Belgien: Neue Regierung will Kernenergie wiederbeleben
Die neue belgische Mitte-rechts-Regierung unter Premierminister Bart De Wever (Neu-Flämischen Allianz, N-VA) will den Atomausstieg aufheben. Die Laufzeit bestehender Kernkraftwerke sollen weiter verlängert und in den kommenden Jahren neue Reaktoren gebaut werden, darunter auch SMRs.
An den belgischen Nuklearstandorten Doel und Tihange stehen derzeit fünf Druckwassereinheiten in Betrieb: Doel-1, Doel-2 und Doel-4 sowie Tihange-1 und Tihange-3. Nach den geltenden Vorschriften müssten Tihange-1 sowie Doel-1 und Doel-2 bereits 2025 abgeschaltet werden. Doel-3 und Tihange-2 wurden schon in den Jahren 2022 und 2023 abgeschaltet. Die Vorgängerregierung unter Premierminister Alexander de Croo musste –aufgrund von Bedenken zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit – die für 2025 geplante Abschaltung von Doel-4 und Tihange-3 aufgeben. In zähen Verhandlungen mit der belgischen Betreiberfirma Engie-Electrabel (einer 100%igen Tochtergesellschaft der französischen Engie) konnte die Verlängerung des Betriebs der Kernkraftwerkseinheiten Tihange-3 und Doel-4 um zehn Jahre bis 2035 erreicht werden.
De Wever plant Ausstieg aus dem Ausstieg der Kernenergie
Um eine CO₂-freie Grundlastenergie zu gewährleisten, hat die neue belgische Regierung unter De Wever ein Programm zur Wiederbelebung der Kernenergie angekündigt: «Wir streben einen Anteil von 4 Gigawatt Kernenergie in unserem Strommix an», heisst es in der Koalitionsvereinbarung. Die Regierung verpflichte sich deshalb kurzfristig zu Laufzeitverlängerungen zum Erhalt der Kapazitäten: Der Betrieb von Doel-4 und Tihange-3 soll nicht nur um 10, sondern um 20 Jahre bis 2045 verlängert werden und auch Laufzeitverlängerungen von Tihange-1, Doel-1 und Doel-2 sollen geprüft werden. Diese Massnahmen würden 4 GW an Kernkraftwerkskapazität sichern. Langfristig ist auch der Bau neuer Kernkraftwerke im Umfang von ebenfalls 4 GW geplant, wobei grosse Leistungsreaktoren und kleine, modulare Reaktoren (SMRs) in Betracht gezogen werden. Das Gesetz von 2003, welches den Atomausstieg Belgiens vorschreibt, solle aufgehoben werden.
Electrabel-Engie wehrt sich gegen weitere Laufzeitverlängerungen
Vincent Verbeke, der CEO des belgischen Kernkraftwerksbetreibers Engie-Electrabel, lehnte bereits im Januar 2025 kategorisch die weiteren geplanten Laufzeitverlängerungen der neuen Regierung ab. Er machte fehlende Ressourcen und eine nun auf erneuerbare Energien ausgerichtete Strategie des Mutterhauses Engie geltend. «Wir investieren nicht mehr in Kernenergie», sagte Verbeke.
Der neue Energieministers Mathieu Bihet und dessen liberale Partei (Mouvement réformateur, MR) kritisierten Verbeke heftig: «Wir können nicht akzeptieren, dass ein monopolistischer Akteur unter dem Vorwand strategischer Entscheidungen die Energieambitionen eines souveränen Staates einschränken will. Die Energiezukunft Belgiens wird im Parlament entschieden, nicht in den Vorstandsetagen von Engie.» In einer Stellungnahme erklärte das Forum nucléaire belge, dass möglichst bald die Rolle von Engie-Electrabel zu klären sei. Wenn das Unternehmen «keine Zukunft für die Kernenergie in Belgien sieht, so muss möglicherweise ein anderer Betreiber gefunden werden, der die bestehenden Atomreaktoren weiterbetreibt».
Die Internationale Energieagentur (IEA) und die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) empfehlen den Langzeitbetrieb als unverzichtbaren Bestandteil eines kosteneffizienten Wegs zu Netto-Null bis 2050.
Quelle
B.G. und M.A. nach Regierung De Wever, Koalitionsvereinbarung, 31. Januar 2025; Forum Nucléaire Belge, Medienmitteilung, 3. Februar 2025; Erklärung der MR-Fraktion zu Aussagen des Engie-Electrabel-CEO, 24. Januar 2025; sowie diverse Zeitungsartikel
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