Bericht zur Wintertagung 2007 des Deutschen Atomforums
Vom 7.–8. Februar fand in Berlin die Wintertagung des Deutschen Atomforums statt. Unter dem Titel «Kernenergie im Spannungsfeld von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft» diskutierten führende Persönlichkeiten aus Energiewirtschaft, Industrie, Politik, Wissenschaft und Forschung. Im Zentrum des Gedanken- und Erfahrungsaustausches standen Überlegungen zu den Rahmenbedingungen der Atomenergienutzung in Deutschland, Europa und weltweit.
In seiner Eröffnungsrede ging der Präsident des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder, auf die gegenwärtige Situation des Strommarktes in der EU ein und sprach von einer zentralen Weichenstellung, die in Richtung der Fortführung der Liberalisierung in europäischen Regionalmärkten und später im gesamten EU-Raum, oder in Richtung der Regulierung der Strommärkte und nationaler Abschottung führe.
Deutschland auf dem Weg in die Isolation
Hohlefelder befürwortete die Vorschläge der EU-Kommission, die im Januar dieses Jahres ihr Strategiepapier «Eine Energiepolitik für Europa» vorgelegt hatte. Darin werden der Beitrag der Kernenergie zur CO2-Vermeidung und die Chancen eines weiteren Ausbaus der nuklearen Stromproduktion hervorgehoben. Deutschland befinde sich mit seinen Atomausstiegsplänen zunehmend auf dem Weg in die Isolation, so Hohlefelder. Die Ziele im Klimaschutz in Deutschland und damit auch in der EU könnten ohne Kernenergie unmöglich erreicht werden. Ausserdem werde sich die künstliche Verknappung des Stroms wegen der internationalen Vernetzung auch negativ auf die Preise in anderen EU-Ländern auswirken. Zusätzlich habe das Stilllegen der deutschen Kernkraftwerke eine stärkere Nachfrage nach CO2-Zertifikaten zur Folge, deren Preise ebenfalls steigen würden. Hohlefelder sagte voraus, dass der Druck, den Atomausstieg zu überdenken, auf Deutschland als grösstes EU-Mitglied massiv wachsen werde.
Mehrheit der Deutschen gegen Atomausstieg ohne Alternativen
Laut einer Umfrage der Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH (forsa) vom Januar 2007 ist die Mehrheit der deutschen Bürger nach wie vor für den planmässigen Ausstieg aus der Kernkraft, legte Prof. Jürgen W. Falter vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Mainz dar. Allerdings müssen dazu Alternativen vorhanden sein. Ohne diese spricht sich eine Mehrheit - darunter besonders viele junge Deutsche - gegen den geplanten Ausstieg aus. Es sei an der Zeit, die alternativen Energien als scheinbar vollwertigen Ersatz der Atomkraft zu «entschleiern».
Auf das Problem der Alternativen zur Kernkraft machte auch der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber aufmerksam. So seien die Gaspreise seit 2001 um über 60% gestiegen. CO2-freie Kohlekraftwerke werde es frühestens in 50 Jahren geben und die am ehesten rentable Offshore-Windkraft in der Nordsee sei für die Süddeutschen keine verbrauchernahe Energiequelle. Die daraus resultierenden höheren Strompreise bedeuteten wirtschaftliche Nachteile für den «deutschen Wirtschaftsmotor Bayern», so Huber.
Gezielte Information über Kernenergie und Ausbildungsangebot wichtig
Den Stellenwert einer umfassenden Informationspolitik betonte EU-Parlamentsmitglied Edit Herczog. Am Beispiel Ungarns zeigte sie auf, warum bereits in der Schule das Thema Kernenergie angesprochen werden sollte. Allgemein müsse eine breit angelegte und differenzierte Information der Bevölkerung stattfinden, sowohl durch Ausbildung auf höchstem Niveau als auch auf einem Basislevel für die Masse der Bürger. Gesellschaftliche Unterstützung sei eine Voraussetzung für die Nutzung der Kernenergie. Die Politik müsse zudem den gesetzlichen Rahmen sowohl für die Ausbildung als auch die Information der Bevölkerung sicherstellen.
Neue Kernkraftwerke in Grossbritannien nötig
Grossbritannien habe sich vom ursprünglichen Selbstversorger in die Abhängigkeit ausländischer Stromlieferanten begeben, erklärte Tim Yeo, Oppositionsabgeordneter im britischen Unterhaus. Er plädierte für neue Kernkraftwerke als sinnvolle Lösung. Der mögliche Nachfolger Tony Blairs, der derzeitige Finanzminister Gordon Brown, habe sich bis jetzt nicht klar für oder gegen die Atomkraft ausgesprochen. Dennoch stehe Grossbritannien vor einem historischen Wendepunkt. Grosse Investitionen in Kraftwerke seien unvermeidlich, um weiterhin preisgünstigen Strom zur Verfügung stellen zu können. Auch müsse die Politik im Rahmen des Möglichen die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung regenerativer Energien schaffen. Des Weiteren seien Standards und Zeitpläne für die Regelung des Ausstosses klimaschädlicher Gase unbedingt erforderlich.
Ersatz der Kernkraft durch Neue Energien realistisch?
Eine bleibende Stromlücke durch den Atomausstieg sei in Deutschland nicht erkennbar, erklärte hingegen der Staatssekretär für Umwelt, Matthias Machnig. Zu viel Potenzial stecke in den regenerativen Energien. Auch die Entwicklung von CO2-freien Kohlekraftwerken pries er als wichtige Technik für das Vorhaben Europas, energieeffizientester Standort zu werden.
Podiumsdiskussion
Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, behauptete an der anschliessenden Podiumsdiskussion, neue Kernkraftwerke seien in Deutschland aufgrund der notwendigen Subventionen nicht rentabel. Bei der Frage, ob Deutschland durch den Atomausstieg nicht den stark verflochtenen europäischen Energiemarkt gefährde, hob sie die Fortschrittlichkeit und die Vorbildfunktion des Landes hervor: Deutschland setze Zeichen, die von anderen Ländern als positives Signal aufgefasst werden müssten. Ausserdem werde aufgrund der rapiden Entwicklung die Windkraft viel schneller konkurrenzfähig als allgemein vermutet. Hier wandte Prof. Ulrich Wagner von der Technischen Universität München ein, dass sich die Kosteneinsparungen in der Windkraft Grenzwerten näherten und Senkungen der Erzeugungspreise wie in den letzten zehn Jahren nicht mehr möglich seien. Wagner sprach sich für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke auf 40 Jahre aus. Während dieser Zeit könne die regenerative Energie weiterentwickelt werden und zu einem sinnvollen Strommix beitragen.
Quelle
M.R.