Ausrüster machen mobil
Verwundert nahmen einige Beobachter die jüngsten Ankündigungen über Unternehmensbeteiligungen zur Kenntnis, so etwa zwischen der Mitsubishi Heavy Industries (MHI) und der Areva: Die Japaner sind bereit, die bestehende Allianz mit Areva mit einer Beteiligung von drei Prozent am Areva-Aktienkapital zu untermauern. Immerhin handelt es sich bei der Areva um den weltgrössten Reaktorhersteller.
Die beiden Konzerne hatten bereits vor drei Jahren entschieden, mittelgrosse Reaktoren gemeinsam zu entwickeln und zu vermarkten. Im Vordergrund stehen dabei Druckwasserreaktoren der dritten Generation mit einer Leistung von 1100 MWe. Diese Reaktoren dürften künftig vor allem von Schwellenländern nachgefragt werden.
Die MHI mit Sitz in Tokio ist ein Mischkonzern, welcher Produkte und Dienstleistungen für die Sparten Reaktorbau, Schiffbau, Flugzeugbau, Automobiltechnik, Raumfahrttechnik, Rüstung und Klimasysteme anbietet. Der Konzern verfügt damit über ein fast so breites Produktportfolio wie die Konglomerate Hitachi und Toshiba. Die Toshiba bietet bekanntlich Flat-TVs, Notebooks, Halbleiter sowie über die Tochtergesellschaft Westinghouse Reaktortechnologie an.
Die MHI-Aktie hat an der Börse aufgrund der sinkenden Gewinnentwicklung gelitten. Der aktuelle Börsenwert beträgt CHF 12,7 Mrd. Immerhin zahlt die MHI eine relativ konstante Dividende (Dividendenrendite von 1,5%).
Der französische Premierminister Francois Fillon hat die von der MHI beabsichtigte Beteiligung begrüsst. «Frankreich glaubt, dies sei eine gute Sache», sagte Fillon anlässlich einer Medienkonferenz in Tokio. Ganz unfreiwillig ist die neue Offenheit der Franzosen allerdings nicht. Die französische Regierung verhandelt auch mit staatsnahen Fonds von Kuwait und Katar über eine Beteiligung. Die Bilanz der Areva, immer noch mehrheitlich im Besitz des französischen Staates, ist nicht sehr solide. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat deshalb das Rating auf BBB+ gesenkt.
Die Japaner wiederum wollen sich angesichts der Vielzahl von Kernkraftwerkprojekten in Position bringen. «Wir befürworten die starken Kooperations-Bestrebungen sehr», sagte der japanische Premierminister Naoto Kan. Die Renaissance in der Kernenergie mischt nun die Branche der Ausrüster auf. Es geht darum, den neuen Auftraggebern ein möglichst effektives und kostengünstiges Angebot zu machen.
Die japanische Industrie – Ausrüsterin und Betreiberin der Kernenergie-Branche – hat sich nun zusammengerauft. Sie hat unter der Koordination des Staates eine Organisation gegründet, welche helfen soll, Grossaufträge aus dem Ausland an Land zu ziehen. Aufgeschreckt wurden die Japaner durch jüngste Erfolge der südkoreanischen Firmen. So hat die Korea Electric Power Corp. in Malaysia überraschend einen Grossauftrag gewonnen. Auch nach den ersten Offerten-Runden in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Vietnam gingen die Japaner leer aus.
Nun wollen die Japaner mit Projekten für die zweite vietnamesische Expansionsphase reüssieren. Vietnam hatte angekündigt, bis ins Jahr 2030 rund 13 Kernkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 15 GW zu errichten. Im Fokus stehen generell die Emerging Markets, die mit Kernenergie relativ wenig Erfahrung besitzen – wie etwa Thailand und Indonesien.
«Diese private und öffentlich-rechtliche Zusammenarbeit ist ein wichtiger Schritt zur Förderung der japanischen Kernenergie-Technologien in Schwellenländern», sagte Masayuki Naoshima, Japans Minister für Wirtschaft, Handel und Industrie. Für die Hitachi und die MHI ist die jüngste japanische Initiative kein Hindernis, an den bestehenden Allianzen mit General Electric und Areva festzuhalten.
Ein grosser Konkurrent für die japanische Industrie ist schliesslich die Ausrüster-Branche in Russland. Die Fäden laufen beim Staatskonzern Rosatom zusammen. Die Rosatom hat mit Indien erste Lieferungen von Anlagen vereinbart. Möglicherweise kann sie bei 16 weiteren indischen Kernkraftwerkprojekten als Zulieferer agieren.
Immerhin haben MHI, Toshiba und Hitachi vor der eigenen Haustüre – in China – relativ leichtes Spiel. So kommt offenbar die Toshiba-Tochter Westinghouse für weitere Reaktorprojekte zum Zuge. China baut die nukleare Kapazität von derzeit 9 auf bis 80 GW im Jahr 2020 und sogar auf rund 200 GW im Jahr 2030 aus.
Quelle
Hans Peter Arnold