  • - Finanzierung: 20% Eigenkapital, 5% durch teilnehmende Gesellschafter, 75% Kredite
  • - Keine finanzielle Unterstützung durch die Regierung

Der Auftrag für die schlüsselfertige Errichtung von Olkiluoto-3 wurde einem Konsortium aus der Areva-Gruppe und Siemens PG erteilt. Das Konsortium wird von Framatome ANP, einem Unternehmen von Areva und Siemens, geleitet.

  • - Framatome ANP Liefer- und Leistungsumfang
    • - Kompletter Nuklearteil (NSSS und BNI)
    • - Gebäude für den kompletten Nuklearteil
    • - Verantwortlichkeit für die Koordination des Gesamtprojektes und die Schnittstellenabstimmung
    • - Lieferung des Erstkerns
  • - Siemens PG Liefer- und Leistungsumfang
    • - Kompletter konventioneller Teil
    • - Gebäude für den kompletten konventionellen Teil
  • - TVO behält sich folgende Anteile vor:
    • - Leitung des Genehmigungsverfahrens mit Regierung und Sicherheitsbehörde (STUK)
    • - Bauplatzvorbereitung und Aushub
    • - Aussenschaltanlagen, Wassereinlauf und -auslauf, Kaianlagen, Bürogebäude und andere Nebengebäude


2.3 Für Olkiluoto-3 gilt folgender Zeitplan:

  • - 15. Nov 2000: TVO beantragt bei der Regierung "Decision-in-Principle" für DWR oder SWR, Leistung ca. 1000-1600 MW, in Loviisa oder Olkiluoto
  • - 17. Jan 2002: "Decision-in-Principle" durch die finnische Regierung für Bau eines fünften KKW
  • - 24. Mai 2002: Das Finnische Parlament ratifiziert "Decision-in-Principle"
  • - 1. Okt 2002: Internationale Ausschreibung durch TVO für das fünfte KKW
  • - 31. März 2003: Mehrere Hersteller liefern Angebote an TVO
  • - 15. Okt 2003: TVO benennt das Konsortium Framatome ANP/Siemenszum "preferred bidder", wählt den EPR mit 1600 MW als Reaktor und Olkiluoto als Standort (Olkiluoto-3)
  • - 18. Dez 2003: Vertragsunterzeichnung
  • - 1. Jan 2004: Vertrag tritt in Kraft
  • - 8. Jan 2004: TVO beantragt Baugenehmigung
  • - 16. Feb 2004: Beginn der Erdaushubarbeiten
  • - Frühjahr 2005: Baubeginn
  • - 2009: Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebes

3. Der Europäische Druckwasserreaktor EPR

Es ist zwischenzeitlich üblich, Reaktoren in so genannte Reaktorgenerationen (I bis IV) einzuteilen. Die im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke gehören (neben wenigen älteren) zur Generation II. In Generation III werden die neuen Reaktoren eingeordnet, die aus der Generation II entwickelt wurden und sich vor allem durch noch weiter erhöhte Sicherheit bei deutlich reduzierten Stromerzeugungskosten auszeichnen. Der EPR ist ein typischer Reaktor der Generation III.
Für die fernere Zukunft wird eine Generation IV entwickelt, die speziell zur Erweiterung des Anwendungsbereiches über die Stromerzeugung hinaus (z.B. Wasserstofferzeugung in Hochtemperaturprozessen) und zur Ressourcenstreckung (beispielsweise in schnellen Reaktoren) geeignet ist.

3.1 Entstehung des EPR

  • - Der EPR ist das Ergebnis einer deutsch-französischen Zusammenarbeit, die 1989 mit der Gründung von NPI begann.
  • - An der Entwicklung des EPR waren beteiligt:
    • - Elektrizitätsversorgungsunternehmen -Electricité de France und deutsche EVU's (unter anderem E.ON, EnBW und RWE)
    • - Kraftwerkshersteller, Framatome und der Nuklearbereich von Siemens, die zwischenzeitlich zur Framatome ANP verschmolzen wurden
    • - Sicherheitsbehörden beider Länder.
  • - Die Sicherheitsbehörden beider Länder waren in diesem Prozess eingeschaltet und haben soweit notwendig gemeinsame Anforderungen für zukünftige Kernkraftwerke definiert, da der EPR in Deutschland und in Frankreich gleichermassen genehmigungsfähig sein sollte.
  • - Der EPR berücksichtigt die European Utility Requirements (EUR) sowie das Utility Requirements Document (URD) des U.S. Electric Power Research Institute (EPRI).

Mit dem EPR wurde damit erstmals grenzüberschreitend eine breite industrielle Basis zur Entwicklung eines fortgeschrittenen Reaktors gefunden, die das technische Know-how und die Betriebserfahrungen aus beiden Ländern gleichermassen berücksichtigte.
Eine evolutionäre Auslegung wurde gewählt, um die Erfahrung in Bau und Betrieb von Reaktoren in vollem Umfang nutzen zu können, nicht nur aus Frankreich und Deutschland mit 1700 Reaktorbetriebsjahren, sondern weltweit. Wie der Vergleich zeigt, ist der EPR eine konsequente Weiterentwicklung der deutschen Konvoi-Anlagen und des französischen N4-Designs.

3.2 Die Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit
In der bereits erwähnten Studie von Prof. Tarjanne zeigte sich die Konkurrenzfähigkeit der Kernkraftwerke gegenüber anderen Stromerzeugungstechnologien unter den Einsatzbedingungen eines finnischen Stromversorgers.
Durch folgende Massnahmen wurde erreicht, dass der EPR noch wirtschaftlicher ist als bisherige Kernkraftwerke:

  • - Reaktorleistung gegenüber Konvoi und N4 angehoben auf ungefähr 1600 MWe. Dies ergibt reduzierte spezifische Baukosten.
  • - Druck auf der Sekundärseite auf 78 bar angehoben. Dies führt neben einer optimierten Turbinenauslegung unter finnischen Verhältnissen (Kein Kühlturmbetrieb, kaltes Kühlwasser) zu einem Wirkungsgrad von mehr als 37% (der höchste uns bekannte Wirkungsgrad einer Leichtwasserreaktoranlage).
  • - Bessere Brennstoffausnützung, Abbrand grösser als 60 GWd/t, niedrigerer Uranverbrauch gibt geringere Kernbrennstoffkreislaufkosten
  • - Vereinfachte Wartung: Zugänglichkeit, Standardisierung, vorbeugende Wartungsmassnahmen während des Anlagenbetriebs möglich
  • - Kürzere Brennelementwechselzeiten für gesteigerte Verfügbarkeit
  • - Geplante technische Betriebsdauer 60 Jahre
  • - Bauzeit von 48 Monaten

Dies führt zu noch niedrigeren Stromerzeugungskosten als bei den neuesten derzeit in Betrieb befindlichen Reaktoren.
Die Massnahmen für einen möglichst langen und ungestörten Dauerbetrieb mit nur kurzen Stillstandszeiten sind im Einzelnen.

  • - Brennelementzyklen bis zu zwei Jahren
  • - Kurze Brennelementwechselzeiten, selbst bei grösseren Wartungsarbeiten, reduzieren die Stillstandszeiten
  • - Anlagenverfügbarkeiten von mehr als 90%


3.3 Erhöhte Sicherheit gegenüber Reaktoren der Generation II
Der EPR erfüllt die Spezifikationen der "European Utility Requirements", die von den europäischen EVU's aufgestellt wurden.
Die wichtigsten Sicherheitsfunktionen werden sichergestellt durch Systeme, die nach den Prinzipien von Redundanz und Diversität ausgelegt wurden. Vollständige Vierfachredundanz gilt für alle Sicherheitssysteme und alle zugehörigen Hilfssysteme. Die Reduktion der Risiken im Zusammenhang mit "Common Mode"-Fehlern, die auch redundante, aber technisch identische Systeme betreffen könnten, wurde erzielt, indem systematisch das Prinzip funktionaler Diversität angewendet wurde. Wenn ein redundantes System vollständig ausfallen würde, gibt es immer ein anderes System mit diversitärem Design, das die Funktion übernehmen könnte und dadurch ermöglicht, den EPR sicher abzufahren und zu kühlen. Die verschiedenen Stränge der sicherheitsrelevanten Systeme befinden sich in vier verschiedenen Gebäuden mit strikter räumlicher Trennung.
Zusätzlich zur Verminderung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Kernschäden wurde es möglich, die radiologischen Folgen von schweren Störfällen durch ein neues Containment-Design zu begrenzen. Dieses neue Design stellt sicher, dass das Containment seine strukturelle Integrität unter Unfallbedingungen und auch unter äusseren zivilisationsbedingten Risiken behält. Auch die Ereignisse des 11. September 2001 wurden dabei berücksichtigt.
Das Doppelwandcontainment ist so ausgelegt, dass jede radioaktive Leckage zuverlässig vor der Abgabe gefiltert wird.
Im hypothetischen Ereignis eines Unfalles mit Brennelementschaden würde es nicht mehr erforderlich sein, die in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Anlage lebende Bevölkerung zu evakuieren und es gäbe auch keine langfristigen Beschränkungen beim Nahrungsverzehr, das heisst es gibt keine Notwendigkeit für Umsiedlungen.
Die wesentlichen Sicherheitsmerkmale sind in der Zusammenfassung:

  • - vierfache Redundanz der Sicherheitssysteme
  • - Doppel-Containment mit gefilterter Ringraumabsaugung
  • - Integriertes Flutbecken/Sumpf
  • - Ausbreitungsfläche für Kernschmelze
  • - Containment-Wärmeabfuhr-System


3.4 Beiträge unter dem Gesichtspunkt einer Nachhaltigen Entwicklung

  • - Zahlreiche Vorteile in Hinsicht auf den Betrieb:
    • - Der Strahlenschutz für das Personal wurde verbessert: Das Ziel ist eine Kollektivdosis von weniger als 0,4 MannSievert pro Reaktor und Jahr (im Vergleich: in der westlichen Welt gilt bisher eine Grenze von 1 MannSv)
    • - Im Betrieb entsteht weniger (radioaktiver) Abfall
    • - Mensch-Maschine Schnittstelle auf höchstem Niveau und das vereinfachte und hochgradig automatisierte Steuerungssystem reduzieren das Risiko von menschlichen Fehlern
  • 2. Bessere Ausnutzung der Uranressourcen und geringere Aktinidenproduktion je MWh
  • 3. Minimierung der Abfallmengen nach Lebensdauerende in der Auslegung berücksichtigt

4. Der EPR-Reaktor Olkiluoto-3 schafft Arbeitsplätze

  • - ca. 1000 MA bei TVO und Konsortium, davon bei Framatome ANP: 450 MA
  • - maximal ca. 2600 Personen auf der Baustelle (Spitze im Frühjahr 2006)
  • - max. Investitionsvolumen für Finnland (% der Investitionssumme):
    • - 50% des gesamten Investitionsvolumens, darin enthalten
    • - 40% durch Konsortium

Das mit dem Bau verbundene Auftragsvolumen (ca. EUR 3 Mrd.) sowie das mit dem Kernkraftwerk nach der Fertigstellung verbundene reduzierte Strompreisniveau führen zur Unterstützung von Politik, Gewerkschaften und Industrie. Die Industrie erwartet von dem EPR langfristig im internationalen Vergleich wettbewerbsfähige Strompreise und damit einen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der energieintensiven finnischen Industrie.

Quelle

Dr. Ralf Güldner

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