Zuverlässige Stromversorgung für Rechenzentren – eine Herausforderung

Der Stromverbrauch von Rechenzentren wächst rapide aufgrund des steigenden Bedarfs an Cloud-Computing, künstlicher Intelligenz und anderen datenintensiven Anwendungen. Einige Technologieunternehmen insbesondere in den USA beginnen daher auch die Kernenergie als Stromquelle für Rechenzentren in Erwägung zu ziehen, um ihren steigenden Strombedarf zuverlässig und umweltfreundlich zu decken.

31. Jan. 2025
AWS kaufte von Talen Energy das Rechenzentrum «Cumulus», das direkt an das Kernkraftwerk Susquehanna angeschlossen ist.
AWS kaufte von Talen Energy das Rechenzentrum «Cumulus», das direkt an das Kernkraftwerk Susquehanna angeschlossen ist.
Quelle: Linxon

Im Herbst 2023 liess eine Stellenausschreibung bei Microsoft aufhorchen: Demnach suchte das Technologie-Unternehmen einen «Principal Program Manager Nuclear Technology», der oder die unter anderem technisch bewerten soll, ob Rechenzentren für die Microsoft-Cloud und künstliche Intelligenz (KI) mit kleinen, modularen Reaktoren (SMRs) oder Mikroreaktoren betrieben werden können. Vor dem Hintergrund der energiehungrigen Datenzentren des Unternehmens ergibt dies Sinn. Denn die Internationale Energieagentur (IEA) erklärte kürzlich, sie gehe davon aus, dass sich der Stromverbrauch der weltweiten Rechenzentren bis 2026 verdoppeln werde. Die amerikanische Non-Profit-Organisation Electric Power Research Institute (EPRI) weist in ihrem White Paper «Powering Intelligence – Analyzing Artificial Intelligence and Data Center Energy Consumption» von Mai 2024 darauf hin, dass eine Internetabfrage, bei der KI zum Einsatz kommt, 2,9 Wattstunden benötigt, verglichen mit 0,3 Wattstunden bei einer herkömmlichen Suche. Die Erstellung von Musik, Fotos und Videos mit KI-Unterstützung könnte noch viel mehr Strom benötigen.

Fakt ist: Grosse Technologiekonzerne wie Amazon, Apple, Meta, Google (Alphabet) und Microsoft treiben die Stromnachfrage erheblich an, vor allem durch ihren schnell wachsenden Rechenzentrumsbetrieb. Diese Rechenzentren sind für die Unterstützung von Cloud-Diensten, KI-Entwicklung und anderen digitalen Vorgängen unerlässlich. Die Einrichtungen benötigen grosse Mengen an Strom für den Betrieb von Servern, Kühlsystemen und anderer Infrastruktur, die für die Speicherung und Verarbeitung riesiger Datenmengen erforderlich sind. Laut EPRI könnten Rechenzentren bis 2030 bis zu 9% der Stromerzeugung in den USA verbrauchen – mehr als das Doppelte des derzeitigen Verbrauchs. Deshalb sind die Betreiber von Rechenzentren daran interessiert, langfristige Stromabnahmeverträge aus CO2-armen Quellen abzuschliessen. Zudem wollen sie ihre selbst auferlegten Nachhaltigkeitsziele erreichen.

Amazon Web Services (AWS)

Anfang März 2024 gab die Talen Energy Corporation bekannt, dass sie ihren 1200 Hektar grossen Rechenzentrumscampus namens Cumulus im Nordosten Pennsylvanias für USD 650 Mio. an Amazon Web Services (AWS) – einer Tochtergesellschaft von Amazon – verkauft habe. Der Cumulus-Campus ist direkt an das Kernkraftwerk Susquehanna angeschlossen. Die vier Umspannwerke des Rechenzentrums verfügen über ein Gesamtpotenzial von 960 MW.

«Wir glauben, dass dies eine transformative Transaktion mit langfristigen Vorteilen ist», sagte Mark McFarland, Präsident und CEO von Talen Energy, in einem Gespräch mit Investoren und Medien. Da die weltweite Stromnachfrage weiter steigt, «stehen Rechenzentren im Mittelpunkt dieses Wachstums», fügte er hinzu.

«Vor einigen Jahren hat sich Amazon das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein – zehn Jahre vor dem Pariser Abkommen. Als Teil dieses Ziels sind wir auf dem Weg, unsere Betriebe bis 2025 zu 100% mit erneuerbarer Energie zu versorgen – fünf Jahre früher als unser ursprüngliches Ziel für 2030», erklärte ein Amazon-Sprecher. «Um unsere Wind- und Solarenergieprojekte zu ergänzen, die von Wetterbedingungen abhängig sind, erkunden wir auch neue Innovationen und Technologien und investieren in andere saubere, kohlenstofffreie Energiequellen. Diese Vereinbarung mit Talen Energy für kohlenstofffreie Energie ist ein Teil dieses Bestrebens.»

Laut der Investorenpräsentation von Talen Energy wird das Unternehmen das neue AWS-Rechenzentrum während seiner Bauphase mit Atomstrom zum Festpreis versorgen. AWS, ein Anbieter von Cloud-Computing-Plattformen, hat vertragliche Mindeststromverpflichtungen, die über mehrere Jahre in 120-Megawatt-Schritten ansteigen. Die Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen sieht vor, dass AWS eine einmalige Option hat, die Verpflichtungen auf 480 MW zu begrenzen, und ermöglicht AWS zwei 10-jährige Verlängerungsoptionen, die an die Erneuerung der Betriebsgenehmigung für die beiden Susquehanna-Einheiten in den Jahren 2042 und 2044 gebunden sind.

Diese Vereinbarung zwischen Talen Energy und AWS lehnte jedoch die amerikanische Federal Energy Regulatory Commission (FERC) am 1. November 2024 mit 2 zu 1 Stimmen ab, nachdem die Energiekonzerne Exelon und American Electric Power Beschwerde bei der FERC eingereicht hatten. Die Behörde begründete ihren Entscheid damit, dass die geplante grosse Stromabnahme durch AWS die Versorgungssicherheit des Netzes beeinträchtigen und sich nachteilig auf die Kundinnen und Kunden der Energieversorger auswirken könnte (siehe Kasten). Talen Energy sucht nun nach alternativen Lösungen, um die regulatorischen Bedenken auszuräumen, meldete das Unternehmen.

Problematische Co-Location

Die Platzierung von Rechenzentren in der Nähe von Kernkraftwerken oder anderen Kraftwerken, um direkt Strom zu beziehen (sogenannte Co-Location), wird immer häufiger, da Rechenzentren nach kostengünstiger, stabiler und kohlenstofffreier Energie suchen. Diese Praxis wirft laut Tony Clark, einem Berater bei Wilkinson Barker Knauer und Experte auf diesem Gebiet, jedoch Fragen zu Gerechtigkeit und Energieversorgungssicherheit auf, da direkt verbundene Rechenzentren Gebühren umgehen, die zur Instandhaltung des Stromnetzes beitragen. Dies führe dazu, dass die Energiepreise für alle Stromkonsumenten erhöht und das Stromangebot verringert werden könnte. «Es gibt eine ganze Reihe von Gebühren, die über den Netzanbieter erhoben werden und die man nicht zahlen muss, wenn man sich nicht über das Netz anschliesst», sagt Clark. «Und diese Gebühren sind der Teil der Rechnung, der für alle anderen steigen wird». Dieses Problem muss laut Clark von der Politik angegangen werden.

Microsoft

Auch die Microsoft Corporation denkt über die Nutzung von Kernenergie nach, um die Versorgung ihrer Rechenzentren mit Strom sicherzustellen. Das Technologie-Unternehmen ging eine Partnerschaft mit der Constellation Energy Corporation ein, um die Kernkraftwerkseinheit Three-Mile-Island-1 in Pennsylvania wieder in Betrieb zu nehmen. Three-Mile-Island-1 wurde vor fünf Jahren aus wirtschaftlichen Gründen vorzeitig vom Netz genommen. Die Vereinbarung hat eine Laufzeit von 20 Jahren und dient den Klimazielen von Microsoft. «Diese Vereinbarung ist ein wichtiger Meilenstein in Microsofts Bemühungen, zur Dekarbonisierung des Stromnetzes beizutragen», sagte Bobby Hollis, Vice President of Energy bei Microsoft. «Sie unterstützt unser Ziel, kohlenstoffneutral zu werden.»

Zur Vorbereitung des Neustarts werden erhebliche Investitionen in die Wiederherstellung des Kraftwerks getätigt, teilte Constellation mit. Für die Wiederinbetriebnahme benötige das Unternehmen zudem die Genehmigung der Nuclear Regulatory Commission (NRC), was eine umfassende Sicherheits- und Umweltprüfung sowie Genehmigungen der zuständigen staatlichen und lokalen Behörden voraussetzt. Nach Angaben des Unternehmens soll der Block im Jahr 2028 wieder ans Netz gehen. Gleichzeitig dazu strebt Constellation eine Verlängerung der Betriebsbewilligung bis mindestens 2054 an.

Zwei Kernkraftwerke in Pennsylvania zur Versorgung von Rechenzentren
PJM Interconnection ist ein regionaler Stromnetzbetreiber in den USA, der den grössten Strommarkt in Nordamerika betreibt. Er koordiniert den Stromfluss und den Handel in einem Netz, das 13 Bundesstaaten und den District of Columbia umfasst. In diesem Gebiet liegen die Kernkraftwerke Susquehanna und Three Mile Island.
Quelle: Amerikanische Energy Information Administration

Auch kleine, modulare Reaktoren (SMRs) sind im Rennen

SMRs könnten ebenfalls eine Schlüsselrolle spielen, indem sie direkt in die Infrastruktur von Rechenzentren integriert werden und so eine zuverlässige, CO₂-freie Energiequelle bieten. Die derzeitige amerikanische Energieministerin Jennifer Granholm will die Entwicklung dieser Technologie energisch fördern.

Verschiedene Unternehmer engagieren sich bereits direkt bei diesen innovativen Nukleartechnologien. So ist Bill Gates – der Mitbegründer von Microsoft – beispielsweise ein massgeblicher Investor des SMR-Entwicklers TerraPower. Sam Altman ist vielleicht vor allem als CEO von OpenAI bekannt, aber er ist auch eng mit dem SMR-Startup Oklo verbunden.

Die Technologiekonzerne Amazon, Oracle und Google haben bereits offen über den Einsatz von SMRs als Stromlieferanten für ihre Rechenzentren gesprochen. NuScale Power, ein weiterer Entwickler von SMRs, äusserte ebenfalls bereits Interesse an Partnerschaften mit grossen Technologieunternehmen, und möchte seine Reaktoren für die Energieversorgung von Rechenzentren zur Verfügung stellen.

Amazon

Mitte Oktober 2024 gab Amazon bekannt, dass es drei Abkommen zur Förderung von Kernenergieprojekten unterzeichnet habe, die unter anderem den Bau von mehreren SMRs ermöglichen sollen.

Im Rahmen der Vereinbarung mit Energy Northwest, einem Konsortium staatlicher Versorgungsunternehmen, wird eine Machbarkeitsstudie für ein SMR-Projekt in der Nähe eines Standorts von Northwest Energy im Bundesstaat Washington finanziert. Beim SMR handelt es sich um den Xe-100 von X-energy. Energy Northwest und X-energy haben seit 2020 intensiv an den Plänen für den Xe-100 gearbeitet. Die Vereinbarung gibt Amazon die Berechtigung, Strom aus den ersten vier geplanten SMR-Modulen mit einer Gesamtleistung von 320 MW zu kaufen. Energy Northwest hat die Möglichkeit, bis zu acht zusätzliche 80-MW-Module hinzuzufügen, sodass sich eine Gesamtkapazität von bis zu 960 MW ergibt. Die zusätzliche Energie würde Amazon und den Versorgungsunternehmen zur Verfügung stehen, um Haushalte und Unternehmen mit Strom zu versorgen.

Zudem investiert Amazon zusammen mit Ken Griffin, Gründer und CEO von Citadel, NGP Energy Capital, der University of Michigan und Ares Management Corporation USD 500 Mio. in den Reaktorentwickler X-energy. Damit sollen die Entwicklung und Lizenzierung des SMR Xe-100 unterstützt werden.

Ausserdem hat Amazon eine Vereinbarung mit Dominion Energy unterzeichnet, um die Entwicklung eines SMR-Projekts in der Nähe des bestehenden Kernkraftwerks North Anna zu erkunden. Dieses Projekt soll mindestens 300 MW Leistung im Bundesstaat Virginia bereitstellen, wo Dominion einen Anstieg des Strombedarfs um 85% in den nächsten 15 Jahren erwartet. Laut der Virginia Economic Development Partnership (VEDP) beherbergt Virginia den grössten Rechenzentrumsmarkt der Welt: «Etwa 35% (fast 150) aller bekannten Hyperscale-Rechenzentren weltweit befinden sich dort.» Als Hyperscale-Rechenzentrum wird gemäss der International Data Corporation eine Einrichtung bezeichnet, die mehr als 1000 m2 Fläche hat und einen Energieverbrauch von über 100 MW aufweist.

Ed Baine (Dominion Energy Virginia), Caren Merrick (Secretary of Commerce & Trade, Virginia), Greg Cullen (Energy Northwest), Clay Sell (X-energy) und Kevin Miller (AWS) während der Podiumsdiskussion zur Ankündigung der SMR-Vereinbarungen mit Amazon am 16. Oktober 2024.
Ed Baine (Dominion Energy Virginia), Caren Merrick (Secretary of Commerce & Trade, Virginia), Greg Cullen (Energy Northwest), Clay Sell (X-energy) und Kevin Miller (AWS) während der Podiumsdiskussion zur Ankündigung der SMR-Vereinbarungen mit Amazon am 16. Oktober 2024.
Quelle: Al Drago

Oracle

Oracle ist das jüngste grosse Technologieunternehmen, das den Einsatz von Kernkraftwerken als Stromlieferanten für künftige Rechenzentren angekündigt hat. Dabei werden SMRs in Erwägung gezogen. Oracle hat derzeit 162 Cloud-Rechenzentren auf der ganzen Welt in Betrieb und in Bau. Das grösste davon hat einen Stromverbrauch von 800 MW. Im Investorengespräch vom 9. September 2024 stellte der Chief Technology Officer von Oracle, Lawrence Joseph Ellison, Pläne für ein Rechenzentrum mit mehr als einem Gigawatt Leistung vor, das von drei nahe gelegenen SMRs mit Strom versorgt werden soll. Weitere Einzelheiten zum Projekt wurden noch nicht genannt. Der Einsatz von SMRs biete Oracle eine potenziell wirtschaftliche und CO2-freie Energiequelle, um ihre Cloud-Dienste nachhaltig zu betreiben. Diese Reaktoren seien besonders attraktiv, da sie kontinuierliche Energie liefern können, was entscheidend für den Betrieb grosser Rechenzentren sei, die rund um die Uhr laufen müssen.

Google (Alphabet)

Auch Google – eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Alphabet – entwickelt Rechenzentren, die mehr als ein Gigawatt Strom verbrauchen werden. Im Rahmen einer Vereinbarung mit Google wird der SMR-Entwickler Kairos Power eine Reihe von SMRs mit einer Gesamtleistung von 500 MW entwickeln, bauen und betreiben. Das Abkommen umfasst mehrere Standorte und soll den Weg für die Kommerzialisierung fortgeschrittener kleiner Reaktoren ebnen. Der erste SMR soll bis 2030 in Betrieb gehen und Googles Ziel unterstützen, Netto-Null-Emissionen für den Betrieb und entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erreichen. Dazu gehört, dass die Anlagen rund um die Uhr mit CO2-armer Energie betrieben werden.

Kernenergie als potenzielle Stromquelle für Rechenzentren

Laut der amerikanischen Energy Information Administration (EIA) wenden sich Rechenzentrumsbetreiber zunehmend der Kernenergie zu, da diese eine konstante Stromversorgung rund um die Uhr sicherstellt und gleichzeitig eine bedeutende Quelle für CO2-arme Energie ist. Trotz hoher Baukosten erzeugen Kernkraftwerke Strom zu relativ niedrigen Betriebskosten, wobei ein einzelner Reaktor eine Kapazität von 800 MW oder mehr haben kann. Kernkraftwerke stossen während der Stromproduktion kein CO2 aus, was für technologieorientierte Unternehmen, die ihre eigenen Emissionsreduktionsziele verfolgen, besonders attraktiv ist.

Die EIA warnt jedoch, dass die zukünftige Stromnachfrage von Rechenzentren unsicher bleibt. Diese Unsicherheiten betreffen unter anderem, wie viel Rechenzentrumskapazität gebaut wird, wie lange es dauert, bis die volle Nachfragekapazität erreicht ist, und wie sich die Energieeffizienz durch technologische Fortschritte entwickelt.

Verfasser/in

M.A. nach verschiedenen Quellen

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Zur Newsletter-Anmeldung

Profitieren Sie als Mitglied

Werden Sie Mitglied im grössten nuklearen Netzwerk der Schweiz!

Vorteile einer Mitgliedschaft