Nukleare Nachwuchskräfte: Energiestrategie ist ohne Kernenergie kaum umsetzbar

White Paper zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit

Der geplante Weg der Energiestrategie in der Schweiz wird nach aktuellem Stand in eine Sackgasse führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine 10-köpfige Arbeitsgruppe junger Mitglieder des Nuklearforums Schweiz und der Schweizerischen Gesellschaft der Kernfachleute (SGK) in einem heute veröffentlichten White Paper. Der Plan, notwendige Klimaschutzmassnahmen und eine sichere Stromversorgung ohne Kernenergie zu realisieren, wird nach der Analyse der Gruppe unter den aktuellen Voraussetzungen nicht funktionieren. Ein wesentlicher Grund dafür sind die zu optimistischen Erwartungen an die Verfügbarkeit von klimafreundlichen Stromimporten aus dem Ausland – insbesondere im Winter. Der nukleare Nachwuchs spricht sich unter anderem für technologieoffene Szenarien unter Einbezug der Kernenergie aus.

15. Juni 2021

«Ich bin der Arbeitsgruppe sehr dankbar für dieses Papier. Ich bin mir sicher, ihre Erkenntnisse sind ein wertvoller Beitrag zur Diskussion um Klimaschutz und Versorgungssicherheit», sagte Hans-Ulrich Bigler, Präsident des Nuklearforums Schweiz, bei der Vorstellung des White Papers in Bern.

Nach 2035 zu wenig Strom im europäischen Netz
Die Autoren - Nachwuchswissenschaftler, Ökonomen und Juristen - kommen zu dem Schluss, dass spätestens ab 2035 ein massiver Stromengpass droht, sollte die Schweiz keine zusätzlichen Produktionskapazitäten im Inland schaffen. Die aktuelle Energiestrategie sieht jedoch auch vor, dass die Schweiz in Zukunft grosse Mengen an Strom importieren kann. Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgruppe die Versorgungslage der Schweiz mit Strom bis 2050 unter Einbezug der Klimastrategien der Nachbarländer analysiert. «Die Ergebnisse unserer Berechnungen unterscheiden sich wesentlich von den Erwartungen des Bundes zur Stromproduktion und Importverfügbarkeit aus den Nachbarländern», so Lukas Schmidt, Nuklearingenieur ETH und einer der Autoren. Alle Nachbarländer der Schweiz beabsichtigen ebenfalls, ihre Volkswirtschaften zu dekarbonisieren und damit zu elektrifizieren, um die Klimaziele zu erreichen. Danach werden die Nachbarländer bereits 2035 rund 300 Terawattstunden (TWh) bzw. 18% weniger Strom produzieren als die Schweiz in den Energieperspektiven 2050+ kalkuliert. Bis 2050 wird diese Differenz auf rund 740 TWh bzw. 40% steigen. «Sollten die einzelnen Länder ihre Klimaziele erreichen, wird in den Jahren nach 2035 zu wenig Strom im europäischen Netz sein – vor allem im Winter. Darunter wird vor allem die Schweiz leiden, die in Zukunft bewusst auf Stromimporte setzt», so Schmidt.

Kernenergie muss ein Szenario bleiben
Die Autoren heben hervor, dass daher zusätzliche inländische Produktionskapazitäten aufgebaut werden müssten, die ausserdem zwingend Bandenergie bereitstellen, denn die grossangelegte Speicherung von Strom ist noch nicht ausgereift.
Die entsprechenden Lösungsszenarien sehen den Einbezug der Kernenergie vor – etwa durch den Langzeitbetrieb der bestehenden Kraftwerke. Gerade die drohende Winterlücke beim Strom kann durch Kernenergie wirksam verhindert werden. «Ein Betrieb von mindestens 60 Jahren ist mit den Schweizer Anlagen sicherheitstechnisch möglich. Dadurch kann Zeit gewonnen werden, um bei möglichen Ausbauschwierigkeiten von neuen erneuerbaren Energien keine Versorgungsengpässe zu riskieren», sagte Lukas Robers, Doktorand am Labor für Kernenergiesysteme der ETH Zürich, ebenfalls einer der Co-Autoren.
Zahlreiche Länder setzen beim Kampf gegen den Klimawandel auf die CO2-arme Kerntechnik als Teil einer umweltfreundlichen Energiepolitik. Als Beispiel nennt die Arbeitsgruppe moderne Small Modular Reactors (SMR). Die SMR-Technologie verfügt gegenüber konventionellen Anlagen über Weiterentwicklungen in der Sicherheit, Brennstoffausnutzung, Flexibilität und Entsorgung. Ökonomisch sind sie wegen ihrer modularen Bauweise und den kürzeren Bauzeiten ebenfalls attraktiv. Die mittleren Stromkosten für SMRs sind mit denen für erneuerbare Energiequellen vergleichbar. «SMRs wurden für den Lastfolgebetrieb entwickelt und könnten daher volatile Stromerzeuger wie Wind und Photovoltaik ergänzen», erklärte Lukas Robers. Die Problematik der Speicherung und der Sicherung der Grundversorgung würde durch diesen Mix abgemildert werden.
«Wenn wir einen Stromengpass oder ein Nicht-Erreichen der Klimaziele verhindern wollen, müssen wir endlich damit anfangen, technologieoffen zu planen», so Hans-Ulrich Bigler bei der Vorstellung von acht politischen Handlungsempfehlungen aus dem White Paper. Weitere Empfehlungen betreffen die realistische Bewertung der Strom-Exportfähigkeit der Nachbarländer, die stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft, eine technologische Mehrgenerationen-Perspektive oder die Verbesserung der Rahmenbedingungen für inländische Stromerzeugungskapazitäten. Im Hinblick auf die angestrebte massive Dekarbonisierung benötigt nicht nur die Schweiz in den kommenden Jahren massiv mehr Strom. «Wenn wir nichts tun, laufen wir bei der Stromversorgung auf einen Versorgungsengpass zu. Es ist daher nicht eine Frage, ob wir das Neubauverbot für Kernkraftwerke aufheben wollen, sondern vielmehr, ob wir uns den Ausstieg aus der Kernenergie vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Versorgungssicherheit leisten können», unterstrich Hans-Ulrich Bigler.

Kontakt

Stefan Diepenbrock, Leiter Kommunikation, stefan.diepenbrock@nuklearforum.ch  
Matthias Rey, Media Relations, matthias.rey@nuklearforum.ch
 
Nuklearforum Schweiz, Frohburgstrasse 20, 4600 Olten
Tel.: +41 (0)31 560 36 50

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