Belgien: möglicher Atomausstieg
Die Unterhändler in den Koalitionsgesprächen zur Bildung einer Regierung in Belgien haben sich Ende Oktober 2011 im Grundsatz auf einen Kernenergieausstieg unter bestimmten Voraussetzungen geeinigt.
Der Plan von Regierungsbildner Elio Di Rupo, frankophoner Sozialdemokrat, und der Vorsitzenden der eingeladenen Koalitionsparteien – Parti socialiste (PS), Christen-Democratisch en Vlaams (CD &V), Mouvement réformateur (MR), Open Vlaamse Liberalen en Democraten (Open VLD), Socialistische Partij Anders (SP.A) und Centre démocrate humaniste (CDH) – sieht vor, dass die drei ältesten Kernenergieeinheiten Doel-1 und -2 sowie Tihange-1 bis 2015 und die restlichen vier Blöcke bis 2025 vom Netz gehen, dies jedoch unter der Bedingung, dass bis dahin die Stromversorgung aus anderen Quellen sichergestellt werden kann. Belgien hat einen Atomstromanteil von derzeit rund 50%.
Schrittweiser Ausstieg bereits 2003 festgeschrieben
Belgien hatte bereits 2003 ein Gesetz verabschiedet, das mit dem Verbot des Baus neuer Kernkraftwerke und der Begrenzung der Betriebsdauer der bestehenden Blöcke auf 40 Jahre den schrittweisen Ausstieg des Landes aus der Kernenergie von 2015 bis 2025 vorsah. Von diesem Ausstiegsplan darf allerdings laut Gesetz aus dringenden Gründen abgewichen werden. Die mittlerweile zurückgetretene Regierung hiess 2009 eine Verschiebung der Stilllegung der drei ältesten Kernkraftwerksblöcke des Landes um zehn Jahre gut. Auch die vorhergehende Regierung hatte sich für eine Verschiebung des Kernenergieausstiegs ausgesprochen.
«Wenn sich herausstellt, dass weder eine Versorgungslücke entsteht, noch die Preise in die Höhe schnellen, wollen wir am Ausstiegsgesetz von 2003 festhalten», erklärte eine Sprecherin des föderalen Ministère du Climat et de l'Energie gegenüber der internationalen nuklearen Informationsagentur NucNet.
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat Belgien vor Kurzem in einem Bericht zur Lage auf dem belgischen Energiemarkt empfohlen, seine Kernkraftwerke vorerst nicht abzuschalten. Das Ausstiegsgesetz könne «eine bedeutende langfristige Herausforderung für Belgien darstellen».
Electrabel «erstaunt»
Die Electrabel SA – ein Unternehmen der Gruppe GDF Suez SA und Betreiberin aller Kernkraftwerkseinheiten – zeigte sich erstaunt über den Entscheid der Unterhändler, ab 2015 aus der Kernenergie auszusteigen. Sie verwies auf die verschiedenen unabhängigen Studien und zukunftsorientierten Strategien, auf die sich die Regierung 2009 stützte, als sie eine zehnjährige Betriebsverlängerung für Doel-1 und -2 sowie Tihange-1 beschloss. Die Electrabel erinnerte zudem daran, dass der gegenwärtige Entscheid im Gegensatz zur Aufforderung der früheren Regierungen stehe, den nuklearen Markt zu öffnen, um den Wettbewerb im belgischen Energiesektor zu fördern. Das Unternehmen versicherte jedoch, es werde sich dem Beschluss beugen.
Quelle
M.A. nach NucNet, 1. November, und Electrabel, Medienmitteilung, 31. Oktober 2011
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