Bundesrat will Stilllegungs- und Entsorgungsfonds-Einlagen erhöhen
Der Bundesrat hat am 14. August 2013 neue Eckwerte für die Revision der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung (SEFV) festgelegt, die noch im August 2013 in die Vernehmlassung gehen soll. Die Anlagenrendite soll gesenkt und ein Sicherheitszuschlag auf die geschätzten Kosten eingeführt werden. Die Betreiber der Schweizer Kernkraftwerke kritisieren den Entscheid scharf, denn sie sehen keinen Grund, die bestehenden Regeln zu ändern.
Die Kosten für die Stilllegung der Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle nach der endgültigen Ausserbetriebnahme sind gemäss Kernenergiegesetz durch die Betreiber zu tragen. Sie leisten dazu jährliche Beiträge in den Stilllegungsfonds für Kernanlagen sowie in den Entsorgungsfonds für radioaktive Abfälle. Die voraussichtliche Höhe der Stilllegungs- und Entsorgungskosten wird alle fünf Jahre gestützt auf die technischen Planungsangaben der Betreiber berechnet. Letztmals wurde eine solche Kostenstudie 2011 durchgeführt.
Auf der Grundlage der so ermittelten Kosten werden die von den Betreibern einzuzahlenden Jahresbeiträge mit Hilfe eines finanzmathematischen Modells berechnet. Das Modell basiert auf einer Betriebsdauer von 50 Jahren, einer Anlagerendite von 5%, einer Teuerungsrate von 3% und damit einer Realverzinsung von 2% pro Jahr (Art. 8 Abs. 5 SEFV). Die geschuldeten Beiträge müssen zum Zeitpunkt der Ausserbetriebnahme eines Kernkraftwerks in die Fonds einbezahlt sein. Bis zur Ausserbetriebnahme erfolgt die Finanzierung demnach über Beiträge und Kapitalerträge, ab Ausserbetriebnahme nur noch aus dem Fondsvermögen und -erträgen.
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, so der Bundesrat in seiner Medienmitteilung, dass die dem finanzmathematischen Modell zugrunde liegenden Annahmen von der effektiven Entwicklung der Anlagerendite und Teuerung abweichen. Die Finanzierung der Stilllegungs- und Entsorgungskosten ist daher unter den heute geltenden Regelungen nicht mehr vollständig gewährleistet, ist sich der Bundesrat sicher.
Die Kostenstudien aus den Jahren 2001, 2006 und 2011 haben gezeigt, dass die bereichsspezifische Kostensteigerung jeweils höher lag als die angenommene Teuerungsrate von 3%. Die effektive Kostensteigerung belief sich zwischen 2001 und 2011 bei der Stilllegung auf durchschnittlich 4,8% im Jahr. Bei der Entsorgung lag die Zunahme bei 3,5%. Zurückzuführen ist dies insbesondere auf veränderte technische, planerische und regulatorische Rahmenbedingungen. Zudem wurde die angestrebte Anlagerendite von nominal 5 % bei beiden Fonds nicht erreicht. Angesichts der aktuellen Tiefzinsphase und der mittel- bis langfristigen Wirtschaftsaussichten ist in den nächsten Jahren nicht mit einer grundlegenden Verbesserung der Situation zu rechnen, gibt der Bundesrat zu bedenken.
Bundesrat sieht drohende Finanzierungslücke
In beiden Fonds droht somit eine Finanzierungslücke, begründet der Bundesrat seinen Vorstoss. Damit verbunden sei das Risiko für den Bund, für die fehlenden Mittel aufkommen zu müssen, falls die Betreiber ihren Verpflichtungen nicht vollständig nachkommen können. Der Bundesrat ist deshalb zum Schluss gekommen, dass die Modellparameter zur Ermittlung der Kosten und der jährlich zu leistenden Beiträge im Rahmen einer Revision der SEFV angepasst werden müssen. Dabei stützt sich der Bundesrat auf die Erkenntnisse einer vom Bundesamt für Energie (BFE) geleiteten Arbeitsgruppe. Diese Arbeitsgruppe hat die Hauptpunkte der Revision bereits mehrmals mit Experten der Betreibergesellschaften besprochen. Weiter fanden Gespräche zwischen dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) und den Unternehmensspitzen der Betreibergesellschaften statt.
Eckwerte der Revision
Der Bundesrat hat jetzt die wesentlichen Eckwerte für die Revision der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung festgelegt, die voraussichtlich noch im August 2013 in die Vernehmlassung geschickt wird. Die Anlagerendite wird auf nominal 3,5% gesenkt. Mit einer Inflationsannahme von 1,5% (Teuerungsrate gemäss Langfristperspektiven des Bundes) ergibt sich weiterhin eine Realrendite von 2%. Zudem werden die Unsicherheiten der bereichsspezifischen Kostensteigerungen aufgrund von neuen technischen, planerischen und regulatorischen Anforderungen mittels eines pauschalen Sicherheitszuschlags von 30% auf den geschätzten Stilllegungs- und Entsorgungskosten berücksichtigt.
Mit der nächsten Kostenstudie im Jahr 2016 würden weitere Erkenntnisse über die spezifischen Kostensteigerungen bei der Stilllegung und Entsorgung vorliegen, aufgrund derer die Höhe des Sicherheitszuschlags wie auch der spezifischen Teuerungsrate angepasst werden könnten. Das Inkrafttreten der revidierten SEFV ist frühestens per Mitte 2014 geplant.
Scharfe Kritik der KKW-Betreiber
Die geplanten Änderungen der SEFV führen zu deutlich höheren Beiträgen für die Betreiber, da die tiefere Anlagerendite und der Pauschalzuschlag durch höhere Beiträge kompensiert werden müssen. Die Mehrkosten sollen über die angenommene Restlaufzeit der Kernkraftwerke verteilt werden, um die finanzielle Mehrbelastung für die Betreibergesellschaften abzufedern, führt der Bundesrat in der Medienmitteilung aus.
Die Betreibergesellschaften der Schweizer Kernkraftwerke kritisieren den Vorstoss des Bundesrates scharf. Sie sehen unisono keinen Grund, die bestehenden Regeln zu ändern.
Die Axpo Holding AG hält die vom Bundesrat vorgelegten Anpassungen für unnötig. Das bestehende System der Speisung der Fonds funktioniere erwiesenermassen sehr gut. Die Alpiq Holding AG teilte mit, das heutige System mit den regelmässigen Anpassungen der Kostenberechnungen habe sich bewährt. Zu diesem Schluss komme auch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi). Zudem müssten die Betreiber gemäss Kernenergiegesetz in jedem Fall vollumfänglich für die Entsorgung und Stilllegung aufkommen. Die BKW Energie AG hält den bundesrätlichen Vorschlag für «nicht notwendig» und «unangemessen». Er berücksichtige ausschliesslich negative Entwicklungen und trage möglichen technologisch bedingten Kostensenkungen nicht Rechnung.
Für die Axpo bedeute die Anwendung der Annahmen konkret eine Erhöhung der jährlichen Beiträge von heute CHF 53 Mio. auf rund CHF 113 Mio. alleine für das Kernkraftwerk Beznau – bei 50-jähriger Laufzeit erreichten die zusätzlichen Aufwendungen CHF 500 Mio. Die BKW ihrerseits müsste zwischen 2012 und 2022 rund CHF 600 Mio. und damit doppelt so viel wie bisher einzahlen. Die Alpiq rechnet für ihre Beteiligungen an Gösgen und Leibstadt mit CHF 15 Mio. mehr pro Jahr.
Quelle
D.S. nach Alpiq, Axpo, BFE, BKW, Medienmitteilungen, 14. August 2013
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